Aufschlag Forpheus: Roboter dominieren Industrieschau

Deutsche Leitmesse ganz im Zeichen von Industrie 4.0 - Star ist ein Tischtennis spielender Roboter.

Sie gilt als die größte Industrieschau der Welt: Seit Sonntag läuft die Hannover Messe. Die fünftägige Veranstaltung ist im 70. Jahr ihres Bestehens erneut dem Leitthema der vernetzten Industrie gewidmet, bei der Roboter eine zunehmende Rolle spielen. Erwartet werden rund 200 000 Besucher und 6500 Aussteller.

Die Eröffnung nahm am Sonntag neben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo vor. Polen ist heuer Partnerland der Deutschen. Die Hannover Messe verspricht konkrete Antworten auf die Frage, wie die Unternehmen Roboter für neue Geschäftsmodelle praktisch nutzen können. Fazit: Die Fertigung wird zunehmend flexibler gestaltet.

Was gibt es schon an konkreten Anwendungsbeispielen für die Industrie von morgen („Industrie 4.0“)?

ROBOTER

Roboter sind DAS Trendthema der Messe. Vor allem die Industriehelfer ermöglichen, in immer neue Dimensionen vorzustoßen. Ob in der Fertigung, der Logistik oder im privaten Haushalt: die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter wird ausgefeilter. Der Hersteller Festo etwa zeigt einen pneumatischen Leichtroboter, der dem menschlichen Arm nachempfunden ist und feinfühlige Bewegungen ausführt. Von Franka Emika kommen dazu sogenannte Roboter-Apps, die das Programmieren dieser mechanischen Helfer mit ihren hochkomplexen Fähigkeiten zur Minuten-Sache machen.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (KI)

Sie geht einher mit dem Roboterthema und befähigt die mechanischen Helfer, selbst zu lernen, sich zu optimieren und auch dem Menschen anzupassen. Auf der Messe demonstriert das der Tischtennis spielende Roboter „Forpheus“ von Omron Electronics. Er kann eine Flut an Informationen so verarbeiten, dass er Ereignisse wie komplexe Bewegungen vorherzusehen vermag. Die Bahn des von seinem Gegenüber aufgeschlagenen Balls kann er mit 80 Berechnungen pro Sekunde präzise vorhersagen.

SMART FACTORY

Digital vernetzte Industrieanlagen wie sie etwa der Roboterhersteller Kuka zeigt, verkürzen nicht nur die Produktionszeit, sondern ermöglichen auch größtmögliche Flexibilität beim Herstellungsverfahren. Messebesucher etwa können sich vom Smartphone innerhalb von 15 Minuten ein komplettes Puzzle fertigen lassen. In der Praxis ermöglicht das etwa die schnelle Integration von Sondermodellen im laufenden Fertigungsprozess.

ENERGIESYSTEME

Den Energiesystemen der Zukunft spüren viele Aussteller auf der Messe nach. Dabei stehen neben Brennstoffzellen auch semi-transparente Solarmodule im Fokus, die sich in die Glasfassade integrieren lassen. Das Karlsruher Institut für Technologie zeigt etwa transparente Solarzellen, die sich in Brillengläser integrieren lassen und somit Strom erzeugen können.

DATEN, DATEN, DATEN

Daten gelten als Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Kaum eine Firma, die nicht mit ihrer smarten Nutzung plant. Daten werden bei sich selbst optimierenden Industrierobotern ebenso verwendet wie bei vernetzten Bienenstöcken.

AUTONOMES FAHREN

Wer kennt das nicht? Das Navi führt den genervten Autofahrer aus dem Stau - der dann gleich im nächsten Stau landet, weil zu viele den gleichen Tipps folgen. Volkswagen will künftig den Verkehrsfluss verbessern. Am Beispiel Peking, einer Stadt, die normalerweise permanent Stau-Probleme kennt, wird gezeigt, wie per Quantencomputer-Technologie Staus aufgelöst werden. Das geschieht, indem alle Autos in einem bestimmten Areal eine ganz eigene, optimierte Route erhalten. Das erfordert Berechnungen fast in Echtzeit - und auch autonom fahrende Autos brauchen Verkehrsplanung. VW-Digitalchef Martin Hofmann spricht stolz von einer „Weltpremiere“.

DATENSICHERHEIT

Sicherheit gewinnt mit zunehmender Datennutzung enorm an Bedeutung. Viele Unternehmen zeigen, wie wichtig der Schutz sensibler Daten ist.

Bosch: Viele neue Jobchancen

Was bedeuten die Automatisierung und Digitalisierung in den Fabriken für den Arbeitsmarkt? Nach Einschätzung der Technologie-Branche nicht zwingend mehr Jobabbau, sondern neue Chancen. „Je mehr Technik es in einer Fabrik gibt, desto mehr hoch qualifizierte Leute braucht man, die die Systeme betreuen, warten und Verbesserungen einsteuern“, sagt Bosch-Ingenieur Stefan Aßmann , der die Sparte Connected Industry leitet.

Skeptiker befürchten dagegen, dass der Trend zu immer selbstständigeren Robotern künftig Arbeitsplätze kosten wird. „Wir haben in einem Werk untersucht, wie der Personalstand heute ist und wie er in fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Das Beruhigende war: Es gibt eher mehr Bedarf an hoch qualifizierten Technikern“, sagte Aßmann. „Wir sehen nicht die menschenleere Fabrik, sondern es gibt eher Technologie, die den Menschen hilft, die Maschinen besser am Laufen zu halten.“

Aufschlag Forpheus: Roboter dominieren Industrieschau
Augmented Reality zur Wartung, Bosch Pressefoto
Bereits heute beschäftigen sich den Angaben zufolge bei Bosch rund 20.000 Entwickler mit Software. Beinahe jede zweite ausgeschriebene Stelle habe derzeit einen Bezug dazu. Das Unternehmen rechne zudem bis 2020 mit einer Milliarde Euro an zusätzlichen Ersparnissen sowie einer weiteren Milliarde Euro an zusätzlichem Umsatz.
Es gibt nach wie vor aber auch viele kritische Stimmen an der fortschreitenden Digitalisierung der Produktion - nicht nur aus dem Gewerkschaftslager.

Aßmann räumte ein, dass es „repetitive Tätigkeiten“ gebe, die schon in den vergangenen Jahrzehnten durch Automatisierung wegrationalisiert worden seien - „das gab es und das wird es weiterhin geben“. Grundsätzlich gelte aber: Vernetzung führe zu mehr Produktivität in Unternehmen und stärke die Wettbewerbsfähigkeit.

Beim Stillstand einer Maschine sei früher bis zur Reparatur eine gewisse Zeit vergangen. „Heute sind unsere Mitarbeiter mit Tablet oder Smartphone in der Werkstatt und bekommen dort schon eine SMS von der Maschine, was passiert ist und wie das Problem zu beheben ist“, sagte der Ingenieur. Falls eine Maschine ein Ersatzteil benötige, scanne der Mitarbeiter nur noch den entsprechenden Barcode ein. Das Teil werde online bestellt. „Die Unterstützung des Menschen - und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine - ist schon Normalität.“

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