Börsenkurse: Was ist dran an der Magie der runden Zahl?

Warum sich der Dow-Jones-Index so mit der 20.000er-Hürde plagt. Plus: Der "Siebener-Fluch" und andere Kuriosa.

Kurz vor 20.000 war bisher immer Schluss. Am Freitag fehlten dem US-Börsenindex Dow Jones Industrial Average (DJIA) gar nur hauchdünne 0,37 Punkte auf diese Marke; das Ende der Fahnenstange lag bei 19.999,63 Punkten. Und auch am Montag blieb der runde Wert außer Reichweite. Der Dow schloss unter 19.900 Punkte.

Reiner Zufall? Oder gibt es doch die oftmals zitierte, psychologisch wichtige Hürde? "Das hat keinen ökonomischen Hintergrund, sondern liegt in der Zahlennatur des Menschen begründet", erklärt Raiffeisen-Research-Chef Peter Brezinschek. "Warum sonst ist gerade der 50. Geburtstag etwas Besonderes?"

Er sieht eine Art selbsterfüllende Prophezeiung darin, dass solche Schwellen schwer zu knacken seien. Heutzutage kann nämlich nicht nur mit Einzelaktien, sondern auch auf den Dow-Kurs selbst spekuliert werden – etwa mit Indexprodukten oder Terminkontrakten. Und Anleger platzieren ihre automatischen Kauf- oder Verkaufsaufträge gerne vor solchen Schwellenwerten.

Traditionelles Aushängeschild

Die Magie der Zahl liegt also gar nicht an der Charttechnik der Analysten oder in den Fundamentaldaten begründet, sondern existiert im Kopf der Anleger, die sich daran gerne orientieren. "Der Dow ist eine Art Aushängeschild und für die Marktpsychologie sehr wichtig", bestätigt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria. Dabei sei der viel bessere Gradmesser für US-Aktien eigentlich der S&P500-Index, der 500 Titel umfasst (während der Dow nur 30 enthält).

Mühsame Meilensteine

Der Dow hat sich übrigens immer schon schwer getan, Meilenstein-Werte zu überspringen. Wie das Wall Street Journal analysiert, erreichte der Index die 100 Punkte erstmals im Jahr 1906. Es dauerte dann aber bis Mitte der 1920er, bis er sich dauerhaft darüber etabliert hatte. Die 1000 Punkte übersprang der DJIA untertags schon 1966, es dauerte aber sogar bis 1972 (!), bis er den ersten Handelstag über dieser Marke beendete.

Rosen-Philipp hält deshalb gar nicht für ausgemacht, dass die 20.000 Punkte in der aktuellen Rallye überhaupt geknackt werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass schon vorher eine deutliche Korrektur beginnt. Die meisten Analysten gehen davon aus, dass die 20.000 noch geschafft werden und die Korrektur erst später im Jahr erfolgt.

Kurioses und Wissenswertes

In der langen Historie des ältestens und traditionsreichsten Börsenindex finden sich einige Kuriosa und Auffälligkeiten. Wussten Sie zum Beispiel, dass ...

... die Dow Jones Indizes heuer schon 133 Jahre alt werden?

Am 3. Juli 1884 veröffentlichten die Wall-Street-Journal-Gründer Charles Dow und Edward Jones erstmals einen Durchschnittswert für die Aktien von neun Eisenbahnen, einer Dampfschiff-Gesellschaft und der Geldtransferfirma Western Union. Den bis heute bekannten Industrieindex (Dow Jones Industrial Average) gibt es seit Mai 1896.

... der Dow Jones Industrial nur noch eine Aktie aus der Anfangszeit enthält?

Inzwischen umfasst der Dow 30 Einzelwerte, von A wie American Express bis W wie Walt Disney und Wal-Mart. Von den zwölf Aktien des Jahres 1896 ist allerdings nur noch General Electric vertreten.

... der Dow-Jones-Index heftig umstritten ist?

Der Dow bevorzugt alt eingesessene Industriefirmen. Deshalb ist der wenig bekannte Versicherer Travelers mit 34 Mrd. Dollar Börsewert vertreten, die Google-Mutter Alphabet (550 Mrd. Dollar) hingegen nicht. Apple wurde erst im März 2015 aufgenommen. Weil die recht antiquierte Berechnungsart nicht nach dem Unternehmenswert gewichtet, haben teure Aktien im Index überdimensional viel Gewicht.

... der Dow den größten Absturz im Jahr 1987 hatte?

Der 19. Oktober 1987 ("Schwarzer Montag") war der erste von Computern mitverursachte Crash, der Index verlor fast 23 Prozent. Danach folgen drei Herbsttage aus 1929, der Auftakt zur Großen Depression. Auch der 15. Oktober 2008 liegt in den Horror-Top-Ten.

... der Dow seinen besten Tag 1933 hatte?

Das Plus von 15 Prozent am 15. März lag daran, dass die Börse zuvor wegen der Amtseinführung von Präsident Franklin D. Roosevelt tagelang geschlossen hatte.

... der Dow angeblich einem "Siebener-Fluch" unterliegt?

In Börsejahren, die auf die Ziffer 7 enden, falle das zweite Halbjahr sehr schlecht aus, behaupten Statistiker. Zufall? 1907, 1937 und 1987 gab es Crashes. Und die älteste bekannte Spekulationsblase, jene mit Tulpenzwiebeln, ist 1637 geplatzt. Wer daran glauben möchte, sollte 2017 also gerüstet sein...

... der Dow Jones Industrial 2016 ein typisches Jahr verzeichnete?

Börsenkurse: Was ist dran an der Magie der runden Zahl?
S&P Dow Jones Indices, Dow Jones Industrial Average Report Card, 2016 in Review
In 42 Jahren seines Bestehens verzeichnete der DJIA zu Jahresende einen Verlust. In 79 Jahren stand ein Gewinn zu Buche. Mit 13,42 Prozent Plus fügt sich 2016 in die Reihe der "typischen Jahre" ein (Quelle siehe hier). In 25 der 121 Jahre gab es nämlich am Ende einen Gewinn zwischen zehn und zwanzig Prozent (siehe Grafik).

... der beste Tag 2016 der 29. Jänner war?

Der Start ins Jahr 2016 war mit Turbulenzen an Chinas Aktienmärkten ein äußerst durchwachsener für die Börsen. Gegen Ende des Monats legten sich die Rezessionssorgen allerdings und der DJIA verzeichnete mit 396,65 Punkten Zuwachs oder einem Plus von 2,47 Prozent sogar den besten Tag des abgelaufenen Jahres.

... der schlechteste Tag 2016 der 24. Juni war?

Der Grund ist nicht schwer zu erraten: Der überraschende Ausgang des Brexit-Referendums in Großbritannien und die Unsicherheit über den bevorstehenden EU-Austritt war von den Börsianern nicht einkalkuliert. Folglich setzte es für den Dow ein Minus von 610,32 Punkten oder 3,39 Prozent.

... Trump in Sachen Börseboom nur von einem Präsidenten übertroffen wurde?

Zwischen dem Wahltag, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gekürt wurde, und dem Jahresende brachte der Dow Jones 7,8 Prozent Kursgewinn ein. Das wurde in den vergangenen 20 Wahlzyklen nur von Dwight Eisenhower, ebenfalls einem Republikaner, übertroffen: Im Jahr 1952, als er erstmals gewählt wurde, betrug das Plus 8,02 Prozent. Barack Obama liegt übrigens mit seiner ersten Wahl 2008 ganz am Ende der Rangliste mit 8,82 Prozent Minus. Wobei da die Finanzkrise eine klitzekleine Rolle gespielt haben dürfte...

... wann der Rekord für den raschesten 1000-Punkte-Sprung aufgestellt wurde?

Das war 1999. Der Dow benötigte damals nur 24 Handelstage, um von 10.000 auf 11.000 Punkte zu klettern. Dieser Rekord bleibt unangetastet, denn dazu hätte der Dow schon im Dezember 2016 die 20.000 überspringen müssen.

... es an der New Yorker Börse manchmal tierisch zugeht?

Und damit sind ausnahmsweise nicht die "Animal Spirits", also tief sitzende Beweggründe für die Verhaltensweisen der Händler, gemeint. Im Februar 2016 durfte die Muppets-Figur Miss Piggy den Börsehandel eröffnen, weil die börsenotierte (und im DJIA vertretene) Walt Disney eine neue TV-Serie startete. Im Jahr 2014 watschelte sogar ein Pinguin namens Pete über das glatte Börsenparkett. Damals war der 50. Geburtstag der Unterhaltungsparks Sea World Entertainment der Anlass.

Börsenkurse: Was ist dran an der Magie der runden Zahl?
A trader looks at "Pete the Penguin" of SeaWorld Entertainment as he walks on the floor of the New York Stock Exchange January 15, 2014. Sea World celebrated it's 50th anniversary by ringing the closing bell at the NYSE. REUTERS/Brendan McDermid (UNITED STATES - Tags: BUSINESS ANIMALS)

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