"Der kleine Lord" ist von gestern

Die kleine Lady
Christiane Hörbiger und Veronica Ferres in "Die kleine Lady".

Seit Kindertagen ist er der Vorweihnachtsklassiker: "Der kleine Lord" mit Alec Guinness als herrischem Earl of Dorincourt, der seinen einzigen Erben Cedric, einen kleinen Rotzlöffel aus den USA, holt, um ihn zum Blaublüter umzustylen. Der Bub aus der neuen Welt hat die alte auch eine Menge zu lehren. Der ORF hat sich für dieses Jahr etwas anderes einfallen lassen: "Die kleine Lady" (12. 12., 20.15, ORF 2). Das heißt: Die Männerfiguren wurden zu Frauenrollen, aus Großbritannien Niederösterreich – Schloss Grafenegg. Was für Wahl-Badenerin Christiane Hörbiger, die als Gräfin von Liebenfels in die Guinness-Rolle schlüpfte, geografisch von Vorteil war.

Schreckschraube

„Mich hat natürlich auch gereizt, dass ich eine Figur spielen darf, die Alec Guinness seinerzeit so wunderbar dargestellt hat.“ Mit Löckchenfrisur und Häubchen gibt die Hörbiger die Schreckschraube. Als ihre ungeliebte, verwitwete Schwiegertochter (Christiane Filangieri) und „die kleine Lady“ – Emily (Philippa Schöne) statt Cedric – auftauchen, erfährt Frau Gräfin, dass Frau auch emanzipiert sein kann. Hörbiger: „Und plötzlich imponiert ihr diese unabhängige Frau, die sich nichts schenken lässt, sondern ihr Geld mit Näharbeit verdient.“ Dritte im Bunde ist die von Mr. zu Mrs. Hobbs umgewandelte New Yorker Gemischtwarenhändlerin. Veronica Ferres spielt eine Suffragette mit roten Haaren, die Zigarren raucht und im Madison Square Garden geboxt hat. „Sie überschreitet die Regeln der Konvention“, so Ferres, „und kommt aufs Schloss, um eine Intrige gegen Emily aufzudecken.“ Eine Betrügerin behauptet dort nämlich, ihr Sohn sei der wahre Erbe. „Die kleine Lady“ ist ein Märchen, das die soziale Ebene – Cedric entdeckt die desolaten Behausungen der Arbeiter des Lords und veranlasst ihn, die Zustände zu ändern – total ausblendet. Dafür singt die Ferres die „Rachearie“ der „Königin der Nacht“. Und wer das nicht gehört hat, hat was versäumt.

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