Aus für sinnlose AMS-Kurse

Skandal um Postenschacher im Wiener AMS
Arbeitsmarktservice Wien reagiert auf Beschwerden – mit neuen Angeboten.
Von Uwe Mauch

Eine Farce: Der Gentleman hat drei Jahre lang in New York gelebt und gearbeitet – und dann wollte ihn sein AMS-Betreuer in einen Kurs für "Basic English" setzen.

Auch nicht viel schöner die Geschichte von einem herzkranken Augustin-Verkäufer jenseits der 60, dem man zu einem Bewerbungstraining vergattert hat. Mit der Drohung, dass sein Arbeitslosengeld gesperrt wird, musste er diesen Kurs auch besuchen.

Schluss mit unlustig

Aus für sinnlose AMS-Kurse
Petra Draxl AMS Wien
"Damit soll jetzt endgültig Schluss sein", lässt Petra Draxl, die Chefin des Arbeitsmarktservice Wien, aufhorchen. Nach massiver Kritik an den sogenannten Aktivierungskursen von den Jobsuchenden (300 Beschwerden im Vorjahr) verspricht sie für November einen Neustart – und stellt damit auch den Anbietern, die für die Abwicklung der Kursmaßnahmen extern beschäftigt werden, die Rute ins Fenster.

Konkret sollen ab Herbst die Betreuer am Arbeitsamt analog zu praktischen Ärzten die Erstdiagnose erstellen und dann effizienter vermitteln. Vor allem jene, die Orientierung suchen, will man dann weniger starr betreuen. "Nach einer eingehenden weiteren Beratung können sie zwischen verschiedenen Modulen wählen." Das Ziel: Niemand soll mehr zu einer sinnlosen Kursmaßnahme zwangsverpflichtet werden.

Zwar sei die Kritik, dass alle lernen müssen, wie man einen Lebenslauf schreiben muss, schon jetzt nicht gerechtfertigt, dennoch werden die drei heftig kritisierten Angebote "Rasch zum Job", "Neu starten" und "ACE – Aktivierung, Coaching, EDV" ausnahmslos gestrichen. Angestrebt werde "mehr Flexibilität und Individualität für jeden einzelnen Kunden".

Für Walter Wirl, der mit seiner Firma Performance Coaching zu den Kleinanbietern gezählt wird, ist die Ankündigung der Wiener AMS-Chefin erfreulich: "Damit werden die Karten für alle neu gemischt, und es bleibt zu hoffen, dass die 08/15-Kurse der Billigstbieter bald Geschichte sein werden." Das Problem aus Sicht von Wirl: "Wer seinen Trainern aufgrund des Kostendrucks nur wenig bezahlt, kann auch nicht mit gut ausgebildeten Trainern operieren."

Die neue "Jobwerkstatt" soll nicht mehr kosten als die bisherigen Kurse (16 Millionen Euro). Das Ausschreibungsverfahren wird in Kürze gestartet. Wichtig wird allerdings auch sein, ob die Betreuer auf den Arbeitsämtern mehr Zeit für ihre Erstberatungen bekommen (siehe das Porträt unten rechts).

Keine Beschwerden

Wichtig ist Petra Draxl der Hinweis, dass man sehr wohl auf die in den Medien geäußerte Kritik reagiert hat, dass aber nur im Bereich der Aktivierung kein Stein auf dem anderen bleiben soll. Der betrifft aber nur ein Fünftel aller Jobsuchenden in Wien. "Beim weitaus größeren Bereich der Qualifizierungsmaßnahmen haben wir im Vorjahr so gut wie keine Beschwerden registriert."

Aus für sinnlose AMS-Kurse

Harald Schmid ist mit dem Thema Jemand-verliert-seine-Arbeit nur allzu gut vertraut. Er war drei Jahre lang Leiter der Personalentwicklung beim Verkehrsbüro und dann zwölf Jahre Leiter der Personalabteilung bei der Raiffeisen Bausparkasse, ehe er sich selbstständig gemacht hat.

"Ich habe in all den Jahren mehr als hundert Kündigungsgespräche führen müssen", sagt der Berater. Und er sagt das nicht stolz. Vielmehr habe er immer nach einer menschlichen Lösung gesucht. "Ich weiß, dass das zynisch klingen mag. Aber es macht für den Betroffenen einen großen Unterschied, ob er im Vorübergehen gekündigt wird oder ob man mit ihm auch seine Sorgen und seine Perspektiven erörtert."

Seit gut einem Jahr ist Schmid selbstständig, er berät Firmen und deren Mitarbeiter im Trennungsfall, und zwar vom Zeitpunkt der Kündigung an. "Das Unternehmen zeigt dadurch auch soziale Verantwortung, der Vorteil für die Jobsuchenden ist ein professionelles Coaching." (Mehr Infos hier.)

"Da passiert nix", kritisiert Helga Nowak*. Das AMS hat ihr einen ACE-Kurs (Aktivierung, Coaching, EDV) verordnet, zur Reintegration in den Arbeitsmarkt. Und das, obwohl sie sich ohnehin gerade auf eigene Faust für einen neuen Job ausbilden lässt. Doch das zählt für das AMS nicht.

Die ausgebildete Lehrerin fühlte sich nach 20 Jahren im alten Job ausgebrannt und besucht nun die dreijährige Fachhochschule für Physiotherapie. Pro Semester zahlt sie 420 Euro Studiengebühr. Studienbegleitend muss sie Praktika absolvieren, da bleibt wenig Zeit für anderes.

Natürlich sei sie dem Staat "sehr, sehr dankbar", dass er ihr dafür (nach einigen Anläufen) zuerst Arbeitslosengeld und nun Sozialhilfe gewähre. Zumindest für einen 20-Stunden-Job muss sie vermittelbar sein. Frau Nowak findet das auch okay, nicht aber den Zwang zu Kursen.

Viele davon seien unbrauchbar. In ihrem jetzigen (er dauert fünf Wochen lang, zwei ganze Tage pro Woche) würden Teilnehmer wie Trainer schwer demotiviert herumsitzen, das sei Zeit- und Geldverschwendung. Sie habe im Wesentlichen gelernt, wo das Raucherkammerl sei, einen Sozialversicherungsbogen ausgefüllt, Bewerbungen und einen Lebenslauf geschrieben. Das war’s dann auch, Abschlussprüfung gibt es übrigens keine.

(*Name geändert.)

Wenn Raffael Egger, einer von 1500 Mitarbeitern beim Arbeitsmarktservice Wien, am späteren Nachmittag in seinem Büro in der Dresdner Straße seine Sachen packt, dann weiß er sehr genau, was er den ganzen Tag über gemacht hat.

Die Statistik weist penibel aus, dass er im Schnitt 25 Jobsuchende pro Tag bei sich sitzen hat. "An Spitzentagen sind es sogar bis zu vierzig." Macht unterm Strich gerade einmal "7,5 Minuten für ein Beratungsgespräch."

Dies ist die etwas andere AMS-Geschichte: Raffael Egger, ein gelernter Koch und Kellner, der seit 23 Jahren auf dem Arbeitsamt arbeitet, wirkt entgegen des landläufigen Klischees nicht frustriert. Er sagt nur, dass es ihm aufgrund des Zeitdrucks nicht immer gelingt, einen Draht zu seinem Gegenüber zu finden: "Vor allem jene, die schon länger arbeitslos sind, verlieren den Glauben, dass es für sie noch einmal klappt."

Wertschätzung für einen wie ihn gibt es übrigens selten: Wenn Egger im privaten Kreis erzählt, wo er arbeitet, erntet er meistens ein "Oje".

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