"Lügenpresse" ist deutsches "Unwort des Jahres"

Der Kampfbegriff wurde bereits im Ersten Weltkrieg verwendet. Derzeit wird er von Pegida strapaziert.

Lügenpresse" ist das "Unwort des Jahres 2014" in Deutschland. Das teilte die "Unwort"-Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt (Hessen) mit. Das Schlagwort "war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien", hieß es zur Begründung.

Pegida

Das (Un-)Wort gehört auch zum Vokabular der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Deutschland. "Mit dem Ausdruck 'Lügenpresse' werden Medien pauschal diffamiert", sagte Janisch. "Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit."

Einem Großteil der sogenannten besorgten Bürger, die den Begriff seit dem vorigen Jahr skandierten und auf Transparenten trügen, sei dies vermutlich nicht bewusst. Das mache den Ausdruck "zu einem besonders perfiden Mittel derjenigen, die ihn gezielt einsetzen". Das Unwort wurde von vier Sprachwissenschaftlern und zwei Journalisten ausgesucht.

"Russland-Versteher"

Gerügt wurden von der Jury auch die Bezeichnungen "erweiterte Verhörmethoden" und "Russland-Versteher". Mit den "erweiterten Verhörmethoden" etwa des US-Auslandsgeheimdienstes CIA sei nichts anderes als Folter gemeint. Der Begriff "Russland-Versteher" war in der außenpolitischen Debatte über den Konflikt in der Ukraine und die Rolle Russlands aufgekommen. Das positive Wort "verstehen" werde in diesem Zusammenhang diffamierend verwendet und ohne die Ironie, wie sie etwa hinter der analogen Wortbildung "Frauen-Versteher" stehe.

In Österreich steht das Unwort bereits seit Dezember des Vorjahres fest. Gewählt wurde "Negerkonglomerat", das der ehemalige FPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Mölzer in einer Wahlkampfrede verwendet hat.

Die Wörter und Unwörter des Jahres 2014 in Österreich:

Experten der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) stufen "Lügenpresse" und andere Ausdrücke als "ideologisch sehr bedenklich ein". Der Begriff war bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geläufig, gehörte später auch zum gängigen Vokabular der Nationalsozialisten. Als "Lügenpresse" wurden Medien verunglimpft, die als unpatriotisch galten und die nationale Interessen - also im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung - angeblich zu wenig vertraten. Der Begriff wurde aber nicht nur von den Nationalsozialisten gebraucht. Auch in der DDR und anderen sozialistischen Ländern war das Wort von der "westlichen Lügenpresse", die sich kritisch mit Vorgängen in diesen Ländern auseinandersetzte, geläufig.

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