Lorenz zum Abschied: "War ein Unruhestifter"

Wolfgang Lorenz geht in Pension, Kathrin Zechner wird Fernsehdirektorin: „Ich bin unglaublich erfolgssüchtig“, sagt Lorenz im Interview.
Interview: Nach 42 Jahren ORF geht Wolfgang Lorenz, streitbarer Programmdirektor, in Pension. "Ich habe noch viele Gewitter im Gehirn", sagt er.

Wolfgang Lorenz findet sich heute gar nicht interessant. „Interessant ist doch nicht der, der geht, sondern der, der kommt“, sagt er. Insofern müsste hier jetzt ein Text über Kathrin Zechner stehen. Sie ist die, die kommt. Er ist der, der geht.

Wolfgang Lorenz verfügt sich nach 42 Jahren ORF („hauptsächlich als Chef“) in Pension. „Ich bin ein Unruhestifter gewesen“, sagt er, stolz darauf, dass der ORF „sogar wen wie mich aushält“. Natürlich findet sich Wolfgang Lorenz selbst schon grundinteressant. Auch das ist einer der Widersprüche, die zu ihm gehören.

Er war nie bei einer Partei, immer streitbar, einer, der Macht als Machen-Können versteht; als Möglichkeit, Gesellschaft zu gestalten. Mit dem „Mundl“ hat er „das Proletenfernsehen erfunden“. Dazu die „Kunststücke“ mitinitiiert, um nur zwei Eckdaten zu nennen. Lorenz, Jahrgang 1944, Sohn eines Kärntner Journalistenpaares, Kunstsammler und Maler aus Leidenschaft ist kein Festhalter, sondern einer, der auch nach Jahrzehnte noch grübelt, warum das Hauptabendprogramm um 20.15 Uhr anfängt. Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Daher eine andere:

Lorenz zum Abschied: "War ein Unruhestifter"

KURIER: Am Mittwoch ist Ihr letzter Arbeitstag. Werden Sie jetzt Ihren Fernsehapparat abmelden? Wolfgang Lorenz: Das wäre ja noch trauriger! Dann hätte ich ja erschöpft die Tage bis zur Pension gezählt. Was – wie jeder weiß – nicht der Fall ist. Selbstverständlich ist Fernsehen wie Kultur ein Lebensmittel von mir. In welchen Portionen es gegessen wird, hängt davon ab, wie gut das Programm sein wird.

42 Jahre ORF, wie viele Generaldirektoren hatten Sie? Hm, alle?

Man weiß, Sie sind ein Bacherianer. Gibt es Generaldirektoren, die Sie lieber nicht erlebt hätten? Das ist wie im Burgtheater: Nur, weil einer jeden Tag Programm gespielt hat, ist er noch nicht gut. (lacht) Im Ernst: Ich hatte die große Chance und Kraft, immer bei mir zu bleiben. Natürlich gab es Einflüsse, aber ich musste mich nie verbeugen oder verbiegen. Meine Chefs haben gemerkt, dass ich anders bin. Ich war allen immer ein bisschen unheimlich, ein Exot, der Krach macht. Aber ich war ein geschlossenes System, das an andere andockbar war. Also sind sie immer wieder zu mir zurückgekommen. Auch wenn ich ihnen auf die Nerven gegangen bin.

Wieviele Jobs hatten Sie? Keine Ahnung, ich bin nicht interessiert an meiner Biografie, an meiner Vergangenheit. Ich weiß nur, dass ich ungefähr fünf Mal Intendant, Direktor oder so was Ähnliches war.

Sie haben bei Ihrem Abschiedsfest gesagt: Ich habe einfach meinen Job gemacht. War es einfach ein Job? Ja, es ist ein Job. Man darf aus dem Wort aber keine Kaltschnäuzigkeit ableiten. Ich hätte nicht auch Leichenbestatter sein können. Es war der Job, der alles bietet, was ich mir im Berufsleben gewünscht habe. Fernsehen ist eine heiße, tolle Nummer. Da muss man sich bedanken, dass man das machen durfte.

Was ist daran heiß und toll? Ich bin für einen Direktor ja an sich völlig ungeeignet. Ich bin unvernetzt, ich gehe nirgends hin, wo sich das offiziöse Wien versammelt, weil mir das zuwider ist. Ich war immer Bandenchef und hatte treue Bandenmitglieder . Oder, wenn man so will: Ich war Räuberhauptmann und hatte wunderbare Räuber. Anderes Beispiel: Zum runden Geburtstag von Kreisky hat eine unglaubliche Adoration eingesetzt. Ich kannte den gut, nicht zuletzt von den Kriegen zwischen Gerd Bacher und Kreisky. Ich fand diese Heldenverehrung fehl am Platz, man könnte doch auch einfach sagen: Kreisky hat seinen Job als Bundeskanzler gemacht, und seither hat ihn keiner mehr gemacht.

KURIER: Heute ist Ihr letzter Arbeitstag. Werden Sie jetzt Ihren Fernsehapparat abmelden?Wolfgang Lorenz: Das wäre ja noch trauriger! Dann hätte ich ja erschöpft die Tage bis zur Pension gezählt. Was – wie jeder weiß – nicht der Fall ist. Selbstverständlich ist Fernsehen wie Kultur ein Lebensmittel von mir. In welchen Portionen es gegessen wird, hängt davon ab, wie gut das Programm sein wird.42 Jahre ORF, wie viele Generaldirektoren hatten Sie? Hm, alle?Man weiß, Sie sind ein Bacherianer. Gibt es Generaldirektoren, die Sie lieber nicht erlebt hätten? Das ist wie im Burgtheater: Nur, weil einer jeden Tag Programm gespielt hat, ist er noch nicht gut. (lacht) Im Ernst: Ich hatte die große Chance und Kraft, immer bei mir zu bleiben. Natürlich gab es Einflüsse, aber ich musste mich nie verbeugen oder verbiegen. Meine Chefs haben gemerkt, dass ich anders bin. Ich war allen immer ein bisschen unheimlich, ein Exot, der Krach macht. Aber ich war ein geschlossenes System, das an andere andockbar war. Also sind sie immer wieder zu mir zurückgekommen. Auch wenn ich ihnen auf die Nerven gegangen bin.Wieviele Jobs hatten Sie? Keine Ahnung, ich bin nicht interessiert an meiner Biografie, an meiner Vergangenheit. Ich weiß nur, dass ich ungefähr fünf Mal Intendant, Direktor oder so was Ähnliches war. Sie haben bei Ihrem Abschiedsfest gesagt: Ich habe einfach meinen Job gemacht. War es einfach ein Job? Ja, es ist ein Job. Man darf aus dem Wort aber keine Kaltschnäuzigkeit ableiten. Ich hätte nicht auch Leichenbestatter sein können. Es war der Job, der alles bietet, was ich mir im Berufsleben gewünscht habe. Fernsehen ist eine heiße, tolle Nummer. Da muss man sich bedanken, dass man das machen durfte.Was ist daran heiß und toll? Ich bin für einen Direktor ja an sich völlig ungeeignet. Ich bin unvernetzt, ich gehe nirgends hin, wo sich das offiziöse Wien versammelt, weil mir das zuwider ist. Ich war immer Bandenchef und hatte treue Bandenmitglieder . Oder, wenn man so will: Ich war Räuberhauptmann und hatte wunderbare Räuber. Anderes Beispiel: Zum runden Geburtstag von Kreisky hat eine unglaubliche Adoration eingesetzt. Ich kannte den gut, nicht zuletzt von den Kriegen zwischen Gerd Bacher und Kreisky. Ich fand diese Heldenverehrung fehl am Platz, man könnte doch auch einfach sagen: Kreisky hat seinen Job als Bundeskanzler gemacht, und seither hat ihn keiner mehr gemacht.Man hat Ihnen immer wieder vorgeworfen, dass Sie mit Castingshows Privatfernsehen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen machen... Die „Große Chance“ war der allergrößte Erfolg von allen Castingshows. Da haben wir gezeigt, wie man das machen kann: Da wurde niemand vorgeführt, nur aufgeführt, da gab es keine Opfer, nur Gewinner. Wobei ich gar nichts vom dualen System halte: hier die Privaten, da das öffentlich-rechtliche TV. Die Privaten lassen die Hose runter, während wir nicht das Zumpferl zeigen dürfen, sondern doppelte Gürtel tragen müssen – mit Schwarzblenden und Bildungsinhalten. Ich glaube, Private gegen Öffentlich-Rechtliche und umgekehrt ist ein Grundmissverständnis und wird sich auch ändern.

"Die Privaten lassen die Hose runter, während wir nicht das Zumpferl zeigen dürfen"

Lorenz zum Abschied: "War ein Unruhestifter"

Man hat Ihnen immer wieder vorgeworfen, dass Sie mit Castingshows Privatfernsehen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen machen... Die „Große Chance“ war der allergrößte Erfolg von allen Castingshows. Da haben wir gezeigt, wie man das machen kann: Da wurde niemand vorgeführt, nur aufgeführt, da gab es keine Opfer, nur Gewinner. Wobei ich gar nichts vom dualen System halte: hier die Privaten, da das öffentlich-rechtliche TV. Die Privaten lassen die Hose runter, während wir nicht das Zumpferl zeigen dürfen, sondern doppelte Gürtel tragen müssen – mit Schwarzblenden und Bildungsinhalten. Ich glaube, Private gegen Öffentlich-Rechtliche und umgekehrt ist ein Grundmissverständnis und wird sich auch ändern.

Wie stellen sich Programmmacher denn ihr Publikum vor? Es ist die falsche Haltung, sich die Zuschauer als möglichst große Gruppe an Gebührenzahlern vorzustellen. Genauso wie Politik nicht die größtmögliche Anzahl von Wählern ist. Die Politik hat keine Vorstellung von Gesellschaft mehr. Es sind nur Überlebensmodelle, keine Lebensmodelle. Der ORF sollte daher auch Lebensmodelle befördern und den Leuten weniger Angst als Mut auf ihr eigenes Leben machen.

Das klingt sehr humanistisch. Sie gelten als Zyniker. Ich bin kein Zyniker. Ich formuliere nur manchmal scharf. Ein Zyniker ist ein Menschenverachter. Und das bin ich nicht, sonst könnte ich meinen Beruf gar nicht ausüben. Das wäre schrecklich, wenn man sagen würde: Publikum ist einem wurscht, die Leute sollen zuschauen und zahlen.

Hat Fernsehen Zukunft? Fernsehen ist immer noch das wärmste Medium in der Familie, ein elektronisches Lagerfeuer, um das man sich versammeln kann. Es ist auch ein Mittel gegen Vereinsamung. Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft in Kokons zerfällt, es findet eine starke Abkapselung statt. Das Fernsehen ist eine Chance gegen die Atomisierung der Familie, gegen diese Vereinsamung. Fernsehen kann ein Bindemittel für die Gesellschaft sein, ein positiver Kitt. Das muss ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk tun: Ansonsten kann er nicht den Anspruch erhalten, ein Leitmedium zu sein.

Was hat Sie in Ihrem Berufsleben angetrieben? Zweierlei: Ich bin unglaublich erfolgssüchtig. Wobei ich mir selbst gerne mit mir ausmache, was Erfolg ist. Ein Programm mit 100.000 Zuschauern ist manchmal erfolgreicher als eines mit einer Million. Oder der Kulturmontag: der ist ein europäisches Wunder. Fast jeden Montag der Marktführer. Oder eine Doku über ein wichtiges Thema der Demokratie um 23 Uhr ist schon deshalb ein Erfolg, weil wir sie zeigen: Das Angebot selbst ist ein Erfolg.

Wie stellen sich Programmmacher denn ihr Publikum vor? Es ist die falsche Haltung, sich die Zuschauer als möglichst große Gruppe an Gebührenzahlern vorzustellen. Genauso wie Politik nicht die größtmögliche Anzahl von Wählern ist. Die Politik hat keine Vorstellung von Gesellschaft mehr. Es sind nur Überlebensmodelle, keine Lebensmodelle. Der ORF sollte daher auch Lebensmodelle befördern und den Leuten weniger Angst als Mut auf ihr eigenes Leben machen.Das klingt sehr humanistisch. Sie gelten als Zyniker. Ich bin kein Zyniker. Ich formuliere nur manchmal scharf. Ein Zyniker ist ein Menschenverachter. Und das bin ich nicht, sonst könnte ich meinen Beruf gar nicht ausüben. Das wäre schrecklich, wenn man sagen würde: Publikum ist einem wurscht, die Leute sollen zuschauen und zahlen.Hat Fernsehen Zukunft? Fernsehen ist immer noch das wärmste Medium in der Familie, ein elektronisches Lagerfeuer, um das man sich versammeln kann. Es ist auch ein Mittel gegen Vereinsamung. Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft in Kokons zerfällt, es findet eine starke Abkapselung statt. Das Fernsehen ist eine Chance gegen die Atomisierung der Familie, gegen diese Vereinsamung. Fernsehen kann ein Bindemittel für die Gesellschaft sein, ein positiver Kitt. Das muss ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk tun: Ansonsten kann er nicht den Anspruch erhalten, ein Leitmedium zu sein.Was hat Sie in Ihrem Berufsleben angetrieben? Zweierlei: Ich bin unglaublich erfolgssüchtig. Wobei ich mir selbst gerne mit mir ausmache, was Erfolg ist. Ein Programm mit 100.000 Zuschauern ist manchmal erfolgreicher als eines mit einer Million. Oder der Kulturmontag: der ist ein europäisches Wunder. Fast jeden Montag der Marktführer. Oder eine Doku über ein wichtiges Thema der Demokratie um 23 Uhr ist schon deshalb ein Erfolg, weil wir sie zeigen: Das Angebot selbst ist ein Erfolg.

"Ich will jetzt wissen, wie sich Freiheit anfühlt"

Und das zweite? Ich wollte immer geliebt werden. Wir Fernseh- und Rundfunkmenschen kochen mit Herzblut. Wir brauchen die Anerkennung im Team und vom Publikum. Es ist manchmal sehr schwer, das Produkt herzustellen. Es ist 45 Minuten am Sender, und dahinter stecken Monate an existenziellen Kämpfen. Und dafür will ich respektiert und wenn es hoch geht, geliebt werden. Der Küniglberg ist in seiner Verfasstheit Stadttheater Baden mal 100. Lauter zarte Seelchen. die um jeden Schnitt kämpfen.

Sie haben vor Ihren Kollegen selbst diagnostiziert, von Ihnen wird hauptsächlich der Sager „Scheiß Internet“ und der „Mitten im Achten“-Flop übrig bleiben. Da darf man nicht wehleidig sein. Man könnte auch die „Kunststücke“ nennen oder die „Donnerstag Nacht“-Schiene. Ich erinnere mich fast nur an positive Dinge, die Gesellschaft tut das Gegenteil: Sie erinnert sich an Unfälle, Skandale, Verunfallungen. Die sind eingekerbt wie ein Herzerl in einem Baum.

Was werden Sie in Ihrer Pension machen? Ich habe darüber nicht nachgedacht, weil ich zu beschäftigt bin. Das ist Neuland für mich, bitte in einem halben Jahr nachzufragen. Aber das wird niemand tun.

Es gäbe Kulturposten... Ja, viele Leute wollen jetzt mit mir reden. Aber ich will jetzt wissen, wie sich Freiheit anfühlt. Seit meinem 18. Lebensjahr arbeite ich, davor habe ich in der Schule gelitten. Ich weiß gar nicht, wie Freiheit ist. Vielleicht ist sie wunderbar. Ich habe immer noch viele Gewitter im Gehirn und weiß gar nicht, wohin damit. Ich will nicht mit einem Posten künstlich beatmet werden. Ich atme jetzt lieber selber mal durch.

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