Auch in den USA zieht "gentechnikfrei"

Die Zuckerpreise sind derzeit extrem niedrig - das dürfte sich bald ändern.
Agrana-Direktor Marihart setzt auf den Export von speziellen Stärkeprodukten in die USA.

Der Generaldirektor des Zucker-, Stärke- und Fruchtkonzerns Agrana, Johann Marihart, geht von einer Ausweitung des Streubesitzes der Agrana "in absehbarer Zeit" aus. Der Streubesitz soll dabei von derzeit sieben Prozent auf etwa zwölf Prozent steigen. Der seit Jahren sehr niedrige Zuckerpreis hat die Gewinne in diesem Bereich einbrechen lassen, für Stabilität sorgen aber die Segmente Stärke und Frucht.

KURIER: Sind Unternehmen, die sich nur auf die Produktion von Zucker konzentrieren, auf Dauer konkurrenzfähig?

Johann Marihart: Ich hoffe, dass unsere Mitbewerber nicht auch auf die Idee kommen, auf Stärke und Frucht zu setzen. Die Agrana macht derzeit drei Viertel des Umsatzes und aktuell 90 Prozent des Ergebnisses mit diesen Bereichen. Unsere Strategie der Diversifizierung hat sich daher bewährt. Aber auch im Zuckerbereich konnten wir im 2. Quartal bereits das Ebit (Ergebnis vor Steuern und Zinsen, Anm.) ins Positive drehen. Die Ergebnisse der reinen Zuckerkonzerne sind im Vorjahr um 80 Prozent eingebrochen. Sie schreiben rote Zahlen oder bestenfalls eine schwarze Null.

Warum hat sich der Stärkebereich so gut entwickelt?

Er war schon vergangenes Jahr sehr gut und bleibt sehr gut. Wir haben bei der Stärke Ebit-Margen von über acht Prozent. Die Nachfrage im technischen Bereich wie etwa von der Papierindustrie oder im Nahrungsmittelbereich ist gut. Beim Alkohol sind die Preise verglichen mit dem Vorjahr deutlich gestiegen.

Auch in den USA zieht "gentechnikfrei"
Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteiligungs-AG und Präsident der Industriellenvereinigung NÖ, im Interview am 20.02.2015 in seinem Büro in Wien.

Johann Marihart

Wollen Sie diesen Bereich ausbauen?

Wir investieren aktuell in ein 80-Millionen-Euro-Projekt für die Stärkeproduktion. Wir wollen mehr Spezialstärken etwa für den amerikanischen Markt produzieren.

Was exportiert die Agrana in die USA?

Das sind insbesondere Wachsmaisstärke-Produkte für Babynahrung. Wachsmais muss getrennt von anderen Maissorten angebaut werden. Entscheidend ist die Gentechnikfreiheit. Auch in den USA ist Gentechnikfreiheit ein Verkaufskriterium. Wegen des Pollenflugs ist die Produktion von gentechnikfreien Nahrungsmitteln in den USA schwierig.

Ist Gentechnikfreiheit eine erfolgversprechende Geschäftsstrategie?

Gentechnikfreiheit ist im Kommen. Eine große Mehrheit der EU-Länder wollen gentechnikveränderte Pflanzen nicht zulassen, indem sie die Opting-out-Möglichkeit beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und Futtermittel nutzen. Die Agrana bietet gentechnikfreie Futtermittel mit einem Eiweißgehalt von mindestens 30 Prozent als Sojaersatz an. Auch im Export steigt die Nachfrage nach garantiert gentechnikfreien Produkten.

In welchem Bereich ist der Widerstand gegen Gentechnik am deutlichsten?

Beim Essen gibt es keine Akzeptanz für Gentechnik. Das geht so weit, dass ein Hersteller, der Papiersackerln für Wurstsemmeln erzeugt, nur gentechnikfreie Stärke haben will. Akzeptiert ist Gentechnik nur bei der Herstellung von Medikamenten.

Wer profitiert vom seit Jahren niedrigen Zuckerpreis?

Alle, die Zucker in großen Mengen verwenden, wie etwa die Hersteller von alkoholfreien Getränken, sowie die Süßwarenindustrie generell.

Werden die Zuckerpreise wie erwartet steigen?

Die Grundvoraussetzungen dafür sind da. Die Anbauflächen in Europa sind um 15 Prozent gesunken, und die Erträge sind insgesamt bestenfalls Durchschnitt. Heuer werden in Europa etwa 15 Millionen Tonnen Zucker produziert. Im vergangenen Jahr waren es 19 Millionen Tonnen. Daher sind Importe notwendig. Derzeit sind die Preise in der EU so niedrig, dass Entwicklungsländer, die zollfrei Zucker in die EU exportieren dürfen, wenig Lieferinteresse haben. Daher müssen in Zukunft höhere Preise bezahlt werden, weil der Bedarf sonst nicht gedeckt werden kann.

Was bedeutet ein höherer Zuckerpreis für die heimischen Rübenbauern?

Wir haben mit den Rübenbauern eine Vereinbarung, dass alle Einnahmen oberhalb der Vollkostendeckung aufgeteilt werden. Die Rübenbauern würden daher von einer Preissteigerung profitieren.

Auch in den USA zieht "gentechnikfrei"
Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteiligungs-AG und Präsident der Industriellenvereinigung NÖ, im Interview am 20.02.2015 in seinem Büro in Wien.

Ist die Schließung von Standorten geplant?

Es gibt keine Pläne, Standorte zu schließen.

Wie wollen Sie sonst die Kosten reduzieren?

Der Zuckergehalt der Rüben ist höher als im vergangenen Jahr. Das bringt eine höhere Ausbeute bei geringeren Energiekosten. Wir investieren auch konsequent in Anlagen, die weniger Energie verbrauchen und die Zuckerausbeute verbessern. In Leopoldsdorf haben wir soeben neun Millionen Euro in eine neue Station für das Eindicken des Zuckersaftes investiert.

Gibt es neue Produkte mit Potenzial?

Wir gewinnen den Wirkstoff Betain, der derzeit für die Fütterung von Haustieren verwendet wird. Der Preis dafür ist höher als für Zucker.

Agrana: Nicht mehr nur die Zuckerrübe

Der Umsatz im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2015/’16 betrug 1,26 Milliarden Euro. Das Ebit des österreichischen Konzerns belief sich auf 68,7 Millionen Euro. Etwa die Hälfte davon wurde im Stärkebereich erwirtschaftet. Eine positive Geschäftsentwicklung wird in Brasilien, China und derTürkei erwartet. Politische Probleme verlangsamen die Nachfrage in Osteuropa, Nordafrika und im Nahen Osten. Unklar sind die Auswirkungen eines Freihandelsabkommens (TTIP) mit den USA. In den Bereichen Zucker und Stärke produzieren US-Unternehmen deutlich billiger.

Johann Marihart studierte Technische Chemie, Fachrichtung Biotechnologie, an der TU Wien. Seit dem Jahr 1992 ist er Vorstandsvorsitzender der Agrana.

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