Griechenlands Journalisten senden trotzdem

epa03740941 Employees of the Greece state broadcaster ERT keep on working in the control room early morning at the television station's headquarters in Agia Paraskevi after the government announced ERT's closure as of 11 June night, in Athens, Greece, on 12 June 2013. ERT's workforce has occupied the broadcasting company's headquarters in protest against the government's decision. EPA/SIMELA PANTZARTZI
Völlig überraschend werden TV- und Radiokanäle eingestellt. Alle Journalisten wollen streiken.

Es war ein Schock: Am Dienstag verkündete die griechische Regierung, den Staatsrundfunk ERT zu schließen. Die 2600 Mitarbeiter traf die Nachricht ohne jede Vorwarnung. Am selben Abend wurde die letzte Sendung ausgestrahlt. Doch trotz der offiziellen Einstellung fanden die Journalisten einen Weg, weiterzumachen: Der Rundfunk setzte am Mittwoch seine Sendungen auf anderen Kanälen fort. Die ERT-Mitarbeiter nutzten das Internet und den Privatkanal 902 der Kommunistischen Partei zur Übertragung einer Diskussion über das Aus für den Sender. In der Redaktionszentrale im Athener Vorort Aghia Paraskevi versuchten die Journalisten, den Betrieb aufrecht zu halten.

Ansonsten blieben am Mittwoch die Bildschirme leer, die Radios still. Denn die Journalisten traten in den Streik. Auch über die ERT-Sender hinaus gab es seit der Früh keine Nachrichten mehr. "Wir werden solange streiken, bis die Regierung ihren Beschluss zurücknimmt", sagte der Präsident des Verbandes der Athener Zeitungsredakteure (ESIEA), Dimitris Trimis. Wegen des Streiks wird es am Donnerstag in Griechenland auch keine Zeitungen geben.

Auch die griechischen Gewerkschaften haben für Donnerstag einen 24-stündigen Streik ausgerufen. "Wir wollen unsere Solidarität mit den Mitarbeitern des staatlichen Rundfunks zeigen und gegen die inakzeptablen Reformen im öffentlichen Sektor protestieren, die von den Gläubigern gefordert wurden", sagte Generalsekretär Ilias Iliopoulos der Nachrichtenagentur Reuters. Der Präsident der Angestelltengewerkschaft, Pangiotis Kalfagianis, kündigte an, sich der Schließung des Senders zu widersetzen. "Selbst wenn sie die Demokratie zerstören wollen, gelten weiter die Gesetze, und ich werde dafür kämpfen", sagte Kalfagianis. Er kündigte an, bei der europäischen und der griechischen Justiz Klage einzureichen.Auch die Kirche äußerte Kritik. Für die nächsten Tage ist ein Generalstreik geplant.

Die Mitarbeiter sollen eine Abfindung erhalten und sich bei dem neugeplanten Sender, der demnächst mit deutlich weniger Personal den Betrieb aufnehmen soll, um eine Stelle bewerben können.

Neuer Rundfunk

Die Regierung plant statt ERT "einen neuen griechischen Rundfunk", der Ende August nach einer Sanierung wieder den Sendebetrieb aufnehmen soll. "Die ERT schließt nicht. Was schließt, ist ein in Schieflage und auf faule Fundamente gebautes "Bauwerk", sagte Regierungssprecher Simos Kedikoglou. Die neue griechische Hörfunk- und Fernsehanstalt solle nur noch etwa 1.200 Angestellte haben - und NERIT heißen. Die neue Institution werde unabhängig sein. "In Europa gibt es keine Journalisten als Staatsbedienstete", sagte der Regierungssprecher.

Der Gesetzentwurf sieht eine zur Neuregelung von Fernsehen, Radio und Internet vor. Kedikoglou hatte zuvor auf die "unglaublichen Ausgaben" und die "fehlende Transparenz" des alten Senders verwiesen. Der Senderverbund ERT war eine von Gebühren und Werbung finanzierte Institution, die vom Staat kontrolliert wird. Die Gebühren werden direkt mit der Elektrizitätsrechnung kassiert. Die jeweilige Regierung stellt die Direktion der ERT ein.

Kritik in Griechenland an Troika

Die Entscheidung zur Einstellung des ERT wurde nur von der konservativen Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras getragen, nicht aber von ihren linken Koalitionspartnern, der PASOK und der Dimar-Partei. Der Vorsitzende der linksradikalen SYRIZA-Partei, Alexis Tsipras, rief Staatspräsident Carolos Papoulias auf, das Dekret zur Schließung des Senders nicht zu unterzeichnen.

Die griechische Presse vermutet hinter der Entscheidung von Samaras Druck der Troika der Geldgeber. Athen musste bis Ende Juni 2000 Staatsbedienstete entlassen. "Hinrichtung (der ERT) wegen der Troika", kommentierte die linksliberale Zeitung Eleftherotypia.

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, sieht ebenfalls die Geldgeber-Troika und damit auch die EU in der Pflicht. "Was hat das mit Demokratie zu tun, wenn mehr oder weniger die Leute das Gefühl haben, da kommen welche aus Brüssel und sperren uns das Radio und das Fernsehen zu?", fragte er bei einer Sitzung im Straßburger Europaparlament mit EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso und Währungskommissar Olli Rehn.

Die EU-Kommission, neben dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank Teil der Troika, wies jegliche Verantwortung von sich. Entscheidung der Regierung in Athen sei "in voller Autonomie" erfolgt. "Die Kommission hat nicht die Schließung von ERT verlangt, aber die Kommission stellt auch nicht das Mandat der griechischen Regierung infrage, den öffentlichen Sektor zu managen", hieß es in einer Stellungnahme. Die Entscheidung müsse vor dem Hintergrund der Bemühungen gesehen werden, die griechische Wirtschaft zu modernisieren.

ORF reagiert

Auch beim Österreichischen Rundfunk reagierte man schockiert. Als "barbarischen und antidemokratischen Akt" bezeichnete ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz die plötzliche ERT-Schließung. Die Maßnahme erntete auch in der Plenarsitzung des ORF-Publikumsrats am Vormittag massive Kritik, weshalb das Gremium in einem öffentlichen Brief gegen die Stilllegung des staatlichen Rundfunks protestierte. Dies sei "eine Gefahr für den demokratischen Diskurs und die Pressefreiheit in Griechenland" hieß es in dem vom Publikumsrat einstimmig abgesegneten Schreiben, das unter anderem an die griechische Botschaft in Wien und die österreichische Botschaft in Griechenland gehen soll. Auch die Journalisten des ORF zeigten sich in einer Aussendung "bestürzt über die undemokratische Aktion der griechischen Regierung" und drückten den Kollegen bei ERT ihre Solidarität aus.

Als "Anschlag auf die Demokratie und Meinungsfreiheit" werteten die Vorsitzenden der GPA-djp und der Journalistengewerkschaft, Wolfgang Katzian und Franz C. Bauer, sowie ORF-Zentralbetriebsratsvorsitzender Gerhard Moser den Beschluss der griechischen Regierung. Die Vorgangsweise, einen öffentlichen Rundfunksender staatsstreichartig zuzusperren könne keinesfalls widerstandslos hingenommen werden, so Katzian, Bauer und Moser in einer gemeinsamen Aussendung.

Seit Mai 2010 erhält Griechenland Hilfszahlungen von EU und IWF. Im Rahmen dieses Konsolidierungsprogrammes muss Athen bis Ende 2015 15.000 Staatsbedienstete entlassen. Die mit den Geldgebern vereinbarten Privatisierungsziele erreicht die Regierung nach heutigem Stand nicht. Bis Ende September hätten mindestens 1,8 Milliarden Euro über den Verkauf von Staatsbesitz erzielt werden sollen. Grund für das Verfehlen des Ziels ist der gescheiterte Verkauf des staatlichen Gasversorgers Depa. Die Regierung wird die Geldgeber bitten müssen, Privatisierungszusagen für 2013 zurücknehmen zu dürfen und die Einnahmen erst 2014 zu realisieren.

Griechenlands Journalisten senden trotzdem

GREECE STATE TV CLOSURE
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