Börse Wien: Dämonen sollen vertrieben werden

Börse Wien: Dämonen sollen vertrieben werden
Schluss mit der Dämonisierung des Kapitalmarktes, fordert Birgit Kuras, die mit Michael Buhl die Wiener Börse leitet.

Mehr als 17 Prozent hat der ATX, der Index für die wichtigsten 20 heimischen Aktien, seit Jahreswechsel bereits zugelegt. Weiteren Gewinnen sollte nicht viel im Wege stehen. Birgit Kuras, die Anfang März in den Vorstand der Wiener Börse eingezogen ist, zählt auf, was für Aktien spricht: Die Turbulenzen rund um die Staatsschuldenkrise im Euroraum haben nachgelassen. Das Thema Rezession dürfte vom Tisch sein. Und Österreich werde heuer zu den Volkswirtschaften in Europa zählen, die am stärksten wachsen.

Börse Wien: Dämonen sollen vertrieben werden

Die Voraussetzungen wären also recht gut, das in- und ausländische Interesse an österreichischen Aktien ist allerdings mickrig. Im Vergleich zu früheren Jahren ist der Handelsumsatz an der Börse eingebrochen. Vor vier, fünf Jahren war der monatliche Umsatz vier Mal so hoch wie jetzt (siehe Grafik). In den vergangenen viereinhalb Jahren hat es – mit der Amag – nur einen einzigen Börsengang gegeben. Nur noch vier Prozent der Österreicher besitzen Aktien. Dieser Anteil war schon einmal doppelt so hoch.

Finanzkrise und Staatsschuldendebakel haben sicher zum Rückzug der Anleger beigetragen. Kuras ortet aber auch Defizite, die hausgemacht sind. Zu den größten Defiziten zählt sie den Umgang der Politik mit der Börse. "Da gab es eine zunehmende Dämonisierung, da wird der Kapitalmarkt als Tummelplatz für Zocker bezeichnet", ärgert sie sich. Die neue und erste Chefin der Börse seit deren Gründung im Jahr 1771 sieht bei der Politik Handlungsbedarf im Sinne eines Bekenntnisses zum Kapitalmarkt. "Wann war das letzte politische Statement, dass der Kapitalmarkt wichtig für die Unternehmen und die Wirtschaft ist?", fragt Kuras. "Das ist schon sehr, sehr lange her", lautet ihre Antwort.

Privatisierungen

Es könne auch nicht sein, dass "das Wort Privatisierung fast als Beleidigung empfunden wird". Unternehmen, die bisher über die Börse privatisiert wurden, hätten schließlich "Quantensprünge vollzogen". Dass dabei staatliches Tafelsilber billig verscherbelt wurde, lässt Kuras nicht gelten: "Der staatliche Restanteil hat oft sehr rasch den Wert des früheren Gesamtanteil überstiegen."

Für eine Belebung der Börse hat sich Kuras viel vorgenommen: Regelmäßigen Kontakt zu notierten Unternehmen und Börsekandidaten, mehr Wissensvermittlung für Lehrer und Schüler, die Erschließung neuer Investorenschichten und natürlich Überzeugungsarbeit bei Politikern. Kuras: "Ich hab’ auch nicht den Zauberstab. Ich weiß, es wird eine Knochenarbeit."

Michael Buhl, seit 2006 im Vorstand der Wiener Börse, hat eine lange Forderungsliste an die heimische Politik. Die neue Steuer auf Wertpapiergewinne sollte wieder abgeschafft werden. Die Mitarbeiterbeteiligung sollte weiter (mit höherem Freibetrag und kürzerer Behaltedauer) gestärkt werden. Eine Finanztransaktionssteuer sollte, wenn überhaupt, nur global eingeführt werden. Ein klares Nein kommt von Buhl, wenn es um die Einführung einer Börsenumsatzsteuer nur in ein paar Ländern geht. Buhl: "Dann sind wir genau dort, wo wir der Wiener Börse den Todesstoß versetzen."

Buhl ist auch für die Osteuropa-Holding der Börse zuständig, zu der Budapest, Laibach und Prag zählen. Die Börse Sofia, deren Privatisierung demnächst anläuft, könnte vielleicht dazustoßen. Wenn die Bedingungen klar sind, will Buhl jedenfalls mitbieten.

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