Austro-Pioniere erobern die dritte Dimension

Beton-Druck: Von Deko bis zum Haus
Bald könnte fast alles aus dem Drucker kommen – ob Einfamilienhaus, Schmuckkristall oder ein menschliches Organ.

Was möchten Sie gerne ausdrucken? Ein mit freiem Auge kaum erkennbares Schlösschen, das auf einer Bleistiftspitze balanciert? Oder doch lieber ein echtes zweistöckiges Einfamilienhaus? Von winzig klein bis ganz groß: Was nach Zukunftsmusik klingt, ist mit 3D-Druckverfahren bereits realisierbar. Und, das Erfreuliche: Österreicher sind bei dieser Zukunftstechnologie mittendrin statt nur dabei.

3D-Druck ist der Überbegriff für alle Verfahren, bei denen Produkte Schicht für Schicht aufgebaut werden. Das spart Rohstoffe, Zeit und ermöglicht völlig neue Formen, die im Computer optimiert werden können. Die mögliche Materialpalette reicht von Kunststoff, Keramik, Metall, Beton bis hin zu menschlichen Zellen und Organen.

Alles, was Flügel hat

"3D-Druck ist nicht wie andere Hypes, die rasch auftauchen und verschwinden", sagt Jürgen Stampfl, Professor an der TU Wien, zum KURIER. "Das Thema wird bleiben. Offen ist noch, ob in einer Nische oder in der Massenproduktion." Stampfl und seine Studenten sind Pioniere der Miniaturisierung. Sie haben einen Stephansdom gedruckt, der 0,05 Millimeter lang ist – dünner als ein Haar. Gegossen aus flüssigem Harz, punktgenau durch Laser ausgehärtet.

Daraus entstand das Wiener Start-up Cubicure, das das Interesse von Mikrokugellager- und Autoherstellern auf sich gezogen hat. Metalle sind schwieriger zu drucken als Kunststoffe, die Marktreife ist aber ebenfalls erreicht: Flugzeugbauer Airbus hat im September erste 3D-gedruckte Titanteile in einem Serien-A350 XWB verbaut. Künftig könnten zehn Prozent der Flugzeugteile additiv gefertigt werden, erzählte der aus Oberösterreich stammende Manager Peter Pirklbauer beim Technologieforum der Deutschen Handelskammer in Wien. Der Vorteil: Bis zu 95 Prozent weniger Ressourcen, bis zu 55 Prozent weniger Gewicht. Über die Lebensdauer eines Flugzeuges bedeutet jedes Kilogramm weniger zehntausende Liter Kerosin- Einsparung.Leicht und stabil soll es sein, Kosten spielen keine große Rolle: Das gilt nicht nur für die Luxusmarke Bentley, die bereits viele Autoteile druckt. Es gilt auch für Rennsportausrüster wie Pankl Racing, der zwei Anlagen zur additiven Fertigung von Metallteilen in Betrieb genommen hat. Die Voestalpine experimentiert im Kompetenzzentrum in Düsseldorf mit Metallpulver-Mischungen und Laserschmelzanlagen, aufbauend auf Know-how von Böhler.

Spitzt die Ohren

Ein Riesenthema ist 3D-Druck für die Medizintechnik, wo Individualität gefragt ist. 2016 sorgte ein US-Institut für Schlagzeilen: Es gelang ihm Ohren, Knochen und Muskeln im Bioprinter zu drucken – und das Zellgewebe bildete eigene Blutgefäße aus. Bis gedruckte Organe für Transplantationen in Frage kommen, werden freilich noch Jahrzehnte vergehen. Alltag sind bereits Zahnspangen aus dem Drucker, auch an keramischem Zahnersatz wird intensiv geforscht. Der steirische Maschinenbauspezialist Hage hat mit der MedUni Graz und der Montanuniversität Leoben Schädelimplantate entwickelt, die im OP-Saal gedruckt werden könnten und Nachfolge-Operationen ersparen würden. Beim Grazer Akustiker Neuroth, der Hörgeräte und Gehörschutz individuell maßanfertigt, kommen 3D-Drucker zum Einsatz.

Disruption am Bau

Selbst in der traditionsverhafteten Baubranche ist das Druckfieber entbrannt. Doka Ventures, Tochter des Amstettner Schalungsspezialisten Doka (Umdasch-Gruppe), hat sich 2016 mit 30 Prozent an einem Spin-off der Southern University in Kalifornien beteiligt. Die Contour Craft Corporation von 3D-Pionier Behrokh Khoshnevis baut in El Segundo erste Roboter in Serie, die binnen 24 Stunden vollständige Häuser drucken. So könne etwa für Menschen in Katastrophengebieten in kürzester Zeit eine einfache, aber solide Behausung geschaffen werden, schilderte Umdasch-Chef Andreas Ludwig kürzlich vor der Britisch-Österreichischen Gesellschaft. Wann die Technologie den breiten Markt erobern werde, sei zwar nicht absehbar. Die Sorge, dass sich Doka eigenes Geschäft abgräbt, teilt der Umdasch-Chef aber nicht: "Wir verkaufen wenige Schalungssysteme im privaten Wohnbau." Und umwälzende Technologien könne man effektiv nur außerhalb des Unternehmens entwickeln.

Andere Wege geht Overtec, ebenfalls ein Familienunternehmen, das in Kooperation mit Baumit Fertigteile druckt. In Attnang-Puchheim kommen geschosshohe Betonelemente aus dem vier Meter großen 3D-Drucker. Im Frühjahr will Overtec-Chef Sebastian Hilscher serienreife Elemente ausliefern. Mit dem eigenen 3D-Drucksystem spezialisiert sich Baumit indes auf Betonobjekte wie Möbel, Skulpturen oder Vasen mit Größen von 50 bis 500 Zentimeter.

Kristalle unter Druck

Die neuen Methoden machen nicht einmal vor der Schmuckbranche Halt: In der Werkzeugfertigung habe Swarovski seit 1991 3D-Drucker im Einsatz; für die Messe Design Miami/Basel wurde kürzlich das erste 3D-gedruckte Swarovski-Kristallprodukt produziert, sagte Firmenchef Markus Langes-Swarovski.

Austro-Pioniere erobern die dritte Dimension
Macro of green 3D printed art sculpture in PLA Bildnachweis:PangeaPics Stock-Fotografie-ID:507532946 Hochgeladen am: 7. Februar 2016
Wer sagt, dass Geräteteile immer symmetrisch sein müssen? Airbus nimmt Anleihen bei der Natur – etwa bei Seerosen, die ein Vielfaches ihres Eigengewichtes tragen. Oder daran, wie sich Schleimpilze ausbreiten. Mit 3D-Druck sind der Fantasie (oder Rechenkapazität) kaum Grenzen gesetzt. Der Computer kann die beste Kombi aus leichter Bauweise und hoher Stabilität ermitteln. Profis sprechen dabei von "additiver Fertigung", weil der Aufbau Schicht für Schicht erfolgt. Weil das Endprodukt nicht aus Rohlingen gefräst oder mit Formen gegossen wird, geht viel weniger Rohstoff verloren. Und: Es sind echte Einzelanfertigungen möglich ("Losgröße 1"). Ein Thema sind die höheren Kosten; die Fertigungstoleranzen haben 3D-Drucker schon gut im Griff.

3D-Druck Made in Austria

In Österreich sei bereits eine innovative Industrie entstanden, die mehr als tausend Beschäftigte zählt, sagt TU-Wien-Professor Jürgen Stampfl. Um nur ein paar der Player zu nennen: Fast schon ein alter Hase ist das TU-Wien-Spinoff Lithoz, das 3D-Druck-Geräte für Hochleistungskeramiken baut. In Schörfling am Attersee fertigt Evo-Tech kostengünstige Kunststoffdrucker, die reine Edelstahlteile durch nachträgliches Erhitzen ("Sintern") ermöglichen. Das Wiener Unternehmen Xioneer will die 3D-Druck-Lücke zwischen Low-end und Hochpreis schließen. Way2production (W2P) aus Klosterneuburg ist auf Zahnschienen, Schmuck und Hörgeräte spezialisiert. 1zu1 Prototypen aus Dornbirn setzt den 3D-Druck ergänzend zu etablierten Verfahren wie Spritzguss ein.

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