Ihr Auftritt, Tony Soprano

"Borgen" auf der Bühne. Im Bild Stephanie Eidt als Birgitte Nyborg
Werden TV-Serien zum "neuen Gesellschaftsroman" erklärt, ist die Bühne die nächste Konsequenz.

Und plötzlich hatte das Feuilleton die Serienwelt entdeckt: Nein, mit "Dallas" hatte das, was US-Privatsender ab den späten 1990er-Jahren entwickelten, nichts zu tun. Fernseh-Epen wie die "Sopranos" oder "The Wire" waren mit ihren genauen Milieu-Schilderungen wegweisend und galten gar als Erbe großer literarischer Erzähltraditionen. Man erklärte sie zum "Roman der Gegenwart" und verglich deren Autoren mit Balzac, dem Schöpfer der "Menschlichen Komödie" oder Dickens, der seine Romane wie viele Zeitgenossen als Fortsetzungen in Zeitungen publizierte. Inklusive serientypischer "Cliffhanger": Am Ende einer Episode bleibt die Handlung offen und macht neugierig auf die nächste. Der Begriff selbst stammt übrigens aus einem Roman von Thomas Hardy aus dem Jahr 1873.

Die neue Serienqualität habe vor allem mit Veränderungen im Fernseh-Biz zu tun, erklärte Richard Price, Schriftsteller ("Clockers") und Drehbuchautor ("Die Farbe des Geldes", "The Wire") jüngst im ARD-Interview. Privatsender wie HBO ermöglichten heute längeres, nicht durch Werbung unterbrochenes Geschichtenerzählen. Aber man müsse die Kirche im Dorf lassen: Fernsehen ist Fernsehen, und Literatur ist Literatur.

Doch kaum lehnt man sich zurück in lange eingelernten Denkkategorien ("Lesen=g’scheit, Fernsehen=blöd"), macht die Berliner Schaubühne den nächsten Schritt und bringt eine TV-Serie auf die Bühne.

Integrität wahren

"Borgen", Adam Prices preisgekrönte und zu Recht gehypte dänische Polit-Serie um die fiktive Ministerpräsidentin Birgitte Nyborg, hatte am Sonntag Premiere. Regie führte Nicolas Stemann; er ließ zuletzt mit der Inszenierung des Jelinek-Stücks "Die Schutzbefohlenen" aufhorchen, in dessen Zentrum Europas Umgang mit Flüchtlingen steht.

Eine politische Brisanz, die sich in den vergangenen Monaten nicht zuletzt in Dänemark zugespitzt hat: Gerne möchte man wissen, was eine Idealistin wie Birgitte Nyborg dazu sagen würde – geht es doch in "Borgen" um den Versuch, Integrität im Politalltag zu wahren. Die TV-Serie deklinierte in dreißig Folgen die Regeln des Machterhalts – Stemann wollte diese in dreieinhalb Stunden veranschaulichen. Die Reaktionen waren laut dpa gemischt, so mancher Zuschauer soll Lust auf die Serie bekommen haben– die praktischerweise im Foyer auf DVD verkauft wurde.

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