Backgewerbe ist ein hartes Brot, Mitarbeiter sind schwer zu finden

Wolfgang Maurer mit seinen Söhnen Andreas und Thomas
Ältere sind leistungsfähiger. Junge leben lieber von der Mindestsicherung, bevor sie Bäcker werden: Nicht nur darin ist sich die Familie Maurer einig. Ihr gehört die Wiener Traditionsbäckerei Schwarz.

KURIER: Was verdienen Bäcker?

Wolfgang Maurer: Zwischen 1800 und 3000 Euro netto im Monat. Ein Backstubenleiter kann je nach Backstubengröße bis auf 4000 Euro kommen. Gearbeitet wird im Schichtdienst: Der Erste, der Teigmacher, kommt bei uns um 20 Uhr, die letzte Gruppe um vier Uhr Früh. Das hielt auch früher schon junge Leute davon ab, diesen Job zu ergreifen. Aber wenn’s vielleicht mit dem Traumjob nicht klappte, wurden sie dann halt doch Bäcker.

Jetzt nicht mehr?

Wolfgang M.: Nein. Jetzt sagen die Eltern zu ihren Kindern: "Wennst nicht deinen Traumberuf Automechaniker lernen kannst, dann bleibst halt daheim und lebst von der Mindestsicherung." Vor zwei bis drei Jahren hatten wir noch alljährlich 200 bis 300 Bewerbungen für zehn Ausbildungsstellen, mittlerweile nur noch zwei bis drei. Wir bilden ja nicht nur zum Bäcker, sondern auch zum Konditor und zum Bürokaufmann aus.

Was ist mit Bewerbern aus überbetrieblichen Lehrstätten?

Gertraud Maurer: Die sind für die Wirtschaft selten geeignet. Man muss ihnen alles neu beibringen, mit Stress können sie gar nicht umgehen – so sie überhaupt willens sind zu arbeiten. Wir probieren es immer wieder, aber viele halten nicht einmal den Vorstellungstermin ein.

Gleichzeitig ist doch die Arbeitslosigkeit hoch?

Wolfgang M.: Ja, die Politik müsste aufpassen, dass sich das arbeitslose Einkommen deutlich vom Gehalt unterscheidet. Wer aber einmal bei uns arbeitet, bleibt lange: 20, 30, 40 Jahre – bis zur Pension. Ich beobachte allerdings, dass Ältere viel leistungsfähiger sind als die Jungen. Die wollen manchmal nach nur einem Monat die Arbeitszeit freiwillig auf 35 Stunden reduzieren, danach noch mehr – trotz des Gehaltsverlusts. Und dann wirft man den Unternehmen vor, nur mehr Teilzeitjobs zu schaffen!

Alle Unternehmer beklagen die Bürokratie. Wie geht es Ihnen?

Wolfgang M.: Ich bin nicht so schön wie die Waxing-Studio-Besitzerin und stand auch nie unter dem Schutz eines Wirtschaftsministers, könnte aber auch einige Geschichten erzählen. Man muss es mit Gelassenheit angehen. Eigentlich bin ich der Beamtenbeauftragte in der Firma (lacht).

Gertraud M.:Es ist besser, die Beamten vorher einzubeziehen, wenn man etwas Neues plant. Das hat bei unserer neuen Betriebsanlage gut funktioniert.

Wächst Ihre Firma, weil Sie auch Kaffee ausschenken?

Wolfgang M.: Nein, daran liegt es nicht. Wenn man Gastronomie nicht gelernt hat, kann man viel Geld verlieren. Das Geld verdienen wir mit Brot und Gebäck – nicht mit dem Kaffee. Das ist mehr ein Kundendienst für unsere mehlspeisverliebten Stammkunden.

Warum haben Sie keine Backshops in Ihren Filialen?

Wolfgang M.: Bei uns bäckt der Profi, nicht die angelernte Verkäuferin. Die ist für bestmögliche Kundenberatung und Betreuung da. Backshops sind eine Modeerscheinung, die wir nicht mitgemacht haben.

Thomas Maurer: Der Teig wird von unseren Bäckerprofis erst gebacken, wenn er wirklich reif ist: Das ist je nach äußerer Temperatur und Luftfeuchtigkeit unterschiedlich. Unser Teig verzeiht keine Nachlässigkeit. Hier wird am Punkt gebacken.

Wie funktioniert denn eine Zusammenarbeit mit zwei Generationen?

Gertraud M.: Nur mit geduldigen Kindern.

Andreas Maurer: Wir treffen alle Entscheidungen gemeinsam.

Backgewerbe ist ein hartes Brot, Mitarbeiter sind schwer zu finden
Reportage in der Bäckerei Schwarz in 1123 Wien, 10.07.2017

Eine Nische zwischen „Bobo-Bäckern“ und Backshops

In der modernen Betriebsstätte im 23. Bezirk duftet es nach Sauerteig und frischem Brot. Am Vormittag ist der Großteil der Arbeit schon getan, jetzt bäckt man für die Mittagslieferung.
Bäckersterben? Nein, mit diesem Begriff kann und will Wolfgang Maurer nichts anfangen. Seit knapp fünfzig Jahren führt er mit seiner Frau Gertraud und später auch den beiden Söhnen die 1903 gegründete Wiener Bäckerei Schwarz. Selbst die drei Enkel schnuppern schon gerne Mehl-geschwängerte Luft. Es gebe einen Strukturwandel, aber kein Bäckersterben, sagt Sohn Andreas, der für die Produktentwicklung zuständig ist. Die Zahl der Beschäftigten im Bäckergewerbe sei seit 50 Jahren gleich, ergänzt sein Vater.
Weil Gertrauds Vater früh starb, übernahm das damals blutjunge Paar (sie 18, er 21 und eigentlich gelernter Techniker) den Betrieb. Die Zahl der Mitarbeiter ist seither von 20 auf 160 gestiegen, 17 Filialen gibt es, das Netz (derzeit vor allem im Westen der Bundeshauptstadt) soll weiter ausgebaut werden. Woran das derzeit scheitere? Vor allem daran, keine Verkäuferinnen zu finden, sagt Maurer (siehe Interview links).
Eine PreisfrageDie Konkurrenz ist stark: Sie besteht nicht nur aus anderen Back-Ketten, neuerdings mischt auch der Handel mit eigenen Back-Shops mit. Ein Semmerl bei der Bäckerei Schwarz ist lange nicht so billig wie beim Hofer – aber auch bei Weitem nicht so teuer wie bei Joseph Brot, dem „Bobo-Bäcker“ (O-Ton Maurer). Dieser verstehe es eben hervorragend zu kommunizieren. Doch den viel gepriesenen Weizensauerteig verwendet auch die Bäckerei Schwarz für Weißbrot und Weißgebäck schon seit über 30 Jahren.
Aufbacköfen gibt es in den Filialen der Bäckerei Schwarz nicht. Der Sauerteig bekommt in der Backstube die Zeit, die er braucht, erzählt Wolfgang Maurer. Und seine Kunden – selbst solche, die Weißbrot sonst aus gesundheitlichen Gründen meiden –, behaupten, das Gebäck durch den Weizensauerteig besser zu vertragen.

Semmel verkaufen ist ein hartes Brot. Mittlerweile werden schon mehr Semmeln beim Diskonter und im Supermarkt gekauft als beim Bäcker uns Eck. Händler locken mit frischem Gebäck mehr Kunden in ihre Filialen, die dann auch gleich ein paar andere Einkäufe im Geschäft erledigen, was die Umsatzzahlen nach oben zieht.
In der Branche tobt ein Preiskampf, der ausgerechnet von Branchenfremden angetrieben wird: Die Diskonter fahren das Angebot in den Backshops hoch, im Hintergrund befeuert das freilich auch die Auftragslage in traditionellen Backstuben. So werden die österreichweit 460 Backshops des Diskonters Hofer unter anderem von Fischer Brot (OÖ), der Wildschönauer Backstube (Tirol), der Kärntner Knusperstube oder dem Familienbetrieb Kuchen-Peter (NÖ) befüllt. „86 Prozent der Artikel kommen aus Österreich“, betont Hofer in einer Aussendung. Eine Ausnahme ist etwa das französische Buttercroissant.
Bei der Belieferung der Backshops können aber „nur eine Handvoll Spezialisten mitspielen“, weiß Josef Schrott, Branchenobmann und selbst Bäcker in Wien. „Man braucht entsprechende Anlagen und einen entsprechenden Ausstoß.“
Teure AnlagenDer größte Kostenblock in einer Backstube sind die Anlagen und das Personal, das naturgemäß vor allem in der Nacht arbeitet. Der Materialeinsatz ist bei einer Semmel relativ gering – er liegt bei etwa vier Cent.
Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks backen in Deutschland immer weniger Betriebe immer größere Mengen. Sprich: Die Konzentration steigt. Eine Entwicklung, die Schrott so in Österreich nicht sehen will. In den vergangenen Jahren haben sich aus seiner Sicht einige Betriebe aus der Belieferung des Handels zurückgezogen und wieder auf eigene Filialen gesetzt, etwa der Tiroler Bäcker Ruetz. Zudem haben sich einige Bäcker selbstständig und – mit regionalen Spezialitäten – einen Namen gemacht. Unterm Strich ist die Zahl der Betriebe 2016 aber auf 1480 gesunken – nach 1920 im Jahr 2005. Viele Unternehmer fanden schlicht keinen Nachfolger oder wollten anstehende Investitionen nicht mehr stemmen.
Preiskämpfe sind übrigens ein relativ neues Phänomen. Bis Mitte der 1980er-Jahre gab es fixe Höchstpreise für Brot und Semmeln – ein Relikt aus der Mangelversorgung nach dem Krieg.
simone hoepke

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