"Serial" und die Renaissance eines vergessenen Formats

"Serial" und die Renaissance eines vergessenen Formats
Der Erfolg eines Podcasts namens "Serial" könnte in die Zukunft des Radios weisen.

15 Jahre ist die Geschichte bereits alt, mit der die US-Journalistin Sarah Koenig derzeit für Furore sorgt. Am 13. Jänner 1999 wurde die 18-jährige Hae Min Lee in Baltimore erdrosselt - sechs Wochen später fand man ihre Leiche im örtlichen Leakin Park. Der Täter war schneller gefunden. Der damals 17-jährige Adnan Syed, Lees Exfreund, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

In "Serial" arbeitet Sarah Koenig den Fall nun neu auf, befragt Zeugen, besucht Angehörige, telefoniert mit Syeds Mutter und besucht den mittlerweile 32-Jährigen im Gefängnis in Maryland - und sie wirft mit jeder Ausgabe der über mehrere Wochen erzählten Audio-Serie neue Zweifel an dem Schuldspruch auf.

Das ist vielleicht nicht ganz neu – schon 1994 rekonstruierte der Journalist William Finnegan einen realen Fall, sein Text erschien unter dem Titel „Doubt“ im New Yorker - aber es ist außerordentlich gut gemacht. Sehr persönlich, alle Zweifel offen legend, verdichtet mit einem hervorragenden Soundtrack, erzählt die erfahrene Journalistin Koenig von ihren Recherchen. Als Hörereignis entwickelt "Serial" eine geradezu fesselnde Wirkung. Also: Es ist nicht nur der reale Fall, der die Fans in Internetforen (auch durchaus kontrovers) diskutieren lässt.

Neu ist jedenfalls, dass Koenig dies nun seit 3. Oktober wöchentlich tut – und damit einen echten Überraschungserfolg gelandet hat. Rund 1,6 Millionen Menschen laden den Podcast allein auf iTunes herunter. Innerhalb von nur vier Wochen war die 5-Millionen-Grenze erreicht. In der kleinen Podcast-Welt - das Format wurde ab 2001 parallel zum iPod bekannt – gleicht das einem Erdrutsch.

Und auch der Vergleich beeindruckt. Taylor Swift – die aktuell erfolgreichste Künstlerin auf iTunes verkaufte ihr Album in den ersten beiden Wochen 2 Millionen Mal.

Verspäteter Welthit

Um 25 Prozent stiegen die Podcast-Downloads in den vergangenen zwei Jahren – der Erfolg von "Serial" ist symptomatisch. Die Entwicklung erinnert an Streamingdienste, die Fernseh- und Kinoproduktionen online jederzeit abrufbar machen und damit aktuell den TV-Markt aufmischen. Durch die einfachere Bedienung via Smartphones und Tablets prophezeien Kommentatoren wie Allen Carr in der New York Times parallel zu Netflix und Co. nun auch einen wachsenden Einfluss der Podcasts auf das Muttermedium Radio. Eine Fortsetzungsgeschichte, die über mehrere Wochen hinweg erzählt wird? Vielleicht wird das in Zukunft auch im Radio zu hören sein.

Bei aller Euphorie: ein Geschäftsmodell haben auch die Macher von "Serial" noch nicht gefunden. Die vorläufige Antwort lautet - wie so oft in letzter Zeit - "Crowdfunding". Sprich: Die Fans sollen eine mögliche zweite Staffel von "Serial" möglichst selbst finanzieren. Ob das gelingt? Auf "Kickstarter“ – der bekanntesten dieser Plattformen kam ein vergleichbares Podcast-Projekt zuletzt auf doppelt so viele Unterstützer wie Online-Nachrichtenseiten. Es heißt also abwarten. Am 4. Dezember geht erst einmal die zehnte Folge der ersten Staffel online.

serialpodcast.org

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