Kathrin Zechner: "Absolut. Das kann ich"

Kathrin Zechner will weiter Programm machen: „Die Generaldirektion hingegen ist nicht meines“
Die Fernsehdirektorin im ausführlichen Gespräch

Kathrin Zechner möchte über die ORF-Wahl hinaus Fernsehdirektorin bleiben. Und sie hat mehr Ideen, als sie realisieren kann. Geplant sind u. a. eine Vorabend-Soap und die Serie „Männerschmerzen“.

Die ORF-Generaldirektion steht zur Disposition. Wären Sie interessiert?

Kathrin Zechner: Ich bin gerne eine starke Fernsehdirektorin.

Auch in der Zukunft? Absolut. Das kann ich.

Gerüchte besagen, dass eine Gruppe um Armin Wolf Sie als Generaldirektorin haben will. Ohne mein Zutun. Ich mache das, was ich – auch erwiesenermaßen – kann, richtig gerne. Und das ist die Fernsehdirektion. Ich lebe und atme Programm in jeglicher Hinsicht. Ich habe die ehemaligen Direktionen Programm und Information zusammengeführt, dadurch haben sich neue Perspektiven aufgetan: Heute ergänzen sich zum Beispiel ein Spielfilm, eine Doku, eine Diskussion und eine Reportage zu einem bestimmten Thema. Wir schaffen damit ein intelligentes, vielfältiges Angebot. Das macht mich glücklich. Die Generaldirektion hingegen ist nicht meines.

Ist Alexander Wrabetz die richtige Besetzung über 2016 hinaus? Er hat zwei Perioden Erfahrung. Die Entscheidung treffen aber die Stiftungsräte, nicht ich.

Sie haben als Fernsehdirektorin keine Hoheit über das Budget. Ist das nicht problematisch? Ich habe die Hoheit über mein Jahresbudget. Natürlich ist der Budgetfindungsprozess kein Spaziergang, sondern ein Ringen. Aber das ist schon in Ordnung.

Es gibt aber auch immer wieder nicht budgetierte Sonderprojekte. Das stimmt. Wenn wir aus aktuellem Anlass eine gute Idee haben oder weil ein fiktionales Projekt schneller als gedacht entwickelt ist, stellt sich die Frage, wie wir das Problem lösen: Geht das intern – oder mit der kaufmännischen Direktion bzw. mit der Generaldirektion? Das Politikformat "Wahlfahrt" zum Beispiel war nicht geplant. Daher gab es eben einen Verhandlungsprozess. So what?

Was wären Ihre Wünsche für die Zukunft als Fernsehdirektorin?Ich möchte immer wieder Akzente setzen können. Sonst wären "ZiB 2 History", "DOKeins", die "Vorstadtweiber" oder der Song Contest in Wien nicht entstanden. Manches bleibt ein Akzent, anderes wird ein Leuchtturm oder ein Brand. Und darum geht es.

Die nächsten Akzente? Wir arbeiten zum Beispiel an einem ergänzenden Produkt zur "ZiB" auf Facebook. Dieses Tool hat richtig guten Zuspruch und uns daher zu einer Weiterentwicklung ermuntert. Die brennende Frage ist, wie man im digitalen Bereich Nachrichten in der Qualität, die wir uns vorstellen, verbreiten kann.

Der ORF darf auf den digitalen Plattformen aber nur sendungsbegleitend agieren. Mein Wunsch ist es natürlich, dass wir auch im digitalen Bereich dem Versorgungsauftrag nachkommen dürfen. Die gegenwärtige Einschränkung sollte daher abgeschafft werden. Unsere größte Konkurrenz sind ja nicht die hiesigen Medien, also weder die Zeitungen noch die Privatsender, sondern Netflix und andere internationale Konzerne.

Ist der Lokalkolorit eine Gegenstrategie zur Globalisierung? Die "Vorstadtweiber" sind ein riesiger Erfolg, auch die "Landkrimis" ziehen. Der Österreich-Bezug ist aber kein Rückzug ins Dorf: Wir wollen in der globalisierten Welt mit Sprache und Mentalität Sichtweisen aus diesem Land heraus formulieren und sichtbar machen. Wir möchten daher eine Ergänzung zu den "Vorstadtweibern" realisieren. Der Arbeitstitel ist "Männerschmerzen". Die Erzählform wird aber eine andere sein.

Welche weiteren Ideen für Serien gibt es? Mit den "Seyffenstein-Chroniken" haben wir gezeigt, dass Unterhaltsames auch am Freitagabend angenommen wird. Es geht aber nicht nur, die Serie "Wir sind Kaiser" wiederzuverwerten, da müssen wir in einem nächsten Schritt Originäres nachlegen. Und am Vorabend kommen wir derzeit nur schwer gegen die amerikanischen Sitcoms auf ProSieben und anderen Sendern mit ausschließlich US-Serien an. Wir wollen eigene Geschichten für unser Publikum schaffen und arbeiten für ORFeins an einem 25-Minuten-Format, das im Biotop der österreichischen Arbeitswelt spielt. Das würden wir zunächst gerne im Wochenrhythmus ausprobieren – und, falls wir Erfolg haben sollten, zu einer täglichen Sendung weiterentwickeln.

Sie wagen sich also in die Todeszone Vorabend? Todeszonen sind Kriegsschauplätze – und nicht herausfordernde Sendeplätze. Wer nicht probiert, kann auch nicht gewinnen.

Wie geht es mit den österreichischen Kabarettisten im ORF weiter? Ja, es gibt viele Arrivierte, es gibt auch viele Talente. Zudem ist Satire, Kabarett, Comedy in der österreichischen DNA verankert. Da würde ich gerne mehr machen können.

Gibt es konkrete Ideen? Ja, es gibt Ideen und – was ich sehr schätze – die Bereitschaft der Kabarettistinnen und Kabarettisten, mit uns zu arbeiten. Aber wir können derzeit zu wenig realisieren. Leider.

Warum? Weil wir generell mehr Ideen haben und auch haben müssen, als wir in einem klaren Finanzrahmen umsetzen können.

Am 14. März startet die zweite Staffel der "Vorstadtweiber". Ist die dritte schon fixiert? Ich habe gerade von Uli Brée das Gerüst für den Plot erhalten. Mehr kann ich noch nicht sagen.

Eine Fortsetzung von "Altes Geld" ist denkbar, auch wenn die Quote mäßig war? Wir haben unser Ziel, ein breites Publikum zu gewinnen, nicht erreicht, aber ein richtig gutes Werk hingestellt. Eine Fortsetzung wird es nicht geben. David Schalko hat immer von einer Trilogie gesprochen, in der er sich verschiedenen Milieus widmet. Der dritte Teil wird also wieder etwas ganz anderes sein als "Altes Geld" und "Braunschlag". Und den werden wir entwickeln.

Im ORF war bereits der Kurzfilm "Alles wird gut" von Patrick Vollrath zu sehen. Er wurde für den Oscar nominiert. Eine Überraschung für Sie? Schon. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist kühn. Es ist unmöglich, einen Erfolg, einen Preis vorauszusagen. Ich bin Fernsehdirektorin – und nicht die Frau mit der Glaskugel. Ich habe auch nicht gewusst, dass Virgil Widrich mit "Copy Shop" für den Oscar nominiert werden wird. Wichtig ist nur, dass die, die etwas aus Überzeugung umsetzen wollen, einen Freiraum im vertretbaren Maß bekommen – zu einem Zeitpunkt, wo noch niemand weiß, wie das Ergebnis ausfallen wird.

Die Modernisierung des "Musikantenstadls" hat nicht funktioniert. Wie geht es weiter? Wir haben junge Leute vor den Vorhang geholt. Und ich hätte die "Stadlshow" gerne weiter versucht, aber sie ist eine Eurovisionssendung – und sie hat nicht mehr die Zustimmung unserer Co-Partner gefunden. Mit tut es leid, aber das ist zu respektieren.

Ist die Show allein zu stemmen? Die "Stadlshow" ist allein unfinanzierbar. Aber in diesem Segment bieten wir ohnedies sehr viel an: Das Spektrum reicht von Sepp Forcher über die Open-Air-Musis und die Starnächte bis zu Franz Posch.

Ist die Zeit für die große Samstagabendshow endgültig vorbei? Trotz meiner Erfahrung kann ich die Frage nicht beantworten. Vielleicht gibt es in zehn Jahren wieder ein Lagerfeuerfernsehen? Derzeit gibt es genügend Alternativangebote für das Durchatmen nach einer anstrengenden Woche. Interessant ist, dass die "Landkrimis" generationenübergreifend funktionieren: Man schaut sie gemeinsam an.

Der ORF hat in der Spät-Schiene großartige Dokus. Warum werden die nicht zur Prime-Time gezeigt? Was tun Sie aus der Prime-Time raus? Mein Auftraggeber ist das Publikum. Dem bin ich verantwortlich. Und zum Glück gibt es die TVthek. Dort können all die tollen Formate zu jeder Tages- und Nachtzeit nachgesehen werden.

Die Generaldirektion plant ein Frühstücksfernsehen. Was halten Sie davon? Frühfernsehen so anzulegen, dass man nicht im Studio sitzt, sondern den Kontakt zu und den Austausch mit den Kundinnen und Kunden sucht, ist marktetingmäßig großartig – gerade in der heutigen Zeit. Zudem gibt es eine hoch professionelle Mannschaft. Das ist ein richtiger Schritt.

Heutzutage produziert ja nicht nur der ORF Sendungen, die einen Mehrwert generieren. Auch andere Sender erfüllen mitunter Aufträge an das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Müsste der Gebührenkuchen daher nicht anders aufgeteilt werden? Mir ist jede Lösung recht, die uns die qualitätsvolle Vielfalt unseres Angebots ermöglicht. Der Abschlankungsprozess hat im ORF bereits stattgefunden, die Machbarkeitsgrenze wurde erreicht.

Sie meinen: Mehr sparen geht nicht? Man muss sich immer genau überlegen, für welches Produkt und welche Plattform und welchen Kanal man welche Ressourcen einsetzt. Es wird zum Beispiel nicht gehen, das Neujahrskonzert mit zwei Kameras und keiner hochqualitativen Tontechnik zu produzieren – oder eine "Universum"-Doku mit der GoPro-Kamera zu filmen. Wir hinterfragen aber jede Ausgabe. Und wir sind am Limit.

In manchen Zukunftsszenarien werden Information und Unterhaltung wieder getrennt. Hätten Sie ein Problem damit, wenn die Information in einer künftigen Konstellation wieder aus Ihrer Direktion herausgelöst wird? Das hat sich doch bewährt, oder? Ich sehe das entspannt. Auch die Unterhaltung allein – mit Film, Serie, Dokumentation, Reportage et cetera – ist ein sehr spannendes Feld.

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