Im Fernsehjahr 2013 gab es zwei spektakuläre Abgänge, die unterschiedlicher nicht sein können. Claus Theo Gärtner, Matula, hörte nach 32 Jahren und 300 Folgen der Krimiserie „Ein Fall für Zwei“ auf.
In Zeiten, in denen auf den „Tatort“ kein Verlass mehr ist, man hofft immer, dass mal wieder ein guter Fall kommt, aber wird genauso oft enttäuscht, Münster veralbert sich selbst, Kiel schwächelt, und München und Köln werden lieblos abgewickelt, in solchen unberechenbaren Zeiten waren Privatermittler Josef Matula und seine vier Chefs, die Anwälte Dr. Renz, Dr. Franck, Dr. Voss und Dr. Lessing Garanten der Solidität. Keine Kunst, keine Zierleisten, keine faulen Witze, keine Amourösen, also aller Lebensstuck abgeschlagen, skelettiert standen die Protagonisten in den Kulissen wie Fassbinder-Figuren herum, Fälle wurden nicht gelöst, sondern abgewickelt, und Matulas Dienstwagen war ein Alfa Romeo. Die Imitation des Lebens hat sich selbst imitiert, nie war Fernsehen näher am brechtschen V-Effekt, an Reduktion und Stillstand, das war die große Leistung der Serie, die in Granit geschlagene Konstanz. Matulas Haare waren immer schon dünn, sein Gesicht knittrig wie das einer Schildkröte und seine Lederjacke war sein Panzer.
Der andere Abgang des Jahres ist „Zeit im Bild“-Sprecher Eugen Freund, er wird in den Vorruhestand geschickt (Rainer Hazivar ersetzt ihn), auch seine Haare sind dünn und das Gesicht knittrig, doch er trug keine Lederjacke, sondern einen smarten Anzug und sein Hemd hatte einen sogenannten Haifischkragen. Wenn Männer eine alberne Modetorheit mitmachen, dann geschieht dies meist aus Kompensationsgründen. Man möchte nicht spekulieren, was kompensiert werden musste, aber augenscheinlich war bei ihm ein eklatantes Defizit, das seine Rolle als „ZiB“-Sprecher jedes Mal zur beklemmenden Wackelpartie machte.
Anspannung
Freund fühlte sich bemüßigt, in die „ZiB“ ein bisschen Schwung zu bringen, mit Lockerheit, mit Witzen, einem Schluss-Gag, Infotainment ist die gruselige Bezeichnung dafür, das gelingt Armin Wolf souverän, wenn er seine Witze nicht immer mit einer ironisierenden Patenonkelmimik und säuselndem Timbre schelmisch anzukündigen pflegen würde.
Bei Eugen Freund hingegen gab es all das nicht, weder Souveränität noch Gags, am Ende kam etwas heraus, was man wohlwollend als ungelenk und hüftsteif bezeichnen könnte. Und weil man das wusste, und weil er wusste, dass wir Zuseher wissen, dass jetzt etwas Auflockerndes kommt, um all das Leid, die Kriege und Überschwemmungen, Brände und Bomben zu entgiften, um uns zu belohnen, dass wir es geschafft haben, war die Anspannung auf beiden Seiten des Fernsehers hoch, auf Freunds Seite so sehr, dass er sich regelmäßig versprach, er dekonstruierte seine eigenen Witze, in dem er die matte Pointe gleichsam am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Auf Seiten des Zuschauers eine ähnliche Anspannung, bei jedem Versprecher durchfuhr es einen wie ein Elektroschock, er hat es wieder nicht geschafft, wir werden nicht belohnt, wir haben vergebens gewartet.
Wenn nun gesagt wird, man wolle mit Freunds Abgang Platz schaffen für jüngere, billigere Sprecher, ist das vermutlich die halbe Wahrheit, denn das Klima in der Redaktion wird ähnlich paralysiert gewesen sein. Die berüchtigten Freund-Bonmots, schafft er sie, oder vergeigt er es wieder? Die Empathieenergie, die der ORF durch des Sprechers Fortgang einspart, rechtfertigt seine vermutlich fürstliche Abfindung. Vielleicht wird ja Freund irgendwann einmal Gagschreiber Armin Assingers, einem ähnlichen Scherz-Rohrkrepierer, wenn er es nicht längst schon ist.
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