Audi-Chef: "Brasilien ist eine Riesenchance"

Audi-Chef: "Brasilien ist eine Riesenchance"
Hersteller sucht neue Märkte und hält bestehende CO2-Auflagen für ausreichend.

KURIER: Audi hat im ersten Quartal beim Umsatz um zehn Prozent zugelegt, beim Gewinn von einer Milliarde Euro etwas verloren. Woran liegt das?

Rupert Stadler: Audi investiert mit mehr als 22 Milliarden Euro bis 2018 so kräftig wie noch nie. Wir säen heute, um auch morgen und übermorgen zu ernten. Die hohen Investitionen wirken sich auch auf das Ergebnis aus. Dennoch bin ich sehr zufrieden. Beim operativen Ergebnis sind wir mit 10,1 Prozent Rendite Champions League-Sieger. 2020 wollen wir mehr als zwei Millionen Einheiten verkaufen aus einer Modellpalette, die dann über 60 Modelle umfasst, gegenüber rund 50 heute.

Aber Ihr schärfster Mitbewerber BMW hat unterm Strich bessere Zahlen geliefert.

Das sehe ich nicht so. Maßstab ist der Gewinn pro umgesetztem Euro, also die operative Umsatzrendite. Die Kernmarke BMW liegt hinter uns und Mercedes deutlich hinter uns. Unser Finanzierungsgeschäft läuft über VW, ich vergleiche somit Marke mit Marke.

In China erwarten Sie dieses Jahr 500.000 verkaufte Fahrzeuge. Ist das nicht tiefgestapelt?

Audi ist seit über 25 Jahren in diesem Markt zu Hause und dort Premium-Marke Nummer eins. In den ersten drei Monaten betrug der Zuwachs 21 Prozent, das freut uns, aber eine gewisse Grundvorsicht schadet nie. Es werden auch in China die Bäume nicht immer weiter in den Himmel wachsen.

Audi-Chef: "Brasilien ist eine Riesenchance"
Warum nicht?

Weil die Wachstumskurve in China langfristig flacher verlaufen wird. Und es gilt, große Aufgaben zu lösen, wie etwa den Umweltschutz voranzutreiben. Logischerweise wird sich auch der Pkw darin einfügen, Stichwort Zulassungsbeschränkungen in Großstädten. Audi ist im Markt und auch bei Umweltinnovationen führend. Beispielsweise haben wir als Erster das Start-Stop-System (Motor schaltet bei Stillstand automatisch ab, Anm.), das in Europa Usus ist, vor drei Jahren in China eingeführt. Das war damals ungewöhnlich, aber der Kunde honoriert es.

Auch in Europa werden laufend CO2-Bestimmungen verschärft. Gibt es eine Grenze, bei der Sie sagen, mehr geht nicht?

Das Ziel von 95 Gramm pro Kilometer bis 2020 ist sehr ambitioniert. Wir bekennen uns dazu und werden alle technischen Register ziehen, um das Ziel zu erreichen und dennoch dem Kunden Fahrspaß zu bieten. Wir sind der Meinung, dass nicht schon wieder neue Ziele diskutiert werden sollten, so lange an der aktuellen anspruchsvollen Zielsetzung hart gearbeitet wird.

Sehen Sie in Europa bei der CO2-Debatte einen Standortnachteil für die Industrie?

Wenn die Ökologie nicht im Einklang mit der Ökonomie funktioniert, wird diese Gesellschaft ein Problem bekommen. Ich bin ein Freund davon, beide Dinge vernünftig zu kombinieren.

Werden neue Antriebstechniken helfen, die Ziele bis 2020 zu erreichen?

Ich bin überzeugt davon. Bei der E-Mobilität setzen wir am Anfang auf den Plug-in-Hybriden. Dabei liefert der Verbrennungsmotor die Reichweite, die der Kunde wünscht, der Elektromotor erlaubt das emissionsfreie Fahren in der Stadt mit einer Reichweite von 50 Kilometern. Mit dem A3 g-tron bieten wir ein Auto an, das mit Erdgas fährt. Und unsere klassischen Verbrennungsmotoren machen wir sparsamer, ohne dass die Fahrfreude darunter leidet.

Warum wollen Sie keinen reinen E-Antrieb?

Den will ich auf jeden Fall. Mit dem R8 e-tron in der nächsten Generation werden wir auch ein solches Battery Electric Vehicle bauen. Aber, man darf nicht vergessen: die heutigen E-Automobile haben eine recht geringe Reichweite. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Kunde nicht alle fünf Minuten auf die Tankanzeige bzw. Ladeanzeige gucken oder ständig neu aufladen will. In der nächsten Phase der Batterietechnologie, die es ermöglicht, bei gleichem Batteriegewicht 300 bis 400 Kilometer zu schaffen, ist auch die Sinnhaftigkeit von reinen E-Autos besser gegeben. In drei, vier Jahren wird es soweit sein. Bis dahin haben wir mit unserer Hybridpalette ein gutes Mittel, um die CO2-Reduktion zu schaffen.

Wie geht es auf dem europäischen Automarkt weiter?

Wir sehen nach dem Absturz eine Bodenbildung, der Markt könnte sich in Westeuropa um zwei Prozent verbessern. Das ist noch nicht ausreichend, um in Euphorie auszubrechen. Wir werden sicher drei bis fünf Jahre brauchen, um zu den All-Time-Highs zurückzukommen.

Wie sehr fürchten Sie die Ukraine-Krise?

Die politische Krise bereitet die eine oder andere Sorge, aber wir haben die Hoffnung, dass sie auf diplomatischem Weg zu lösen ist. Sanktionen erwarte ich im Autobereich nicht. In der Ukraine verkauften wir zwei- bis dreitausend Autos im Jahr, in Russland sind es 30.000 bis 35.000, das sind zusammen weniger als drei Prozent unseres weltweiten Absatzes. Was wir spüren, sind die Effekte des schwachen Rubel.

2015 feiern Sie mit einer eigenen Produktion ein Comeback in Brasilien. Warum sollte es dieses Mal funktionieren?

Audi-Chef: "Brasilien ist eine Riesenchance"
Es ist eine Riesenchance. Die Marke Audi erfährt dort eine unglaubliche Wertschätzung. Wir werden mit dem Audi A3 und dem Q3 (A3 ist ein Modell in der Golfklasse, Q3 ein sportlicher Geländewagen, kurz SUV, Anm.) in einer vorhandenen Fabrik produzieren. Das unternehmerische Risiko ist somit ein kleineres.

Fürchten Sie nicht, dass die sozialen Unruhen im Land Ihr Geschäft beeinträchtigen?

Brasilien ist das größte Land Südamerikas und verfügt über enorme Rohstoffvorkommen. Es hat somit langfristig große Wachstumspotenziale.

Sie wollen Ihre Fahrzeuge mit Tablets und Internet ausstatten. Ist das nur ein Marketing-Gag?

Der Kunde von morgen wird von uns erwarten, dass er beim Einsteigen ins Auto die von ihm gewohnte Vernetzung fortführt. Das Konsumentenverhalten wird sich dahingehend verändern. Auf diesem Gebiet ist Audi führend, viele Bedürfnisse nach Vernetzung können wir bereits heute erfüllen. Wir arbeiten weiter intensiv an diesem Thema.

Karriere: Der 1963 in Bayern geborene Rupert Stadler begann nach dem Studium der Betriebswirtschaft bei Philips. 1990 wechselte er ins Controlling von Audi.1994 trat der Vater von drei Kindern als kaufmännischer Geschäftsführer bei VW/Audi Spanien ein. Von 1997 an war Stadler Leiter des Generalsekretariats im VW-Vorstand. Seit 2003 ist er Mitglied im Audi-Vorstand, seit 2007 Chef. Der Bayern-München-Fan sitzt im Aufsichtsrat des Klubs.

Wie zu erwarten war, ist nach Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) und Versicherungssteuer mit Anfang März, die Zahl der neu zugelassenen Pkw in Österreich auch im April rückläufig. Und zwar um 5,1 Prozent auf 29.420 Stück. Führend ist die Marke VW (18 Prozent) vor Skoda und Audi (je 7 Prozent). Dahinter folgen mit je sechs Prozent Ford, Opel, Hyundai und BMW. Seit Jahresbeginn gab es insgesamt 110.521 Pkw-Neuzulassungen, ein leichtes Minus von 0,3 Prozent.

Unternehmen haben Expansion nach Asien und Nordamerika teilweise verschlafenAudi ist wie andere Autoproduzenten nicht nur in Europa, sondern weltweit mit Fabriken vertreten, künftig auch in Mexico und Brasilien. Viele Zulieferer folgen den Herstellern mit Produktionsbetrieben, um Transportkosten massiv zu reduzieren. Das alleine werde künftig nicht reichen, meint Dietmar Schäfer von der ARGE Automotive Zulieferindustrie. „Eine Entwicklungsabteilung vor Ort wird erwartet.“ Generell geht er mit den heimischen Zulieferbetrieben hart ins Gericht. „Bei der Internationalisierung ist es 5 vor 12.“ Es fehle an Mut oder Möglichkeiten.

Schäfer warnt: „ Es ist eine Last-Minute-Geschichte für jeden, der noch nicht im Ausland aktiv ist.“ Denn der Erhalt des Status quo werde schwierig, wenn die Betriebe den Schritt nicht gingen. Wachstum ohne China oder Nordamerika sei nicht möglich. „Die Lücken werden von anderen schnell geschlossen, wenn wir nicht mitgehen.“ Aktivitäten im Ausland seien kein notwendiges Übel.

Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (iwi) von Herwig Schneider liefern 13 Prozent der Zulieferer weniger als zehn Prozent ihrer Waren ins Ausland. „Die Märkte der Zukunft sind nicht 150 Kilometer von Wien entfernt.“ Ein Hauptgrund für die Zurückhaltung der Betriebe ist laut Studie die Angst, dass Firmengeheimnisse im Ausland nicht mehr bewahrt werden könnten. Zudem würden bei Joint Ventures im Ausland Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten verloren gehen.

Road Map

Rudolf Mark, Sprecher des Automobilclusters Oberösterreich, hat für seine Mitglieder eine Road Map erstellt, um in Märkten außerhalb Europas Fuß zu fassen. „Wir müssen den Weg gehen, ob wir wollen oder nicht.“ Zentrales Element der Map: Die Gründung einer gemeinsamen Außenniederlassung. „Zwei Drittel der Arbeitsprozesse der Unternehmen sind gleich, nur das Produkt ist unterschiedlich“, so Mark.

Josef Affenzeller, Forschungs-Koordinator beim Grazer Motorenentwickler AVL List, berichtet, dass China für einen einzigen Standort zu groß sei. Wenn sie in Schanghai sind, sind sie nicht in China, sondern in Schanghai. AVL List eröffnet daher demnächst eine zweite Niederlassung bei Peking.

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