Bilanz Rauchergesetze: Was bringt die Schlamm-Packung?

Bilanz Rauchergesetze: Was bringt die Schlamm-Packung?
Seit fünf Jahren sind in Australien hässliche braun-grüne Zigarettenpackerl Pflicht. Was hat’s gebracht?

Nicht nur Österreich diskutiert über Rauchergesetze: Eine der umstrittensten Vorschriften lässt auch nach fünf Jahren noch die Wogen hochgehen. Am 1. Dezember 2012 hatte Australien als erstes Land der Tabakindustrie verboten, auf Zigarettenpackungen mit ihrer Marke, Farbe und Logo zu werben. Die Produzenten liefen dagegen Sturm und klagten gegen die "Enteignung" ihrer Markenrechte – vergeblich.

Im Jargon der Regulierer heißt die Vorschrift "Plain Packaging": Alle Packerl müssen im erwiesenermaßen abstoßendsten Farbton (einem schlammigen Braun-Grün) gestaltet sein. Nur der Aufdruck der Sorte ist erlaubt, sogar Schriftart und -größe sind vorgegeben. Das soll die Ekelbilder und Warnhinweise stärker zur Geltung bringen.

Nur, was hat es gebracht? Daran scheiden sich mehr denn je die Geister. "Die Konsumgewohnheiten der Raucher hat das nicht verändert, sondern nur den Schmuggel befeuert", sagte Andreea Paul von der Universität Bukarest bei einer Regulierungskonferenz in Berlin. Wenn Firmen legale Produkte verkaufen, müssten sie diese auch vermarkten dürfen – sonst sei der Wettbewerb abgeschafft.

Bilanz Rauchergesetze: Was bringt die Schlamm-Packung?
FT-Regulierungskonferenz in Berlin, Alexander Kryvosheyev, Japan Tobacco International

"Die gesetzliche Überregulierung ist zum größten Risiko geworden", warnte Alexander Kryvosheyev, Vizechef für Public Affairs bei Japan Tobacco International (JTI). Die Industrie kampagnisiert unverändert gegen die Vorschrift. Sie spannt dafür auch die Trafikanten vor ihren Karren: Diese seien mit der Handhabe der uniformen Produkte überfordert.

"Entmündigung"

Für die Branche steht viel auf dem Spiel. Irland, Großbritannien, Frankreich und Norwegen sind dem australischen Vorbild 2016 gefolgt, in Ungarn gibt es eine Übergangsregelung bis 2019.

"Fehlgeleitet, überschießend und ineffizient" sei die Vorschrift, kritisiert Tabakriese JTI, der Marken wie Camel in 120 Ländern (oder in Österreich Memphis und Meine Sorte) vertreibt und zur Konferenz in Berlin eingeladen hatte, die Regelung. Und sieht dabei die Statistik auf seiner Seite: Der Rückgang der Raucherzahlen sei in Australien zwischen 2013 und 2016 sogar zum Stillstand gekommen.

Das Gesundheitsministerium in Canberra deutet das anders. Die hässlichen Packungen wirkten langfristig: Wer schon raucht, werde seiner Marke nicht abschwören – aber für Jugendliche sei der Einstieg weniger attraktiv. Die Raucherrate sei dadurch in drei Jahren um 0,55 Prozent zurückgegangen – in absoluten Zahlen seien 108.228 Raucher von den hässlichen Packungen abgehalten worden.

Dieser Effekt sei statistisch nicht signifikant und gleich null, kontert die Tabaklobby. Tatsächlich ist schwer zu ermitteln, was von den Packungen, den Rauchverboten oder den prohibitiv hohen Preisen kommt. Wegen der exorbitanten Steuern kostet eine 25-Stück-Packung Zigaretten in Australien inzwischen 20 Euro.

Die Tabakbranche pocht auf Fakten. Ralf Wolfgang Lothert, Kommunikationschef von JTI Austria, sieht in der Überregulierung eine "Entmündigung der Bürger". Auch andere Branchen sind alarmiert: "Müssen als nächstes auch salzige oder fette Lebensmittel neutral verpackt sein?", fragte sich Alexey Popovichev vom russischen Markenverband RusBrand.

Ungesunder Aufstieg

Langfristige Daten sprechen freilich für Australien. Laut OECD rauchen 12,4 Prozent der Bevölkerung täglich – 2000 waren es doppelt so viele. Unter den 15-Jährigen sind nur 5,5 Prozent Raucher.

Zum Vergleich: In Österreich rauchen doppelt so viele Erwachsene (24,3 Prozent) und fast drei Mal so viele Jugendliche (14,5 Prozent). Während im Rest der Welt der Anteil der Raucher sinkt, ist er in Österreich seit 2000 unverändert geblieben. Damals ergab das Platz 25 unter 43 Ländern, heute liegt unsere Raucherrate auf Platz sechs – ein ungesunder Aufstieg.

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