Harald Krassnitzer ist "zu dünnhäutig" für Twitter
Kaum ein Sonntag ohne Tatort – und das seit mehr als 40 Jahren. Wie erklären Sie sich diese enorme Resonanz?
Harald Krassnitzer: Durch die Verschiedenheit. Die Kommissare, die Locations und die Sprachen verändern sich. Der Tatort ist das einzige Format, das wöchentlich in verschiedensten Konstellationen neue Geschichten erzählt.
Es wird versucht, Zuschauer stärker interaktiv miteinzubeziehen. Was halten Sie von der Einbindung von Social Media?
Ich sehe Vor- und Nachteile darin. Der Vorteil ist, dass der Nutzer sich auch selbst in die Geschichte mit einbringt. Das Absurde daran ist, dass man, während man über den Fall diskutiert, manchmal gar nicht mitbekommt, was gerade passiert. Ich weiß nicht, ob das so die absolute Zukunft des Fernsehens sein wird.
Das überfordert also unsere Konzentration?
Sagen wir mal so: meine. Ich bin vielleicht auch schon fast zu alt dafür, weil mir nach wie vor dieses Medium dadurch vertraut ist, dass ich unmittelbar mit den Menschen, mit denen ich es erlebe, kommuniziere und eine Erlebniswelt habe, die ich spüre und wahrnehme.
Verfolgen Sie, was man über Sie auf Twitter schreibt?
Dafür habe ich die Zeit nicht. Und würde es auch nicht aushalten. Ich bin wahrscheinlich zu dünnhäutig.
Man liest Bücher darüber, trifft Leute, die einen näher in diese Materie einführen können, und begibt sich auf Location-Suche, wo man versucht, möglichst nahe an dieses Milieu ranzukommen. Das ist wie bei einem guten Journalisten, der sich im Vorfeld um eine Geschichte bemüht.
Wie ist das, Geschichten über Menschen zu erzählen, die ansonsten öffentlich nicht wahrgenommen würden?
Die werden ja wahrgenommen. Die entscheidende Frage ist doch nur, was tut man dagegen. Und etwas tun kann in dem Fall nur die Politik oder die Justiz, indem andere Gesetze gestaltet werden. Oder der öffentliche Bereich, in dem man Schutz für diese Frauen bereitstellt. In Wien kommen auf ungefähr 6000 Zwangsprostituierte sechs Beamte. Sie werden von solchen Frauen kaum eine Aussage bekommen, weil sie wissen, dass das mitunter ihr Todesurteil ist.
Zurück zu Ihnen: Wo würden Sie gerne in zehn Jahren stehen?
Wünsche sind dazu da, nicht ausgesprochen zu werden. Denn ab dem Zeitpunkt, wo sie ausgesprochen werden, gehen sie nicht mehr in Erfüllung.
Aber können Sie sich vorstellen, einmal selbst Regie zu führen?
Sie sind ja perfide. Regie ist etwas, auf das man sich sehr genau vorbereiten muss und was wirklich ganz was Eigenes ist. Ich kann Ihnen nicht beantworten, ob mir das je vergönnt sein wird.
Kommt man nicht irgendwann an den Punkt, an dem man eigene Geschichten umsetzen will?
Doch, aber das muss nicht zwangsläufig heißen, dass das dann besser ist. Ein Regisseur hat einen anderen Blick und eine andere Herangehensweise an die Geschichte als ich als Schauspieler. Erst wenn der Punkt gekommen ist, wo sich das verändert, ist man vielleicht in der Lage, Regie zu führen.
Hat der österreichische Film im Vergleich zu Deutschland die lebendigere Filmszene?
Die erfolgreichere. Lebendiger ist sie deswegen nicht, weil unsere Förder- und Vergabestrukturen nach wie vor dem Erfolg nachhinken. Würde der österreichische Film nach dem Erfolg gemessen, hätten wir jedes Mal die Filmförderung verdoppeln müssen. Das haben wir nicht gemacht. Der große Wurf, was die österreichische Filmförderung und die Reformierung des ORF betrifft, ist uns noch nicht wirklich geglückt.
Von Christine Maass
Kommentare