Sehr österreichische Figuren
Ein iranischer Atomphysiker wird vor einem Wiener Hotel tot aufgefunden. Todesursache: Fenstersturz. Eher nicht freiwillig. Eisner und Fellner, diesmal mehr mit dem Mordfall als mit ihren persönlichen Befindlichkeiten befasst, ermitteln: Eine mysteriöse Frau kreuzt ihre Wege, und bald stellt sich heraus, dass auch der österreichische Lobbyist Graf Trachtenfels-Lissé (großartig: Udo Samel) etwas – wenn nicht viel – mit der Sache zu tun hat. Für Eisner und Fellner ist es der zehnte gemeinsame Fall; Regisseur Thomas Roth hat mit "Deckname Kidon" (20.15 Uhr, ORF2) seinen sechsten "Tatort" gedreht.
KURIER: Wie groß ist Ihr Ehrgeiz, mit den Schauspielern an der Weiterentwicklung der doch schon sehr etablierten "Tatort"-Figuren zu arbeiten?
Thomas Roth: Das hängt vom Stoff ab und davon, wie sehr sie das zulassen. Die Figur des Moritz Eisner kennt man ja schon sehr gut, da geht es für mich eher darum, Facetten zu zeigen, die man bisher nicht gesehen hat.
Welche wären das hier?
Eisner war über die voran gegangenen Folgen hinweg in einer Phase, in der die Figur häufig übellaunig und grantig herumgelaufen ist. Bei uns ist er wieder ein bisschen weicher geworden und eine Spur humorvoller.
Auch Bibis Alkoholproblem wird nur ganz kurz thematisiert.
Man muss ja nicht jede Seite immer so breit auswalzen in jeder Folge. Das unausgesprochene Wort im Film ist ja oft mehr wert als das gesprochene.
Einen schönen Gastauftritt hat Udo Samel. Wem ist seine Figur nachempfunden?
Das ist eine sehr österreichische Figur, die hier interessanterweise von einem Deutschen gespielt wird. Wenn man sich anschaut, wie viele Politiker aus einer bestimmten Regierungszeit mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind oder sogar in Haft sitzen, dann sieht man, dass so eine Figur gar nicht so aus der Luft gegriffen ist. Personen, die am Rande der Legalität mit heißen Feuern spielen, gibt es in Österreich genug .
Es gibt im Moment einen "Tatort"-Boom. Wie schätzen Sie die Qualität des Gebotenen ein?
Es ist ja lustig, dass sich das jetzt so umgedreht hat. Unter dem jüngeren Publikum finden sich mittlerweile große "Tatort"-Fans. Früher war der Satz "Das schaut aus wie ein "Tatort" von Kritikern als eine Beleidigung zu verstehen. Es gibt so unterschiedliche Folgen. Manche sind interessant, andere weniger. Der deutsche Humor tut sich bei mir ein bisschen schwer, ich glaube, der österreichische ist breitenwirksamer. Aber im Rahmen des "Tatort" wird viel experimentiert, das finde ich gut für das Fernsehen im Allgemeinen .
Was schätzen Sie mehr, das vielleicht missglückte Experiment oder das solide Handwerk?
Das kann man schwer sagen. Entweder zieht der Film einen mit oder nicht. Der Zuschauer fragt sich nicht, ist das experimentell, unterhaltsam oder spannend. Wenn’s funktioniert, funktioniert’s. Mir sind die Filme näher, in denen "State-of-the-Art-of- Moviemaking" zum Programm gehört. Ich bin nicht so ein Fan von laienhaftem Fotografieren von Filmen.
Wo liegt für Sie das Faszinosum "Tatort" – auch als Macher, der innerhalb gewisser Genregrenzen agieren muss?
Es gibt ja nicht mehr so viele Genregrenzen. Früher war das anders. Jetzt ist es ein offenes Feld, in dem sehr viel möglich ist – in der Hinsicht ist auch die Arbeit mit der Redaktion des ORF sehr angenehm. Schön ist auch, dass es ein Programm ist, das von sehr vielen Leuten gesehen wird. Das ist für jemanden, der Filme macht, immer toll.
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