Bauern - Exoten in der Stadt

Bauern - Exoten in der Stadt
Sie verpassen der Stadt ein Bio-Gütesiegel: In Wien gibt es 700 Bauern, die Äcker bestellen oder Wein anbauen.

Ambros Steindl hat den schönsten Job der Welt. Findet Ambros Steindl. "Ich bin mein eigener Chef. Wenn mir alles zu viel wird, gehe ich auf den Acker, drehe das Handy ab und schaue in den Himmel."

Der 39-Jährige ist Bio-Bauer in Stammersdorf, wo er auf 43 Hektar Fläche Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen, Mais, Erdäpfel und Rüben anbaut. Auf seinem Hof am Rande Wiens tummeln sich 80 Hühner, 50 Schweine, sieben Schafe, zwei Pferde und eine Hand voll Enten, Gänse und Truthähne.

Es ist das Leben, das sich Steindl immer gewünscht hatte. Stadtszene? Hat ihn nie interessiert. "Ich bin schon als Bub auf dem Mähdrescher gesessen." Von klein an war klar, dass er einmal die Landwirtschaft übernehmen werde. Die Eltern helfen heute noch auf dem Hof mit. 2002 stellte Steindl auf bio um; seine Produkte vertreibt er großteils über das Lagerhaus bzw. verkauft Eier, Speck und Obst auch Ab-Hof. "Die Akzeptanz für bio ist in den vergangenen Jahren größer geworden."

"Wien ist eine der wenigen Millionenstädte mit wirtschaftlich bedeutender Landwirtschaft. Es werden auch Raritäten, wie etwa alte Erdäpfelsorten angebaut", sagt Umweltstadträtin Ulli Sima ( SPÖ).

Supengrün und Tricolore 70 Prozent des in Österreich konsumierten Suppengrüns stammen aus Wien. Auch die Paprika-Tricolore wurde hier erfunden. Knapp 700 Bauern bewirtschaften 5900 Hektar Grund für Acker-, Obst- oder Weinbau. Gab es 2008 noch 23 Biobetriebe, so waren es 2010 bereits 34 – Tendenz steigend.

Die Nähe zur Stadt ist für Bio-Bauer Steindl Vorteil und Problem. "Ich kann am Samstag nicht mit dem Traktor heimfahren, weil alles von Heurigengästen zugeparkt ist." Und auf seinem Acker liegen Plastiksackerln des nahen Supermarktes.

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Soja statt Schraubenschlüssel

Als Landwirt kann ich mit meinen Spiel­sachen von früher weiterspielen", sagt Josef Berger und deutet auf den grünen Traktor neben sich. "Nur jetzt halt mit den großen." Seit den Morgenstunden zieht er mit dem Traktor eine Sämaschine über sein Feld am südlichen Stadtrand. 300 Kilogramm Sojabohnen muss der Landwirt bis zum vorhergesagten Regen am Abend unter die Erde bringen.

Der Großteil der landwirtschaftlichen Nutz­flächen in Wien wird von Ackerbauern wie Berger genutzt. Der gelernte Lkw-Mechaniker baut auf seinen 100 Hektar Land Getreide, Futterklee, Kartoffeln, Linsen u nd Sojabohnen an.

Seinen früheren Job vermisst er nicht: "Ich erzeuge Mittel zum Leben, bin unabhängig und immer draußen – das ist viel spannender."

2003 stellte Berger auf biologische Produktion um und schloss sich mit vier anderen Landwirten zur "Unterlaaer Biogemeinschaft" zusammen. "Ich möchte mit der Natur arbeiten", erklärt er. "Der Boden ist ein Lebewesen und muss behutsam behandelt werden."

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Ein Schwarzer, der Rotwein macht

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sei zufrieden, beteuert Norbert Walter. "Ein Schwarzer, der in Wien roten Wein macht, das gibt’s nicht allzu häufig", sagt der Tiroler.

Walter ist nicht nur ÖVP-Landtagsabgeordneter und frisch gewählter Chef des Wiener Bauernbundes, sondern seit einigen Jahren auch Winzer. Wer den Weg durch verschlungene Kellergassen in Strebersdorf gefunden hat, dringt in sein Reich vor. Seit 2007 besitzt, pachtet und bewirtschaftet Walter ein vier Hektar großes Weingut, produziert rund 10.000 Flaschen pro Jahr.

Insgesamt sind es knapp 700 Hektar, die in Wien für den Weinbau genutzt werden. "Das Image der Wiener Weine ist gut", sagt Walter, "und es wird immer besser."

Auch Walter konnte mit seinen Weinen schon Preise gewinnen. "Aber am wichtigsten ist", sagt er, "einen Ausgleich zum Rathausbetrieb zu haben." Außerdem lerne man als Weinbauer rasch, was Realwirtschaft bedeute. "Man kann nur so viel ausgeben wie man im Börsel hat."

Eine Lektion, die noch nicht alle Politiker behirnt hätten.

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Die letzte Bäuerin aus Liesing

Wie alt sie ist? Verrät sie nicht. "Mittel­alter", sagt Edeltraud Kamprath nur. "Graue Vorzeit." Doch so viel ist klar: Die gebürtige Niederösterreicherin ist schon in der Jetztzeit legendär. Auch wenn Kamprath selbst bereits in Pen­sion ist, ihr Hof im Gütenbachtal ist der letzte noch bewirtschaftete Bauernhof Liesings. "Ich lebe für meine Tiere", sagt Kamprath, während um sie herum Ziegen und Hendln über den Hof laufen.

Die über 80-Jährige gilt als Original. Lange produzierte sie Ziegenkäse, Honig und Bio-Fleisch. "Ich war schon bei der Karlich in der Sendung, und bei Am Schauplatz haben’s einen Film gemacht", sagt Kamprath, um sogleich das Buch, das sie vor Jahren über sich selbst geschrieben hat, anzupreisen. "Doch seit ein wild gewordener Stier auf mich draufgefallen ist, hab’ ich Leute um mich, die mir helfen." Unter anderem sind es zwei Inder, die den Stall ausmisten und die Tiere füttern. Kamprath: "Ich arbeite nur noch mit Indern: Die saufen ned, die rauchen ned und wissen Sie, wie gut die kochen können?"

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