Ewiger Dank, Gerd Bacher

Ewiger Dank, Gerd Bacher
Der frühere ORF-Generalintendant Gerd Bacher starb im Alter von 89 Jahren.

Erinnerungen an Gerd Bacher sind vielfältig und ja, auch unterhaltsam. Seine Art, einen Raum zu betreten, eine Sitzung zu leiten, zu argumentieren, auch zu toben. Mein letztes Telefonat war ein Wunsch nach einem Interview über Helmut Kohl. Bacher war nicht nur Berater des deutschen Kanzlers, er war ein enger Freund der Familie. Doch er sagte mit folgender Begründung ab: "Ich bin nicht mehr so gut wie früher." Mein Einwand: Ich schicke das Interview, da könne er etwas ändern. Bacher darauf: "Das will ich erst recht nicht, weil da sehe ich, dass ich nicht mehr so gut formuliere." Dann sprachen wir weiter am Telefon, er beurteilte perfekt und gnadenlos die politische Lage.

Und das war das erste Erlebnis: Im Frühjahr 1982 durfte ich an einer seiner berühmten Versammlungen im ORF teilnehmen. Intern wurde die Parole ausgegeben: Vor allem die Jungen sollen den Mund halten. Lorenz Gallmetzer, später Paris-Korrespondent, und ich hielten uns nicht daran und kritisierten das ORF-Programm. "Das wird euch schaden", meinte einer seiner Mitarbeiter. Wenige Tage später wollte Bacher uns sehen, und es wurde der erste von vielen faszinierenden Terminen in seinem Büro. Er liebte den Widerspruch.

Die Kraft von klaren Gedanken und Worten hat den Journalisten Gerd Bacher ausgemacht. Anekdoten erzählen davon: Als Bacher zum 50.Geburtstag seines Freundes Gustav Peichl, der mit seinen Karikaturen über den "Tiger" viel zur Bekanntheit Bachers beigetragen hatte, eine tief ergreifende, auch launige Rede hielt, meinte er zum Schluss zu den amüsierten Festgästen: "Braucht‘s mich nicht wegen einer Kopie anrufen, die liegen schon unter dem Tisch und werden verteilt."

Situationen retten oder verschlimmern: Das konnte er. Mit Helmut Kohls CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf vertrug er sich nicht gut. Als sie wieder einmal Differenzen austrugen, meinte Bacher: "Wir zwei Liliputaner sollten uns nicht streiten."

Ein Leben als Journalist

Wie mit seiner Körpergröße ging Bacher auch offen damit um, dass er 1943 freiwillig und begeistert zur deutschen Wehrmacht einrückte, mit gerade 18 Jahren. Er war ein Verführter, einer, dem Informationen fehlten. Und so ging es bei Gesprächen mit Bacher immer um Wissen, um Fakten – und um die besten Methoden, diese zu verbreiten. Er stand für die "Informationsexplosion" im ORF, die den schwarz-rot gelenkten Proporzrundfunk in Radio und Fernsehen ablöste. Er stand aber auch für die umfangreiche Berichterstattung des ORF über die kommunistischen Länder in den 1970er- und 1980er-Jahren. Da sind wir "Radio Beromünster", erklärte er in Anspielung auf den Sender, der von der Schweiz aus Nachrichten ins NS-Reich brachte.

Gerd Bacher in Zitaten

Journalismus, das war für Bacher nicht das Machen oder Verstärken von Meinungen oder Emotionen, sondern das Suchen nach Fakten, das Vermitteln von Zusammenhängen, das Erklären und Aufklären. Wobei er es anfangs auch anders konnte. Gelernt hat er das Handwerk nach dem Krieg in der Salzburger Volkszeitung. 1954, mit 29 Jahren, wurde er Chefredakteur des Bild-Telegraf, zwischen 1958 und 1960 Chef des Express, den er mit Fritz Molden, dem Verleger und Widerstandskämpfer, gegründet hatte. Da schoss Bacher im berühmten "Wiener Zeitungskrieg" auch schon einmal kräftig aus der Hüfte.

Ewiger Dank, Gerd Bacher
Inoffizielle Eröffnung des "Hauses für Mozart" - ehemals "Kleines Festspielhaus" für die SponsorenFoto: Franz Neumayr 17.6.2006Helga Rabl Stadler mit ihrem Vater Gerd Bacher From: Subject: [** iso-8859-1 charset **] Haus für Mozart Teil 2/2Inoffizielle Eröffnung des "Hauses für Mozart" - ehemals "Kleines Festspielhaus" für die SponsorenFoto: Franz Neumayr 17.6.2006Helga Rabl Stadler mit ihrem Vater Gerd Bacher From: Subject: [** iso-8859-1 charset **] Haus für Mozart Teil 2/2=========================================== =========================================== Pressefotos und Reportagen FRANZ NEUMAYR Fischtagging 20 A-5201 Seekirchen/Salzburg Austria Tel: +43/664/3080900 Fax: +43/6212/6083 www.neumayr.cc 75.000 Bilder online in Druckqualität E-mail: foto@neumayr.cc
Mit Molden gründete er auch den gleichnamigen Buchverlag. "Ich bin ein fanatischer Leser", betonte er später als TV-Chef. Aber "die große Liebe seines Lebens", das war der ORF mit seinen Radio- und Fernsehprogrammen. Kennengelernt hat er diese Liebe im Jahr 1967. Und verdankt hat er diese lebenslange Zuwendung Hugo Portisch, der als KURIER-Chefredakteur im Jahr 1964 ein Volksbegehren gegen den Proporzrundfunk initiiert hatte. Warum dann Bacher ORF-Chef wurde, Portischs Widersacher aus dem Zeitungskrieg? Portisch dazu: "Er war der Beste."

Helmut Zilk, später Wiens SPÖ-Bürgermeister, beschrieb die Gründung des neuen ORF später so: "Vor Bacher waren Radio und Fernsehen kaputte Betriebe gewesen. Der Aufschwung war die Folge des Zusammentreffens einiger Besessener mit einem Oberbesessenen. Und dieser Oberbesessene war Bacher."

Bacher war konservativ, manchmal reaktionär. Zu einer Partei fühlte er sich nie hingezogen. "Ich bin Mitglied einer Einmannpartei mit Aufnahmesperre." Während der ÖVP-Alleinregierung (1966–1970) machte er den prononcierten Sozialdemokraten Franz Kreuzer zum ORF-Chefredakteur. Der schwarze Bundeskanzler Klaus wollte wissen, ob das wirklich sein müsse. Bacher: "Ja, weil er es am besten kann."

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Der große Aufklärer

Peter Huemer, ehemaliger Leiter des "Club 2", mit Bacher in ORF-Zeiten durch kontroverse Diskussionen und später in Freundschaft verbunden, sieht noch einen historischen Zusammenhang: "Parallel zum Aufstieg des ORF vollzog sich der Aufstieg der Kronen Zeitung. Man kann es personalisieren als Konflikt zwischen den beiden mächtigsten Medienmachern des Landes: Bacher gegen Dichand. Wichtiger scheint mir: Das Prinzip der Aufklärung einerseits, der Gegenaufklärung andererseits. Der Versuch möglichst umfassender Information, der notgedrungen nur unvollkommen gelingen kann, gegen Kampagnen, Populismus und Hetze."

Und Bacher konnte so modern sein. Mit starkem Markenbewusstsein für das Erscheinungsbild des ORF und seiner Mitarbeiter, wozu Logo, silberne Farbe, Landesstudios, aber auch der umstrittene "Krawattenerlass" beitrugen.

Für Bruno Kreisky, der 1967 fast gleichzeitig mit Bachers Aufstieg zum Intendanten Vorsitzender der SPÖ wurde, war der neue ORF ein Glücksfall. Die journalistische Art der Nachrichten kam Kreisky entgegen, in Diskussionssendungen wirkte er überlegen. Aber dem Bundeskanzler wurde der starke Bacher unheimlich. Wie man das halt so macht, es kam ein neues Rundfunkgesetz, Bacher musste 1974 den ORF zum ersten Mal verlassen.

Vier Jahre später organisierte Zentralsekretär Karl Blecha die Wiederwahl des SPÖ-Kandidaten Otto Oberhammer, aber bei der geheimen Wahl erhielt Bacher mehr Stimmen. Am Wahltag hatte die sozialistische Arbeiter-Zeitung getitelt: "Bacher hat keine Chance." Am Tag darauf schrieb das SPÖ-Organ Kärntner Tageszeitung: "Kreisky in Paris. Benya in Sofia. Bacher im ORF."

Acht Jahre später wurde er wieder abgelöst, er ging nach Deutschland, wurde dann Herausgeber der Presse, um 1990 zum dritten Mal ORF-Chef zu werden. Freiwillig verließ der den ORF erst 1994 mit 69 Jahren. Noch einmal wollte er etwas für seine Lebensliebe tun, als die Regierung Schüssel versprach, sie wolle einen unabhängigen ORF. Politikern stets skeptisch gegenüber, hat der alte "Tiger" das eigenartigerweise geglaubt, an einem neuen ORF-Gesetz mitgearbeitet – und er wurde schwer enttäuscht. Auch Schwarz-Blau wollte den ORF nur für politische Botschaften und zur Verhinderung der Darstellung der eigenen Unfähigkeit missbrauchen.

Gerd Bacher hat mehreren Generationen von Journalisten eingepflanzt, was ihre Aufgabe ist. Durch Gespräche und sein Vorbild. Wer das erleben durfte, ist ihm unendlich dankbar.

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