Bawag-Urteil: Flöttl ist nach Abbusseln zumute

Bawag-Urteil: Flöttl ist nach Abbusseln zumute
Sieben Freisprüche und eine Mini-Verurteilung. Elsner schreit nach Wiederaufnahme.

Diesmal gab es von Präsidenten-Enkelin Anne Eisenhower kein „unmoralisches Angebot“ für das Gericht. Das war auch nicht nötig.

Am 116. Prozesstag im Juli 2008 hatte die Ehefrau von Wolfgang Flöttl fünf Millionen Dollar für die Verfahrenskosten und den Schadensausgleich in Aussicht gestellt, falls ihrem Mann eine Gefängnisstrafe erspart bliebe. Der Spekulant, der 1,5 Milliarden Euro der Bawag verzockt hatte, fasste damals zehn Monate Haft plus 20 Monate bedingt aus. Das Urteil hielt nicht, es folgten 28 weitere Prozesstage in einer Neuauflage – mit dem Ergebnis: Wolfgang Flöttl ist rein gar nichts vorzuwerfen.

Zitat von Richter Christian Böhm: „Es gibt keine Rechtspflicht eines international tätigen Investmentbankers, die bankinternen Befugnisse seiner Geschäftspartner zu prüfen.“

Zu teuer

Nach dem Freispruch dachte Flöttl als erstes an seinen Verteidiger Herbert Eichenseder, „ob ich ihm ein Bussl geben muss“. Auch Co-Verteidiger Christian Hausmaninger hätte wahrscheinlich eines verdient. Aber das gab Flöttl dann lieber seiner Ehefrau, die gemeinsam mit ihm aus New York angereist und „in all den Jahren zu mir gestanden ist“. Mit ihr werde er am Abend essen gehen. Nicht zu dem „türkischen Italiener“ auf der Favoritenstraße, bei dem er oft einkehrt, auch nicht im Stadtpark, „das ist zu teuer“, aber in ein gutes Restaurant.

Flöttls zweiter Gedanke nach dem Freispruch galt dem Autor dieses Berichtes, der vor Jahren über drei Kamine in einem von Flöttls Häusern geschrieben hatte: „Ich habe nur einen Kamin, ich lade Sie ein, dann können Sie sich überzeugen.“

Bawag-Urteil: Flöttl ist nach Abbusseln zumute
APA10695080-2 - 18122012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - (v.l.) Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger, der ehemalige Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Ex-BAWAG-Vorstand Peter Nakowitz, Richter Christian Böhm sowie die Ex-BAWAG-Vorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker am Dienstag, 18. Dezember 2012, anl. des 2. BAWAG-Prozesses im Straflandesgericht in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Mit seinem Freispruch blieb der Spekulant am Dienstag im Wiener Landesgericht nicht lang allein, es folgten sechs weitere: Vom Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Günter Weninger (Verteidigung Richard Soyer) über Elsners ehemalige Vorstandskollegen Josef Schwarzecker, Hubert Kreuch, Christian Büttner (Verteidigung Ernst Schillhammer, Elisabeth Rech, Erich Müller) und Elsners einstige „rechte Hand“ Peter Nakowitz (Carl Eschlböck) bis zum Wirtschaftsprüfer Robert Reiter (Thomas Kralik) war bei keinem ein Schädigungsvorsatz zur Untreue nachzuweisen.

Im ersten – von der späteren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner geleiteten – Bawag-Prozess hatte es noch empfindliche Haftstrafen bis zu dreieinhalb und vier Jahren gehagelt. Jetzt gelangte der Schöffensenat zur Ansicht, dass der bereits rechtskräftig zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilte, haftuntaugliche Elsner und sein zu fünf Jahren verurteilter, ebenfalls nicht vollzugstauglicher Nachfolger Johann Zwettler alle anderen getäuscht haben. Richter Böhm: „Es gibt keinen Hinweis, dass Elsner und Zwettler die anderen ins Vertrauen gezogen hätten.“

Einzig für Günter Weninger gab es einen klitzekleinen Schuldspruch nach dem Aktiengesetz und dafür eine Minimalstrafe von einem Monat bedingt. Und Peter Nakowitz ist bereits am Beginn der Prozesswiederholung wegen einer unsauberen Kreditvergabe zu 15 Monaten Haft verurteilt worden, worüber noch das Oberlandesgericht entscheiden muss.

Richter Böhm machte in seiner Urteilsverkündung den abwesenden Helmut Elsner zur zentralen Figur. Er habe nichts mehr zu verlieren gehabt und daher versucht, dazwischen zu funken. Hätte er sich diesem Prozess (die Bawag wollte ihn mit einer Privatanklage ebenfalls noch einmal auf die Anklagebank bringen) gestellt und seine bisherige Verantwortung abgeändert, wären allenfalls neue Beweisergebnisse zu Tage getreten.
Schockiert

Bawag-Urteil: Flöttl ist nach Abbusseln zumute
"Für mich macht sich die Justiz immer lächerlicher." Richterliche Scherzkekse ortet Helmut Elsner am Gericht anlässlich des Freispruchs von Wolfgang Flöttl.
Und Elsner selbst? Der 77-Jährige sei „schockiert“, sagte sein Anwalt Andreas Stranzinger. Dieses Urteil „schreit nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens.“ Elsners Ehefrau Ruth nannte den Freispruch für Flöttl einen „Skandal“. Der Einzige, der seit drei Jahren an der Aufklärung arbeite, sei ihr Mann, sagte sie telefonisch zurAPA. Und dafür werde er „in unfassbarer Weise getreten“.

Helmut Elsner befindet sich seit längerer Zeit in Bad Reichenhall in Bayern zur Kur. Er bleibe kämpferisch, so weit es sein schlechter Gesundheitszustand erlaube, kündigte Ruth Elsner an.

Die Staatsanwaltschaft denkt noch darüber nach, ob sie die Freisprüche bekämpfen wird, was aber als unwahrscheinlich gilt. Der ÖGB und die Bawag wurden mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen, sie können jetzt nur versuchen, sich an Elsner und Zwettler schadlos zu halten.

Am Schluss musste sich der abwesende Helmut Elsner vom Richter noch als Störenfried bezeichnen lassen, der im Prozess anderen eines auswischen hatte wollen. Aber dieser Plan ist nicht aufgegangen. Der Ex-Bawag-Chef konnte mit seinen Kur-Aufenthalten jenseits der Grenze die Justiz zwar an der Nase herumführen. Aber er wurde nun endgültig als Hauptschuldiger des Milliardenverlustes samt Beinahe-Demontage des ÖGB abgestempelt.

Die Freispruch-Serie kennt aber noch weitere Verlierer. Flöttls Ehefrau sprach zwar von einer „sehr harten Zeit“, aber das fast sieben Jahre dauernde Gerichtsverfahren konnte dem gesicherten Wohlergehen der Familie mit Wohnsitz Park Avenue in New York nichts anhaben. Im Gegensatz zu den anderen Angeklagten, die ihre Jobs, ihr Ansehen und viel Geld an ihre Anwälte verloren haben, von dem der Staat nur einen Bruchteil ersetzt.

Die Anklagebehörde hat mit ungeheurem Aufwand versucht, mehrere Schuldige festzunageln, und ist damit grandios gescheitert. Und schließlich bekommt die erste Bawag-Richterin und spätere Justizministerin Bandion-Ortner nun aufs Brot geschmiert, wie wenig Substanz von ihren nach 117 Prozesstagen gefällten Urteilen am Ende übrig geblieben ist.

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