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Autonomes Fahren in Städten ab 2021

Chistoph von Tschirschnitz
BMW-Südosteuropa-Chef Christoph von Tschirschnitz will in Österreich heuer ein Rekordjahr einfahren.

Jeder neunte Euro an österreichischer Wirtschaftsleistung hängt an der Autoindustrie, sagt Christoph von Tschirschnitz. Der in Salzburg stationierte Deutsche ist Chef des BMW-Südosteuropageschäfts (plus Österreich). Er blickt optimistisch in die Zukunft, wünscht sich für seine Wahlheimat aber flexiblere Arbeitsregelungen und eine andere Besteuerung. Automatisches Fahren erwartet er ab 2021 auch in den Städten.

KURIER: Werden wir bald nur noch mit Elektroautos fahren?

Christoph von Tschirschnitz: Das Angebot an beeindruckend guten Elektroautos wird immer größer. Die Nachfrage nach dem BMW i3 (siehe Bild unten) steigt auf Rekordwerte in Österreich. Es wird aber neben den elektrisch und hybrid angetriebenen Autos noch lange Zeit Automobile mit hocheffizienten Verbrennungsmotoren geben.

Der Umbau in der deutschen Automobilindustrie hin zu mehr Elektromobilität könnte jeden achten Job in der Autoherstellung und bei den Zulieferern kosten, sagt der Duisberger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Glauben Sie das auch?Wir erwarten das Gegenteil. Es wird mehr hochwertige Arbeitsplätze, etwa für Ingenieure und Software-Spezialisten, geben.

Wird BMW in die Lithium-Ionen-Batterie-Produktion für E-Mobilität einsteigen?

Module für Hochvoltspeicher und die Hochvoltspeicher selbst fertigt die BMW Group bereits selbst. In der Fertigung der Batteriezellen sehen wir keine Schlüssel-Technologie, die wir selbst machen müssen.

Österreich ist stark in der Autozulieferindustrie – wie zufrieden ist BMW mit dem Standort?

Österreich hat sehr innovative Automobilzulieferer. Zum Beispiel für Stahl, Karbon oder den Elektroantrieb. Die Autowirtschaft ist hierzulande die Schlüsselindustrie. Sie erwirtschaftet jährlich rund 43 Milliarden Euro. Das ist jeder neunte Euro der Wirtschaftsleistung in Österreich! Mehr als jeder zehnte Beschäftigte ist direkt oder indirekt in diesem Bereich tätig. Was viele auch nicht wissen: Österreich gehört zu den teuersten Auto-Ländern in Europa – schon bevor man auch nur einen Kilometer gefahren ist. Wichtig wäre daher weniger Besitz- und gegebenenfalls mehr Benutzungsbesteuerung.

Worin ist Österreich gut, wo schlecht?

Vorteile: Die Zulieferer sind auf Weltmarktniveau, die Mitarbeiter qualifiziert. Nachteile: aufwendige und lange Genehmigungsverfahren und bei der Arbeitszeit haben fast alle EU-Nachbarländer deutlich weniger starre Regeln. Unsere Mitarbeiter kommen aus 17 Nationen. Viele sind jung und wollen Gas geben. Diese nach acht Stunden Arbeitszeit nach Hause zu schicken, empfinden viele als befremdlich. Lieber würden sie ihr Projekt fertigstellen und dafür mal vier Tage länger Urlaub durch Zeitausgleich machen oder am Samstag arbeiten und dafür am Freitag darauf frei haben.

In welchen Ländern aus Ihrem Portfolio gibt es die größten Wachstumschancen für die Autoindustrie bzw. BMW?

Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn entwickeln sich hervorragend. Auch Griechenland hat in den letzten zwei Jahren hohe Wachstumsraten gezeigt. Und hier in Österreich sind wir auf dem besten Weg in Richtung eines neuen Rekordjahres.

Platz für Autos in der Stadt wird teils künstlich verknappt, Autofahren ist für Junge nicht mehr so wichtig. Leidet die Autoindustrie darunter? Oder reicht es, wenn die Chinesen europäische Luxusautos wollen?

Europa ist unverändert unsere größte Absatzregion mit rund 45 Prozent des Gesamtabsatzes. Ein Drittel unserer Automobile haben wir 2015 in Asien abgesetzt. Unser Angebot wird in Zukunft weit über den reinen Verkauf von Fahrzeugen hinausgehen. Individuelle Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Es gibt Lösungen für die knapper werdende Verkehrsfläche: Sie kann durch eine intelligente Verkehrssteuerung tageszeitabhängig viel besser genutzt werden. Was besser ist, als schlichte Verbote und künstliche Verknappungen. Car Sharing ist auch ein Thema – und das Auto fährt zunehmend autonom.

Hat die Autoindustrie die Computerisierung denn nicht völlig verschlafen?

BMW hat schon früh die Bedeutung der Vernetzung von Fahrer, Fahrzeug und Umwelt erkannt. Denken Sie an die seit zehn Jahren fest ins Fahrzeug eingebaute SIM-Karte, mit der im Notfall ein automatischer Notruf abgesetzt wird, ohne auf ein Mobiltelefon angewiesen zu sein. Die Intermodale Routenführung bindet auf Wunsch die Parkplatzsuche und auch den öffentlichen Nahverkehr in die Zielführung mit ein. Aus der Ferne können unsere Kunden per App den Fahrzeugstatus, den Ladezustand oder die Reichweite kontrollieren und vielfältige Funktionen über das Smartphone steuern. Im Bereich autonomes Fahren ist die neue BMW 7er- und 5er-Reihe ausgestattet mit Stereokamera und fünf Radarsensoren, womit die Limousine selbst bei 210 km/h auf der Autobahn die Spur und den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält. Und dank Remote Control Parking findet das Fahrzeug den Weg in die Garage auf Knopfdruck ganz ohne Fahrer.

Und was erwartet uns beim autonomen Fahren?

Das kommt in Stufen. In der Endstufe zirka um 2021 auch im komplexen Stadtverkehr. Für die Forschung und Entwicklung des sicheren autonomen Fahrens in der Stadt liegt der Schwerpunkt auf den Bereichen hochpräzise digitale Karten, Sensorik, Cloud-Technologie und künstliche Intelligenz. Ein wichtiger Schritt wurde 2015 mit der gemeinsamen Übernahme von HERE durch mehrere Autohersteller gesetzt. HERE entwickelt eine Plattform, die hochauflösende Karten mit ortsbezogenen Echtzeit-Informationen kombiniert und so den Kunden ein detail- und sekundengenaues Abbild der realen Welt liefert.

Rechnet sich das BMW-Car-Sharing-Modell in Wien?

Unser Carsharing-Angebot DriveNow wächst in Europa rasant. Wir haben in zehn Städten in Europa rund 700.000 Kunden, die Zugriff auf über 4700 Fahrzeuge haben. Allein in Wien haben wir nach zwei Jahren bereits über 70.000 Kunden. Überall haben wir auch den elektrischen BMW i3 im Einsatz. Indem wir Menschen mit Elektromobilität in Berührung bringen, können wir die Gesellschaft für dieses Thema auch sensibilisieren und faszinieren.

Nach dem Audi-Abgasskandal schockten uns die um bis zu 40 Prozent falschen Spritverbrauchsangaben der Autoindustrie. Ist die Kfz-Branche eine Schummel-Industrie?

Nein. "Die Autoindustrie" darf nicht in einen Topf mit einzelnen Anbietern geworfen werden, die Fehler gemacht haben. Bei der BMW Group wird nicht manipuliert, und wir halten uns in jedem Land an die gesetzlichen Vorgaben.

Es gibt immer mehr Rückrufe. Kann man nicht vor allem von Premiummarken mehr Qualität bei der Herstellung erwarten?

Unsere Automobile waren insgesamt noch nie so zuverlässig, sicher, komfortabel und umweltfreundlich wie heute. Diese freiwilligen Rückrufe dienen dem Ziel, den Kunden dauerhaft höchste Qualität zu bieten.

Wie sehr schmerzt BMW der Brexit und wie sehr die Ankündigung Donald Trumps, den US-Markt mehr abzuschotten?

Selbstverständlich beobachten wir die Lage sehr aufmerksam. Momentan verfährt die BMW Group weiterhin nach dem Prinzip "business as usual". Lassen Sie uns mit Optimismus in das kommende Jahr blicken.

MANAGER IM AUTOKONZERN

Seit 2014 ist der gebürtige Münchner für die Region Zentral- und Südosteuropa in der BMW Group zuständig. Der 52-Jährige hat damit die BMW-Töchter in Polen, Tschechien, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Slowenien, Griechenland, Zypern, Malta und auch Österreich im Blick. Davor war Tschirschnitz sechs Jahre lang für das Privatkundengeschäft bei BMW-Deutschland verantwortlich.

Autonomes Fahren in Städten ab 2021

Die Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft ist die Muttergesellschaft der international operierenden BMW Group. Der Konzern konnte seinen Absatz weiter steigern. Heuer wurden bereits weit über zwei Millionen Autos ausgeliefert.

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