Deutscher Spitzenjournalist Frank Schirrmacher ist tot

Deutscher Spitzenjournalist Frank Schirrmacher ist tot
Der Mitherausgeber der FAZ ist im Alter von 54 Jahren völlig unerwartet verstorben.

Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, ist tot. Das teilte der Verlag am Donnerstag mit. Er wurde 54 Jahre alt. Schirrmacher war seit 1994 einer der Herausgeber der FAZ, einer der traditionsreichsten Tageszeitungen in Deutschland. Bekannt wurde er auch als Autor von Büchern wie „Das Methusalem-Komplott“, "Payback" und zuletzt „Ego“. Nicht nur mit diesen Veröffentlichungen prägte Schirrmacher, bei der FAZ verantwortlich für Feuilleton und Wissenschaft, die intellektuellen Debatten in der deutschsprachigen Medienlandschaft wie kaum ein Zweiter.

Laut "mehreren Medienberichten" ist Schirrmacher einem Herzinfarkt erlegen, meldete meedia.de.

Feuilleton und Literatur

Frank Schirrmacher wurde 1959 in Wiesbaden geboren. Er studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über den Dekonstruktivismus im Werk von Franz Kafka und Harold Bloom. 1985 wurde er Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Januar 1989 übernahm er die Leitung des Ressorts "Literatur und literarisches Leben" als Nachfolger von Marcel Reich-Ranicki, mit dem er eng befreundet war.

Als Buchautor und Schreiber hat Schirrmacher wesentliche Debatten der Gegenwart mit begleitet. Ein besonderes Anliegen waren ihm zuletzt die Implikationen des digitalen Zeitalters im Lichte von Überwachungsallmacht amerikanischer Geheimdienste und Monopole von Unternehmen wie Google und Facebook.

Aufsehen erregte Schirrmacher unter anderem, als er Martin Walsers Roman “Tod eines Kritikers” noch vor dem Erscheinen wegen “antisemitischer Klischees” angriff oder als er die Buchstabenfolge des menschlichen Genoms seitenlang im Feuilleton der FAZ abdrucken ließ.

"Geschockt und sprachlos"

FAZ-Mitherausgeber Werner D’Inka sagte dem Journal Frankfurt: „Wir sind geschockt und sprachlos über diese Nachricht.“ In der Online-Ausgabe der FAZ wird das Lebenswerk Schirrmachers folgendermaßen gewürdigt: "Sein analytischer Blick erfasste das Wesentliche im Wandel, seine Fähigkeit zur pointierten Darstellung komplexer Sachverhalte machte ihn zu einem führenden Intellektuellen unserer Zeit. Indem er das Feuilleton zu einem Forum der Zeitdiagnose ausbaute, war er ein Aufklärer in der besten Tradition des Wortes."

Schirrmacher war auch öfters Gast auf österreichischen Podiumsdiskussionen zur Medienzukunft und zu Fragen der Digitalisierung. Seinen letzten für Ende Mai 2014 geplanten Auftritt in Wien hatte er abgesagt.

Schirrmacher, der in seinem Buch "Payback" vor Reizüberflutung im Informationszeitalter warnte, war selbst auf Twitter äußerst aktiv. Im Vorjahr vermeldete er als einer der Vertrauten von Marcel Reich-Ranicki den Tod des Literaturpapstes über den Kurznachrichtendienst. Nun musste der renommierte Journalist selbst die Medienbühne verlassen. Schirrmacher hinterlässt seine Frau, die Journalistin und Schriftstellerin Rebecca Casati, und zwei Kinder.

Ein KURIER-Interview mit Frank Schirrmacher über das Buch "Payback" aus dem Jahr 2011 finden Sie hier.

Eines der letzten TV-Interviews mit dem Journalisten (mit dem NDR) finden sie hier.

Frank Schirrmachers letzter Tweet:

Mit seinen Sachbüchern über die moderne Gesellschaft hat Frank Schirrmacher, Bestseller verfasst. Eine Auswahl

2004: In "Das Methusalem-Komplott" behandelt er den demografischen Wandel und die fortschreitende Überalterung der Gesellschaft - und spricht sich gegen einen diskriminierenden Umgang mit Älteren aus.

2006: Über den Wert sozialer Beziehungen schreibt er in "Minimum": Die Gesellschaft sei nicht auf die Auflösung des privaten Versorgungsnetzes aus Freundschaft und Familie vorbereitet.

2009: Mit dem Informationszeitalter setzt er sich in "Payback" auseinander - und zeichnet ein trübes Bild der digitalen Gegenwart. Es gebe einen Zwang, sich ständig informieren zu müssen.

2013: In "Ego" geht es darum, dass ein Fließband-Egoismus das gesamte Sozialwesen erobert habe. Der reale Mensch mit seinen Schwächen und moralischen Ansprüchen werde allmählich zum Systemfehler.

„Das Methusalem-Komplott“ wurde in 14 Sprachen übersetzt. Schirrmacher wurde außerdem mit mehreren Preisen bedacht. 2007 erhielt er unter anderem den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache. 2008 bekam er den Journalisten-Preis der Fundaciό Catalunya Oberta (Barcelona) für seine „Verdienste um die Förderung des Liberalismus“. 2012 wurde ihm die Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf verliehen. Seit 2008 war er Mitglied im Kuratorium des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock.

Mit langen Nachrufen haben Journalisten in Deutschland am Freitag an den verstorbenen FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher erinnert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nimmt in einem ganzseitigen Artikel Abschied von dem Publizisten. Unter dem Titel "Ein sehr großer Geist" ehrte sie den "sprach- und wirkmächtigsten Kulturjournalisten, den Deutschland je hatte".

"Jeder ist ersetzbar, heißt es immer", schreibt Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart. "Im Falle von Frank Schirrmacher stimmt das nicht." Sein Tod hinterlasse "keine Lücke, sondern einen Abgrund." Schirrmacher habe mit seinen Essays zur alternden Gesellschaft, zum entschlüsselten Genom und den Düsternissen der Digitalzeit das Denken geprägt. "Wo er war, war vorne", heißt es in Steingarts täglichem Leserrundbrief.

Der frühere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust sagte dem Hessischen Rundfunk: "Schirrmacher war der Klügste unserer Generation." Er sei grenzenlos uneitel gewesen, sehr kooperativ und "wahnsinnig klug".

Schirrmacher war am Donnerstag im Alter von 54 Jahren einem Herzinfarkt erlegen. Er war einer von fünf Herausgebern der FAZ. Schirrmacher gehörte als Feuilletonist zur Herausgeberrunde, in deren Händen die Verantwortung für die FAZ, die Sonntagszeitung FAS und den Webauftritt faz.net liegt. Die anderen sind: Berthold Kohler und Günther Nonnenmacher (beide Politik), Holger Steltzner (Wirtschaft) und Werner D'Inka (Rhein-Main). Nonnenmacher will in Kürze aus dem Gremium ausscheiden. Sein Posten soll nicht neu besetzt werden.

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