Augarten: Hingabe statt Automation

Handwerkskunst auf höchstem Niveau: Porzellanformerin Silvia Rohan.
In der Wiener Porzellanmanufaktur ist die Zeit stehen geblieben. Alles wird von Hand gefertigt. Das hat natürlich seinen Preis.

Nein, hier im ursprünglich 1654 errichteten, ehemaligen kaiserlichen Lustschloss ist von Automatisierung und Digitalisierung keine Rede: In der Porzellanfabrik Augarten, idyllisch im gleichnamigen Park gelegen, setzt man nach wie vor auf Kunst und echtes Handwerk. Das braucht Geduld, eine künstlerische Ader und viel Fingerspitzengefühl.

60 Arbeitsschritte stecken in einem Teller, noch bevor er bemalt wird. Kein Wunder, dass so ein Teller zwischen 60 und 105 Euro kostet und der Kunde für ein luxuriöses Service auch einmal 30- bis 40.000 Euro hinblättern muss. Wer sich das leistet? Nun, erst kürzlich hat jemand für seine 90-Meter-Yacht in Frankreich ein Service mit eigenem Design bestellt. Kein Problem für Augarten. Manche Kunden bestellen das Geschirr zum Beispiel mit ihrem Familienwappen oder dem Firmenlogo. Da ohnehin alles individuell von Hand bemalt wird, ist der Preis-Unterschied zu den gängigen Designs nicht mehr riesig. Auch das japanische Kaiserhaus isst von Wiener Porzellan. Wohl mit ein Grund, warum Japaner Augarten lieben und nicht selten große Mengen davon in Wien einkaufen. Es ist günstiger als daheim.

Vor rund 300 Jahren begann die Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur – und zwar zunächst in der Porzellangasse. Zahlreiche Höhen (im Biedermeier sowie später in der Zeit des Wiener Art Déco mit Designern wie Josef Hoffmann) folgten. Aber auch einige ruinöse Tiefs. Die industrielle Produktion setzte der Manufaktur zu.

2003 kittete der Sanierer Erhard Grossnig die Scherben des Konkurses und darf sich auf die Fahnen heften, ein Kulturgut gerettet zu haben. Die Mitarbeiterzahl wurde deutlich reduziert, 70 (hoch spezialisierte) Angestellte sind es mittlerweile. Lehrlinge sind schwer zu finden. Der Beruf wird ja fast nirgendwo mehr ausgeübt. Aber hier mit allerhöchster Hingabe.

In der Gewinnzone befindet sich Augarten noch nicht. Aber "wir kratzen an der schwarzen Null", sagt Thomas König. Seit zweieinhalb Jahren führt der Luxusmarken-Spezialist die Geschicke von Augarten. Davor werkte er bei Guerlain/LVMH. Für das edle Porzellan setzt er weniger auf den Einzelhandel und verstärkt auf Interior-Designer, die die edlen Stücke für die betuchte Kundschaft empfehlen. Augarten kommt der Trend zur Individualisierung entgegen – man könne sich sein eigenes Parfum oder eine Tasche kreieren, sagt König. Warum also nicht auch eigenes Porzellan.

Anmutige Formen

Augarten ist aber nicht nur berühmt für exquisites Geschirr, sondern auch für seine Figürchen in zarten Formen. Sie sind als Geschenk auf Geschäftsreisen beliebt. So bestellte sich die OMV für arabische Partner einen Porzellan-Falken in Originalgröße. Eines der teuersten Stücke leistete sich ein japanischer Privatspitalbetreiber. Er kaufte eine über einen Meter große Porzellanfigur – Florence Nightingale, die Vorreiterin des modernen Pflegewesens – um 70.000 Euro. Ein so großes Stück ist allerdings besonders schwierig herzustellen, denn nach dem Brennen schrumpft es, Risse können sich bilden. Man brauchte einige Anläufe, bis sich die Figur völlig makellos präsentierte. Denn aussortiert wird bei Augarten gnadenlos.

Das Rohmaterial besteht aus Kaolin, Feldspat und Quarz. Es wird in einer Dreherei modelliert oder in Gips-Formen gegossen – oft in mehreren Teilen, die später mit dickflüssiger Porzellanmaße zusammengefügt werden. Ein Reiter der spanischen Hofreitschule zum Beispiel besteht aus 70 Einzelteilen. Jedes Stück wird mehrmals gebrannt – das erste Mal bei 930 Grad. Danach wird entstaubt, jedes Teil einzeln signiert, glasiert und zum zweiten Mal gebrannt.

Höchste Handwerkskunst

Die Bemalung ist eine echte Kunst: Gearbeitet wird mit feinsten Pinselstrichen und Tuschfeder. Die Farben verschmelzen beim letzten Brand mit der Glasur. Jeder Porzellanmaler hat übrigens seine eigene Nummer, die er auf die Rückseite des Stücks pinselt. Etliche Mitarbeiter sind selbst Künstler, malen in der Freizeit. Die Stimmung im Haus ist entspannt-freundlich.

Bis 6. Juni findet übrigens in den Shops in Wien, Salzburg und Linz die "weiße Woche" statt – sprich: Man kann Zweite-Wahl-Porzellan zum günstigeren Preis erstehen. Und wie geht man in einem modernen Haushalt, wo ja niemand mehr von Hand wäscht, mit Augarten-Porzellan um? Fritz Panzer, der frühere Geschäftsführer gibt gute Tipps (die auch bei weniger teurem Geschirr wertvoll sind): Den Geschirrspüler nach Ende des Waschgangs öffnen. Bleibt er (zum Beispiel über Nacht) geschlossen, können auch Gläser vergrauen. Ein Programm mit höchstens 50 Grad und Bio-Waschmittel verwenden. Dann halte auch Augarten 500 Spülgänge aus. Also verwenden, nicht nur bewundern!

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