Blindflüge auf Berliner Flughäfen

Hartmut Mehdorn, der neue Chef des Skandal-Flughafens BER, zieht Konsequenzen aus dem Politik-Versagen.

Satelliten-Nacht-Fotos von Europa zeigen im Süden Berlins einen der stärksten Licht-Flecke am Kontinent: Den neuen Berliner FlughafenBER“. Denn seine Total-Beleuchtung ließ sich jahrelang nicht ausschalten. Es war der Spektakulärste der 40.000 Mängel, die derzeit langsam behoben werden.

Blindflüge auf Berliner Flughäfen
Hartmut Mehdorn addresses a news conference at the construction site of the future Berlin Brandenburg international airport Willy Brandt (BER) in Schoenefeld, March 8, 2013. Hartmut Mehdorn was named on Friday as new head of the Berlin Brandenburg International (BBI) airport. REUTERS/Fabrizio Bensch (GERMANY - Tags: TRANSPORT BUSINESS POLITICS)
Der nach langer Suche im März bestellte oberste Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn, 70, bringt Bewegung in den faktischen Stillstand. Dazu holt er offenbar auch den zuvor gefeuerten und verklagten Architekten des Baus zurück. Der bekannt sture Manager geht aber noch viel weiter: Weil der BER bei seiner Inbetriebnahme allerfrühestens 2015 schon an seiner Kapazitätsgrenze sein wird, will er Berlins derzeitigen Haupt-Airport Tegel nahe der Stadtmitte doch parallel weiterbetreiben.

Schock

Es ist der nächste Schock für die vom Flughafenbau völlig überforderte Berlin-Brandenburger Politik. Denn damit würde die seit 25 Jahren bindende Planung komplett geändert: Für die Baugenehmigung des BER war das Schließen der drei alten Flughäfen Bedingung gewesen. Während Schönefeld im BER aufgeht und Tempelhof seit fünf Jahren geschlossen ist, ohne dass die Stadt mit dem Gelände etwas anzufangen weiß, ist bisher die Schließung Tegels sechs Monate nach der BER- Inbetriebnahme rechtlich zwingend.

Tegel im dicht bewohnten Westen Berlins ist seit langem weit über seiner Kapazitätsgrenze. 1968 für vier Millionen Passagiere im Jahr gebaut, fertigt „TXL“ derzeit 18 Millionen und damit 90 Prozent aller Passagiere der Hauptstadtregion ab. Trotz vieler Unzulänglichkeiten durch die Dauerüberlastung gilt er den meisten Berlinern laut Umfragen aber als erhaltenswerter denn je: Die Unwirtlichkeit und Pannen-Explosion des BER wird gefürchtet. Und das, obwohl von Tegels Fluglärm täglich Hunderttausende Berliner betroffen sind. Die protestierten bisher aber nie.

Überraschte Politik

Hingegen hat sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) überraschend auf die Seite eines Bürgerbegehrens der nur 10.000 vom Fluglärm stark betroffenen BER-Anwohner geschlagen. Sein Koalitionspartner, die kommunistische „Linke“, hatte es geschürt und ihn damit erpresst. Als neuer Aufsichtsratschef des BER will Platzeck ihm nun ein Nachtflugverbot verordnen, das viel länger ist als das in Tegel. Das faktische Flugverbot von 22 bis 6 Uhr ist Weltrekord – und die Entwertung des BER als Luftdrehkreuz für Berlins ohnehin schon schwache Wirtschaft.

Auch das veranlasst Mehdorn, zuvor Politik-gestählter Deutsche-Bahn-Chef und danach Kurzzeit-Chef von Air Berlin, Tegels Weiterführung zu betreiben. Dass Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) so konsterniert ist wie der auch als Aufsichtsratschef gescheiterte Vorgänger Platzecks, der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), stört Mehdorn nicht. Von diesen drei BER-Betreibern in höchster Not geholt, nachdem Wiens Flughafensanierer Günther Ofner abgewunken hatte, weiß er um seine Macht: Noch einen Chefwechsel kann sich die Politik nicht erlauben. Sie hat sich mit dem BER ohnehin schon international blamiert.

Mehdorn lässt daher in Tegel wieder investieren: Mit 20 Millionen Euro werden vorerst die größten Engpässe bei der Abfertigung gemildert. Die meisten Berliner finden das laut Medienecho auch gut so: Veränderungen des Gewohnten sind ihnen prinzipiell suspekt.

„Die Auswirkungen auf die Reputation der deutschen Luftfahrtbranche und der deutschen Industrie als Ganzes sind nicht gut“, sagt Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne, „daher sind wir sehr enttäuscht“. Deutschlands größte Airline hat sich nach den vielen Pannen des neuen Hauptstadtflughafens schon 2012 davon verabschiedet, ihn nach Frankfurt und München zu ihrem dritten Drehkreuz zu machen. Im Juni noch hatte die Lufthansa, auf die baldige BER-Eröffnung hoffend, ihr Strecken-Angebot aus Berlin von 10 auf 39 vervierfacht. Davon nahm sie per 1.April wieder die Hälfte zurück.

Die zweitgrößte deutsche Gesellschaft Air Berlin braucht den BER aber als Heimatbasis – obwohl Hartmut Mehdorn schon mal mit Verlagerung gedroht hatte, als er noch ihr Kurzzeit-Chef war. Für Air Berlin ist damit das Politik-Versagen die größere logistische und finanzielle Herausforderung, die sie vorläufig im viel zu kleinen Tegel bewältigen muss. Vor 2016 ist deren Ende nicht in Sicht.

Kommentare