Angst und Gier: Zwei üble Berater

Eine Portion Krisenfolklore, eine Brise Verschwörungstheorie – fertig ist das Untergangsszenario: Graffito vor dem Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
"Totaler Crash!“, "Hundertfacher Gewinn!“ – wer hinter den schrillen eMails steckt.

2014 wird hart! Der totale Zusammenbruch kommt! Der Euro versinkt im Chaos! Alles, was Sie sich aufgebaut haben, ist in Gefahr.

Zitate aus einem Newsletter, wie er derzeit zigtausendfach per eMail verschickt wird. Seit der Krise hat Panikmache Hochkonjunktur. Aus Fakten und Mutmaßungen brauen Online-Börsenbriefe ein Gemisch, das vor allem Angst schürt. Und Sorge ums Geld. Brutale Steuererhöhungen. Eine Währungsreform, die über Nacht ganze Vermögen auslöscht. Es gibt nur noch einen Ausweg. Dieser Ausweg hat sogar einen Namen: Finanzexperte und Buchautor Günter Hannich, auch bekannt als der „Crash-Investor“. Das ist der Retter!

Die Erlösung kostet 19,20 Euro pro Woche. Dafür erhält der Kunde Tipps, wie er sein Geld in Sicherheit bringen kann. Übers Jahr summieren sich die Kosten auf 1000 Euro.

Potpourri an Experten

Dem Bewahrer vor der Finanz-Apokalypse scheint die Bezeichnung eher peinlich. Die „oftmals etwas reißerische Werbung“ stamme nicht von ihm, sagt Günter Hannich. Dafür sei der Verlag, GeVestor Financial Publishing, verantwortlich. Der habe „anscheinend die Erfahrung gemacht, dass so eine Werbung gut ankommt.“ Wie viele Abonnenten sein „Crash-Investor“ hat, dürfe er leider nicht verraten. GeVestor-Sprecher Marc Brede verteidigt die schrille Aufmachung: „Als wir Ende 2007 damit geworben haben, Griechenland werde pleitegehen und der Euro kollabieren, wurden wir angefeindet. Wenig später war das die Spiegel-Titelschlagzeile.“ GeVestor bietet nicht nur Endzeit-Visionen. Gleich 21 Experten dienen Tipps an – teils völlig widersprüchlicher Art. „Wir geben keine Meinung vor“, sagt Brede. Da ist etwa „der Aktien-Magier“ Rolf Morrien. Wer seiner Anlagestrategie folgt, dem winken sagenhafte Gewinne: Aus 2000 Euro werden in drei Jahren 250.303 Euro. Ein haarsträubendes Versprechen.

Das Schema ist stets gleich. Hat der Leser angebissen, wird er über kostenlose Newsletter mit streng limitierten Angeboten und Gratis-Beigaben gelockt. Wer sich fürs Probe-Abo anmeldet, soll gleich die Kreditkartennummer angeben. Denn am Ende wartet ein Abo. Dann gehen die vermeintlichen Insider-Infos ins Geld. Das „Einsteigerdepot“ kostet 4,95 Euro pro Woche. „Heißmanns Königsklasse“ schlägt mit 96,15 Euro zu Buche.

In Online-Foren klagen Kunden, Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass sie teure Abos ordern. Den großen deutschen Verbraucherzentralen liegen zu GeVestor keine Beschwerden vor, hieß es auf KURIER-Anfrage. Der Verlag verspricht unzufriedenen Kunden überdies rasche und kulante Lösungen. Im November 2012 wurde allerdings VNR, das Verlagshaus zu dem GeVestor gehört, abgemahnt. Auf einer Webseite (www.inside-linux.de) stand ein Computerprogramm zum Download; Kosten und Konditionen waren nicht klar erkennbar. VNR musste eine Unterlassungserklärung abgeben und die Seite ändern.

Treffen im Atombunker

Hannichs Tipps sind vernünftiger, als die Reklame vermuten ließe. Er empfiehlt den Anlegern, ihr Geld breit zu streuen – da hat man schon viel Abstruseres gehört. Davon, dass der Crash naht, ist er freilich felsenfest überzeugt.

Das jüngste Lesertreffen hielt Hannich im früheren Atombunker der Regierung in Bonn ab. Kein Gag: „Das war sehr ernst gemeint. Ich sehe den Ablauf ähnlich den 1930er-Jahren: erst die Wirtschaftskrise und dann unter Umständen ein Weltkrieg."

Zarte 18 Jahre war Norman Rentrop alt, als er 1975 seinen Verlag gründete. Das Startprodukt, die Zeitschrift Geschäftsidee, gibt es immer noch. 2000 zog sich Rentrop (unter anderem Gründer von Bibel-TV) in den Aufsichtsrat der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG (Bonn) zurück. Zum Verlag gehört GeVestor, 1987 als „Fachverlag für Privatfinanzen“ gestartet.

Ihr Kernprodukt, der „Geldanlage-Berater“, war ein Loseblattwerk – der Kunde sollte die Tipps regelmäßig in eine Sammelmappe einheften. Billiger Einstandspreis, teure Abos – diese Kritik gab es schon damals. Heute werden auch Handy-Apps angeboten. Finanzberatung ist nur ein Gebiet von vielen, in denen der Verlag wildert. Das Portal experto.de etwa bietet einen skurrilen Themenmix – von Basteltipps für Kinder bis zu Therapien gegen eine vergrößerte Prostata. Die vielfältigen Verlagsgeschäfte laufen erstaunlich gut. Der Konzern beschäftigt mehr als 440 Mitarbeiter und setzte 2011 laut Creditreform 111 Millionen Euro um.

KURIER: Wie lautet Ihre Prognose für 2014? Die Kreditvergabe im Euroraum geht stärker zurück als 2008 in der Finanzkrise. Das sind deutliche Zeichen, dass eine Deflation und Rezession kommen.
Derzeit zeichnet sich aber eine Erholung ab. Sogar die Euro-Krisenländer sind stabilisiert. Das ganze System basiert auf immer mehr Schulden. Wenn man das durchdenkt, steht am Ende ein großer Crash und Deflation. Da ist es egal, wie sich die Konjunktur kurzfristig entwickelt.

Was raten Sie dann Anlegern?
Keine Schulden machen – die werden in der Deflation immer mehr wert. Und nicht bei der Immobilienblase mitmachen. Alle kaufen aus Angst vor einer Inflation, die gar nicht kommt. Wer Geld hat, sollte es breit streuen – auf sichere Aktien und Anleihen, Fremdwährungen, Rohstoffe. Und einen Teil auf fallende Kurse setzen.

Was ist eine sichere Aktie, wenn Sie den Crash erwarten?
Nicht Aktien, die groß ansteigen, sondern substanzstarke Werte wie Nestlé. Lebensmittel werden immer gebraucht.

Sie haben 2010 prognostiziert, der Börsenindex DAX werde auf 1000 Punkte abstürzen. Jetzt steht er bei 9500. Wer auf Sie gehört hat, hat das verpasst.
Wer bei Blasen mitmacht, gewinnt selten etwas. Die wenigsten schaffen es, im richtigen Moment auszusteigen.

Verliert nicht am meisten der, der gar nicht investiert?
Das sehe ich nicht so. Wer auf ein Sparbuch gesetzt hat, hatte das auch nach 2000. Wer in Aktien gegangen ist, war unter Umständen dick im Minus. So schlecht ist es nicht, wenn man gar nichts macht.

Sie würden gerne den nächsten Kurssturz an den Börsen vorhersagen? Nichts leichter als das! Einfach bei jeder Gelegenheit vor dem Crash warnen. Irgendwann werden die Kurse absacken – dann schlägt Ihre große Stunde: Sie haben es immer gewusst, wie die Crash-Propheten. Bis zum Ruhm kann es aber ein bisschen dauern.

Geholfen ist damit natürlich niemandem: Wer in ständiger Sorge ums Geld auf seinen Euros sitzt, verpasst jeden Aufschwung. Interessant wäre die Gegenrechnung: Wie viele Tage lag der Prophet komplett daneben, damit er einen Tag lang recht behalten konnte?

„Man sollte sich bei der Angstmacherei und den Katastrophen-Szenarien immer die Frage stellen: Wem nützt es?“, rät der deutsche Verbraucherschützer Markus Feck. „Diese Leute geben Tipps nicht aus Menschenliebe oder um das Vermögen der Welt zu retten, sondern um Geld zu verdienen.“

Was die Apokalyptiker unbeantwortet lassen: Wenn man davon überzeugt ist, dass die gesamte Zivilisation demnächst kollabieren wird – was soll man dann noch mit Anlagetipps anfangen? Ob Aktie, Gold oder Immobilie: Essen kann man alle drei nicht.

Wem nützt es? Die Frage ist auch hilfreich, um die vielen „heißen Tipps“ zu bewerten. Wird mit „100 Prozent Sicherheit“ oder extrem hohen Gewinnen geworben, dann lieber Finger weg. Vertrauen Sie nicht den eMails von Unbekannten, sondern Ihrem Verstand und Bauchgefühl. Die sind meist die besseren Ratgeber.

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