Der ORF ist fester denn je in den Händen von Rot und Schwarz

Ein letztes Mal Vorsitzende: Brigitte Kulovits-Rupp (links neben ORF-Chef Alexander Wrabetz) wurde auf Wunsch der SPÖ abgewählt.
Das oberste ORF-Gremium bekam mit Dietmar Hoscher einen neuen Chef. Die SPÖ setzte sich mit ihrer "Vorgabe" durch.

So klein kann die Große Koalition gar nicht sein, dass sie im ORF die größte Mehrheit aus der Hand gäbe. Das zeigte sich zuletzt im neuen ORF-Stiftungsrat, wo am Mittwoch die bisherige Vorsitzende Brigitte Kulovits-Rupp wie zu erwarten abgewählt worden ist. Neuer Vorsitzender mit 29 von 35 Stimmen wurde Dietmar Hoscher, der auf einem Ticket der SPÖ in das oberste ORF-Gremium eingezogen ist und als Vorgabe der Partei an ihren „Freundeskreis“ gilt. Im vorgeblich entpolitisierten ORF heißen so die informellen Fraktionszusammenschlüsse von Rot und Schwarz (die übrigen Parteien haben nur jeweils einen Vertrauten im Stiftungsrat sitzen).

Kulovits-Rupp hatte im Vorfeld für Wirbel gesorgt, weil sie transparent gemacht hatte, was so nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war: „Dass in der Frage der Kandidatur für den Vorsitz eine ,nicht diskutierbare‘ Vorgabe präsentiert wurde, hat mir ein solidarisches Mittragen unmöglich gemacht“, so Kulovits-Rupp am Montag. Sie trat demonstrativ aus dem SPÖ-„Freundeskreis“ aus.

Hoscher verwahrte sich am Mittwoch entschieden dagegen, eine solche Vorgabe zu sein: „Das geht rechtlich nicht, und das ist auch de facto nicht passiert“, sagte der frisch bestellte neue Vorsitzende nach der konstituierenden Sitzung. „Ich war weder in dieser noch einer anderen Funktion einer Partei verpflichtet.“ Woher kommt dann die hartnäckige Zuschreibung, er sei ein Wunsch der SPÖ-Führung? Er sei von der Partei für den Stiftungsrat nominiert worden, so Hoscher: „Das ist meine Beziehung zur SPÖ.“ Und: „Wenn Sie es wissen wollen, es ist kein Geheimnis, weil das meine ganze Familie auch war: Ja, ich bin SPÖ-Mitglied und damit hat es sich.“

Kampfabstimmung

Auf sechs Stimmen musste Hoscher bei seiner Wahl verzichten, denn NEOS-Stiftungsrat und ORF-Reformer Hans Peter Haselsteiner ließ nach seiner Kritik an dem SPÖ-Wunsch im KURIER auch im Gremium nicht locker: Er nominierte überraschend Kulovits-Rupp zur Vorsitzenden. Er erhielt prompt eine Lehrstunde in Sachen Fraktionsdisziplin: Sie bekam bloß drei Stimmen – jene Haselsteiners, die des Grünen Stiftungsrates Wilfried Embacher und die des Team Stronach-Stiftungsrates Günter Leitold. Drei Mandatare, (Kulovits-Rupp, Margit Hauft aus Oberösterreich und Josef Resch aus Tirol) enthielten sich.

Für Haselsteiner, der mit den NEOS vehement für eine Entpolitisierung des ORF eintritt, Wasser auf die Mühlen: „Ziemlich traurig. Der Beweis dafür, dass das Gremium politisch gesteuert ist“, sagte er.

Ausschüsse an VP

Neben dem Vorsitzenden Hoscher wurde Franz Medwenitsch, bisher Koordinator des ÖVP-„Freundeskreises“, zum Stellvertreter gewählt. Er wird auch den Programmausschuss leiten. Den Finanzausschuss übernimmt Thomas Zach, der neuer ÖVP-„Freundeskreis“-Leiter ist. Sein Pendant im SPÖ-„Freundeskreises“ ist Karin Gutierrez-Lobos. Nach dem Ausscheren von Kulovits-Rupp verfügen nun beide „Freundeskreise“ über je 13 Mitglieder im obersten ORF-Gremium.

Vor 14 Jahren ist der ORF mit großen Worten entpolitisiert worden. Hinter den Kulissen haben sich die Parteien seither umso hartnäckiger eingenistet. Wie sich die Politik ihren Einfluss im Stiftungsrat sichert, enthüllt am besten der Blick auf die Details. Weil im ORF laut Gesetz keine Politiker mehr erlaubt sind, traten an ihre Stelle Vertraute von Politikern; an die Stelle von Fraktionen traten informelle „Freundeskreise“. Informell sind die Gruppen deswegen, weil es die Politik im entpolitisierten ORF ja eigentlich nicht gibt. Logisch, oder?

In dieser Parallelwelt geht es kurioserweise als ebenso logisch wie angemessen durch, dass es „Freundeskreise“ zwar nicht gibt, ihren „Koordinatoren“ aber bisher mehr Aufwandsentschädigung zustand als den regulären Gremienkollegen. Dieser bemerkenswerte Umstand, der sich Unbedarften nur über ein kompliziertes Konstrukt aus Eigen- und Fremdtäuschung erklären lässt, wurde am Mittwoch auf Antrag des Grünen-Stiftungsrates Wilfried Embacher abgeschafft.

Den Vorsitz führte da übrigens schon der neue Vorsitzende des Stiftungsrates, Dietmar Hoscher, der in seiner Person ebenfalls viele Widersprüchlichkeiten der „Entpolitisierung“ vereint. Er gilt als lupenreiner Parteikarrierist, als „Fixstern im roten Wien“ und saß in seiner bisher offensichtlichsten politischen Funktion für die SPÖ im Nationalrat.

Dass ihm zu seiner Beziehung zur Partei auf Nachfrage wenig mehr einfiel, als dass er eben Mitglied sei, lädt nicht sonderlich dazu ein, dem Entpolitisierungsmythos weiter auf den Leim zu gehen. Die versprochene ORF-Reform lässt unterdessen weiter auf sich warten.

KURIER: Sie fordern gemeinsam mit den Neos eine ORF-Reform. Wie wollen Sie die als Stiftungsrat vorantreiben? Das wäre doch die Aufgabe der Regierung.

Hans Peter Haselsteiner: Eine ORF-Reform ist versprochen. Sowohl Herr Spindelegger wie auch Herr Faymann haben gesagt: Jawohl, sie bekennen sich zu einem unabhängigen politikfernen österreichischen Rundfunk. Das werden wir im Stiftungsrat diskutieren. Es sollte irgendetwas auf dem Tisch liegen, das die Meinung des Stiftungsrates widerspiegelt.

Nach Medienberichten soll Alexander Wrabetz bereits seine dritte Amtszeit vorbereiten. Hielten Sie das für unterstützenswert?

Schon allein unsere Grundauffassung ließe es nicht zu, dass man so etwas "vorbereitet". Man kann sich bewerben, und dann gibt es ein hoffentlich kompetentes und politikfernes Gremium.

Jüngst kursierte der Plan einer rot-schwarzen Doppelspitze.

Wenn die Koalition das macht, kann ich den Oppositionsparteien nur gratulieren. Dann ist die Entlarvung hundertprozentig geglückt. Ein neues ORF-Gesetz versprechen – und das ist das Ergebnis? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese politische Packelei unterstützt. Wobei das keine Disqualifikation der handelnden Personen ist. Ich will mich nicht äußern, ob Herr Wrabetz gut oder schlecht ist. Oder ob Herr Grasl gut oder schlecht ist. Die Schwäche in der öffentlichen Wahrnehmung des Generaldirektors ist ja die mögliche, gar nicht die tatsächliche politisch geschobene Bestellung. Ich sage nicht, dass Wrabetz das eingefädelt hat. Aber es wäre möglich, dass er ein ausschließlich politisch bestellter Manager ist.

Neo-Stiftungsrat Herbert Fechter vertrat als Künstlermanager ORF-Stars. Er übergab die Firma jetzt an seine Frau. Andere treten regelmäßig im TV auf. Was sagen Sie dazu?

Ohne die Fälle einzeln zu kennen: Österreich ist kein Land mit einer großen und herzeigbaren Tradition in Sachen Interessenskonfliktvermeidung. Eines allerdings sollte man sagen: Wenn es konfliktbehaftet ist, dann ist es keine Lösung zu sagen: "Das macht jetzt meine Frau." Für so blöd kann man eigentlich niemanden halten.

Hatten Sie jemals geschäftlichen Kontakt mit dem ORF?

Null. Ich inseriere nicht einmal.

Dietmar Hoscher, auf einem Mandat der SPÖ entsendet, soll auf Wunsch der Partei Vorsitzender des Stiftungsrates werden. Wie finden Sie eine solche SP-Order an den Küniglberg?

Der ORF ist fester denn je in den Händen von Rot und Schwarz
APA18230000 - 07052014 - WIEN - ÖSTERREICH: SPÖ-Parteienvertreter Dietmar Hoscher (R.) und Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner vor Beginn des ORF-Stiftungsrates am Mittwoch, 7. Mai 2014, im ORF-Zentrum in Wien. Heute findet die konstituiernde Sitzung des ORF-Stiftungrates statt. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Wenn es so wäre, dann wird er meine Stimme jedenfalls nicht kriegen. Ich weiß aber nicht, ob das in irgendeiner Form nachweisbar wäre.

Was machen Sie, wenn in der heutigen ersten Sitzung des neuen Stiftungsrates Herr Hoscher bestellt wird?

Wenn das so stimmt, wie das berichtet wird, würde ich aufstehen und sagen: "Lieber Herr Hoscher, Sie sind nicht wählbar, weil die Löwelstraße eine Weisung ausgesprochen hat. Kandidieren Sie gar nicht!" An alle anderen müsste man appellieren: "Ein Kandidat mit einer Weisung aus der Parteizentrale ist eigentlich unwählbar. Das ist ja eine direkte Einflussnahme."

Was halten Sie von der Standortentscheidung Küniglberg?

Ich glaube, dass die Entscheidung für den Küniglberg eine ist, die man mittragen kann.

Dürfte die Strabag vom ORF Bauaufträge annehmen, wenn Sie im Stiftungsrat sitzen?

Ich würde mich natürlich der Stimme enthalten, sofern das überhaupt Thema im Stiftungsrat wäre. Zum Zug käme die Strabag ohnehin nur als billigster Anbieter. Wenn der Stiftungsrat im Fall des Falles sagen würde: Wir nehmen den teureren, weil der Haselsteiner bei uns im Gremium sitzt: viel Spaß.

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