Helmut Brandstätter über die Zukunft des Journalismus

Helmut Brandstätter über die Zukunft des Journalismus
"Ich möchte mir dieses Land nicht ohne Printjournalismus vorstellen", sagt der KURIER-Herausgeber und Chefredakteur im APA-Interview

KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter glaubt an die Zukunft von Journalismus und Zeitung. Den KURIER werde es in fünf Jahren ganz sicher noch geben, und auch seine persönliche Zukunft werde noch einige Jahre mit dem KURIER verknüpft sein und nicht mit dem ORF. Spekulationen über einen möglichen Wechsel in den ORF weist Brandstätter in einem Gespräch mit der Austria Presse Agentur zurück.

In der Medienbranche wurde in den vergangenen Wochen intensiv über Zukunft und Finanzierbarkeit des Journalismus diskutiert. Ihr Befund zur Lage des Journalismus?

Helmut Brandstätter: Gerade in der aktuellen Diskussion um das Budgetloch bekommen wir viele Mails, in denen wir gefragt werden, warum wir nicht schon vor der Wahl berichtet haben, wie groß das Budgetloch ist. Wir haben vor der Wahl berichtet. Wir haben die Zahlen hinterfragt, und wir haben geschrieben, dass es keine Steuerreform geben wird. Aber letztlich sind wir nicht Regierung, sondern kontrollierendes Organ. Da haben wir glaube ich einen guten Job gemacht. Ein KURIER-Kollege hat die Missbrauchsfälle in den Heimen aufgedeckt. Und durch die regelmäßige Berichterstattung verschiedener Printmedien über die vielen Skandale der vergangenen Jahre sind einige davon auch vor Gericht gelandet. Ich möchte mir dieses Land also nicht ohne Printjournalismus vorstellen.

Die Finanzierung eines solchen Journalismus wird aber immer schwieriger?

Beim KURIER haben wir steigende Leserzahlen in der Media-Analyse und vor allem Zuwächse bei den jungen Lesern. Wir haben insgesamt eine sehr stabile Auflage. Das Problem ist, dass wir steigende Kosten haben. Daran haben wir in den vergangenen drei Jahren sehr hart gearbeitet. Die Aufgabe des Kostenmanagements bleibt. Ich sehe den Weg der Finanzierung des Journalismus über neue Internet-Angebote und E-Paper-Modelle. Einfach nur eine Paywall einzurichten wird keinen Sinn haben, die Leser über Print zu unseren digitalen Angeboten zu führen - da sehe ich eine gute Chance.

Dennoch werden schon Nachrufe auf die Gattung Zeitung geschrieben. Wird der KURIER 2018 noch täglich auf Papier erscheinen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Das ist in fünf Jahren. Die Abo-Entwicklung ist bei uns derart stabil, dass ich nicht glaube, dass das bis 2018 einbrechen wird. Es wird Veränderungen geben, aber den KURIER gibt’s 2018 ganz sicher noch in Print.

Kann auch die Presseförderung eine mögliche Form der Finanzierung sein?

Ich bekenne mich zur Presseförderung. Die Presseförderung ist gleichzeitig mit Parteienförderung eingeführt worden, und die Parteienförderung ist seit damals massiv gestiegen, während die Presseförderung gekürzt wurde. Wenn Parteien Förderungen bekommen, sollten diejenigen, die die Parteien kontrollieren müssen, auch Förderung erhalten. Der momentane Verteilungsschlüssel ist jedenfalls absurd. Es sollte mehr in Richtung Qualitätsförderung gehen. Und die Presseförderung sollte an Kollektivvertrag und Mitgliedschaft im Presserat geknüpft werden. Ja, die Presseförderung ist wichtig. Im Gegensatz dazu ist es ein Quell ewigen Ärgernisses, dass die Bundesregierung oder die Wiener Landesregierungen so viel Geld für Inserate in Gratiszeitungen ausgeben.

Wie läuft die Zusammenführung von Print und Online und wie steht es um die Übersiedlungspläne und den neuen KURIER-Newsroom?

Wir haben alle großen Ressorts zusammengeführt, das ist weitestgehend abgeschlossen. Und auch die Mauern in den Köpfen sind weitestgehend weg. Ich hoffe, dass wir in zwei Jahren nicht mehr überlegen, ob einer von Print oder Online gekommen ist. Die Übersiedelung erfolgt im zweiten Quartal 2014. Der Newsroom ist fertig geplant, wir sind de facto in der Umsetzung.

Ihr Vertrag als Chefredakteur wurde erst vor kurzem bis 2019 verlängert, dazu wurden Sie zum Herausgeber bestellt. Trotzdem fällt Ihr Name derzeit häufig im Zusammenhang mit einer möglichen Neubestellung der ORF-Spitze. Interesse?

Es gibt eine gewählte ORF-Führung. Ich kann nichts dafür, dass sich da manche fürchten. Aber mein Name passt aus mehreren Gründen nicht zu den Spekulationen. Ich habe hier beim KURIER einen längerfristigen Vertrag, den ich wegen der spannenden Herausforderungen hier, in Print und Online, sehr bewusst unterschrieben habe. Ich habe mich als spätberufener Printjournalist bestens eingelebt und fühle mich sauwohl. Deshalb ist das mein Platz hier.

Sie haben mehrere Gründe erwähnt?

Weil da immer von parteipolitischen Spekulationen die Rede ist. Ich habe 2006 ganz bewusst als unabhängiger Kandidat gegen zwei Parteikandidaten kandidiert. Monika Lindner war die Kandidatin der ÖVP, und Alexander Wrabetz war der Kandidat der SPÖ. Und ich fand es immer schon widerlich, wie sich die Parteien den ORF unterordnen wollen. Ich habe Lindner damals kritisiert, weil offensichtlich war, wie sehr sie sich der schwarz-blauen Regierung ausgeliefert hat, und ich fand es auch nicht gerechtfertigt, wie auf der anderen Seite Wahlkapitulationen und Personalabsprachen vereinbart wurden. Dieser Job hätte mich nur unter einer Voraussetzung interessiert, nämlich unabhängig arbeiten zu können. Das war damals nicht der Fall, das habe ich zur Kenntnis genommen und meine eigene Firma gegründet. Ich habe also schon einmal öffentlich gemacht, dass ich nicht zu irgendwelchen parteipolitischen Kompromissen bereit bin, die im ORF leider notwendig sind. In Wirklichkeit ist das das große Thema: Gibt es irgendwann noch einmal die Chance, den ORF aus den Klauen der Parteipolitik herauszubringen.

Wer hat Ihrer Meinung nach ein Interesse an solchen Gerüchten?

Unter anderem die aktuelle ORF-Führung, weil sie dann sagen kann, wer uns angreift, ist für eine Partei oder die Regierung, und deshalb müssen wir bleiben. Ich höre auch, dass manche Gerüchte von dort verbreitet werden, und ich finde das nicht in Ordnung. Vielleicht sollte sich die aktuelle Führung Folgendes überlegen: wenn es nicht einmal gelingt, einen "ZiB"-Sprecher ohne öffentliches Getöse auszutauschen, dann kann es schon sein, dass man an den Managementfähigkeiten von solchen Leuten zweifelt.

Sie gelten als einer der härtesten Kritiker der jetzigen ORF-Führung. Was läuft dort falsch?

Es muss ja wohl möglich sein, in diesem Land den ORF zu kritisieren, schließlich bezahlen wir ja alle dafür. Und unser Job ist es auch, zu hinterfragen in welcher Medienlandschaft wir leben. Würden wir heute bei Neugründung einer österreichischen Medienlandschaft einem Sender 600 Millionen Euro geben und den Zeitungen nichts? Sicher nicht. Das ist ohnehin ein schiefes Bild. Wenn jemand so viel Geld kriegt, ist es legitim zu schauen, ob es auch richtig eingesetzt wird. Die Zeitungen stellen sich seit Jahren der Frage, wie können wir günstiger produzieren. Keiner von uns ist deshalb jammern gegangen, ist erpressen gegangen oder hat sogenannte Geisellisten gemacht. Wir haben einfach unsere Hausaufgaben erledigt. Im ORF herrscht immer noch ein rückwärtsgewandtes Monopol-Denken. Und die andere Frage ist, ob der ORF noch ein öffentlich-rechtliches Unternehmen ist. ORFeins ist es meiner Meinung nach nicht. Der ORF tut nicht gut daran, sich selbst nach und nach zu privatisieren, weil dann der Ruf nach einer echten Privatisierung nur lauter wird.

Welches Konzept bräuchte der ORF?

Das werde ich mir jetzt nicht überlegen. Das muss die Führung dort tun. Aber es geht um Unterscheidbarkeit.

Ist das Kapitel ORF für Sie damit endgültig geschlossen oder ist es denkbar, dass Sie sich nach Auslaufen Ihres KURIER-Vertrags doch noch irgendwann um den Posten des ORF-Chefs bewerben?

Ich bin Jahrgang 1955. Ich fühle mich ja pumperlgesund, aber was weiß ich, was 2019 ist. Da stellt sich eher die Frage, ob es nicht noch mal eine gute Idee ist, ins Ausland zu gehen. Das ist wahrscheinlich die spannendere Option.

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