Börsen-Party dauerte nur kurz

Händler an der New Yorker Börse konnten es kaum glauben: Ben Bernanke lässt die Geldschleusen offen.
Finanzexperten sehen in der anhaltenden Geldflut der US-Notenbank enorme Risiken.

Aktienhändler jubelten: Nach der überraschenden Entscheidung des Chefs der US-Notenbank, Ben Bernanke, die Märkte weiter mit Geld zu fluten, konnten sie am Donnerstag zum Teil fette Gewinne verbuchen. Die Börsenkurse von Japan über Indien bis Deutschland schossen nach oben. Der DAX in Frankfurt erklomm den nächsten Rekordwert.

Auch Währungen in den Schwellenländern, die in den vergangenen Wochen unter die Räder gekommen waren, erholten sich kräftig. Die indische Rupie legte gegenüber dem Euro um 2,8 Prozent zu, die türkische Lira um bis zu drei Prozent. Investoren hatten zuvor aus Angst vor weniger Nachschub an billigem Geld aus den USA viel Kapital aus diesen Schwellenländern abgezogen. Jetzt aber kann auch dort die Party weitergehen.

An der Wallstreet verflog die Partylaune aber rasch: Die wichtigste US-Börse schloß am Donnerstag mit einem leichten Minus. Und mittlerweile grübeln Analysten und Ökonomen immer öfter über Ursache und längerfristige Auswirkungen der anhaltenden US-Geldflut.

Machtwort

Seit Mai, als Ben Bernanke erstmals eine Reduktion der Käufe von US-Staatsanleihen und Hypothekar-Papieren durch die US-Notenbank noch in diesem Jahr andeutete, bewegten sich die internationalen Börsen auf holprigem Terrain. Denn: Weniger Anleihenkäufe heißt weniger Notenbank-Geld in den Märkten. Eine Kürzung dieser monatlichen Aufkäufe von 85 auf 75 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) wurde als unproblematisch für die Börsen eingestuft. Dass Bernanke die Notenpresse aber auf Hochtouren laufen lässt, hat viele Analysten und Ökonomen vor den Kopf gestoßen.

„Ich kann das nur so verstehen, dass die Notenbank dem Markt zeigt, wer der Herr im Hause ist“, lautet die Schlussfolgerung von Jörg Angele, Volkswirt bei der Raiffeisen Bank International (RBI). Die Märkte hätten auf die Andeutungen vom Frühjahr wahrscheinlich zu stark reagiert. Vor allem die Zinsen auf US-Staatsanleihen und Hypothekar-Papiere seien deutlich gestiegen. Wegen der hohen US-Verschuldung und der schwachen Erholung des Immobilienmarktes dürfte Bernanke der Zinsanstieg zu hoch gewesen sein. Dank der nun anhaltenden Geldflut sind diese Zinsen am Donnerstag wieder gefallen.

Orientierungslos

Ökonom Angele glaubt, dass die Entscheidung der US-Notenbank mittelfristig für die Börsen nicht gut ist. „Das hat sehr böse Nebenwirkungen und ist eine Kommunikations-Katastrophe“, betont er. Die Händler wüssten nicht mehr, was sie glauben könnten und würden auf Konjunkturdaten stark reagieren. Anleger sollten sich auf erhebliche Kursschwankungen einstellen.

„Das hat sehr böse Nebenwirkungen und ist eine Kommunikations-Katastrophe“

Mildred Hager-Germain, Analystin der Erste Group, sieht die Bernanke-Entscheidung nicht so negativ. „Das Abwarten hat Berechtigung“, sagt sie. Die Konjunktur sei noch in einer Phase, in der die Inflation sinke und der Job-Verlust durch die Krise nicht wieder aufgeholt sei. Die Märkte könnten also noch Notenbank-Geld als Stütze brauchen. Angele hingegen sieht im billigen Geld eine weitere Gefahr. „Anleger gehen in Risiko-Investments, damit sie den tiefen Zinsen am Sparbuch entkommen.“ Dieses Phänomen ist nicht unbekannt: 2001 hatte der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan die Zinsen nach unten getrieben und damit einen künstlichen Boom am US-Häusermarkt ausgelöst. Dieser führte direkt in die Finanzkrise 2008.

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