"Der Anschlag": JFK muss am Leben bleiben
USA Anfang der 60er-Jahre: Schwarze und Weiße verrichten auf getrennten Toiletten ihr Geschäft. Die Kubakrise und der Vietnamkrieg stehen der Menschheit noch bevor. Aus den Autoradios dringt "Stay (Just A Little Bit Longer)", ein Hit von Maurice Williams & the Zodiacs. Die Männer tragen keinen Bart, dafür Anzug, Krawatte, Hut – und die Frauen ihren Rock noch knielang.
Genau in diese durchaus spannende Phase der jüngsten Weltgeschichte reist der Lehrer Jake Epping (James Franco) aus der Jetztzeit zurück. Das dafür nötige Zeitloch befindet sich in einem Abstellraum eines unscheinbaren Diners. Betritt man das Besenkammerl, landet man punktgenau vor dem Restaurant – am 21. 10. 1960 um 11.58 Uhr. Man hätte zu diesem Zeitpunkt also noch drei Jahre, einen Monat und einen Tag Zeit, um Lee Harvey Oswald ausfindig zu machen, ihn aus dem Weg zu räumen und damit den tödlichen Anschlag auf John F. Kennedy zu verhindern. Da der Besitzer des Diners, Al Templeton (Chris Cooper), weiß, dass er keine drei Jahre mehr zu leben hat, überredet er Jake, für ihn die Mission zu übernehmen. Jake, frisch geschieden und geplagt von einer schweren Sinnkrise, überlegt nur kurz und nimmt die Herausforderung an.
Trauma
"11.22.63". So lautet der Titel der neuen Fernsehserie mit dem Beinamen „Der Anschlag“. Die achtteilige Serie, die ab heute immer montags ab 21 Uhr auf FOX via Sky in deutscher Fassung oder im englischen Original zu sehen sein wird, beruht auf Stephen Kings gleichnamigem Roman. Dieses 850 Seiten umfassende Werk des Horror-Meisters über ein zentrales amerikanisches Trauma lässt der TV-Adaption viel Raum, sich zu verzetteln. Aber die Drehbuchautorin Bridget Carpenter und der Produzent J.J. Abrams fügen mit wechselnden Regisseuren das Puzzle gekonnt und mit einem eigenen Zugang zur Geschichte zusammen. Dabei zieht man immer wieder den Hut vor Kings Vorlage und streut wohldosierten Grusel ein. Besonders aufwühlend und intensiv wird es, wenn sich die Vergangenheit dagegen wehrt, geändert zu werden.
Die Handlung der Serie dröselt sich gleich zu Beginn in verschiedene Erzählstränge auf: Neben der Suche nach Lee Harvey Oswald und den Grund für das Attentat auf John F. Kennedy stolpert Jake Epping immer wieder über sein eigenes Leben – und über die Zukunft. Er ist ein Getriebener in einer fremden und zugleich vertrauten Zeit.
Spiel
Es geht um das Große und Ganze, darum, die Geschichte umzuschreiben und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Serie jongliert mit dem vielseitig anwendbaren "Was wäre, wenn ..."-Spiel: Was wäre, wenn John F. Kennedy am 22. 11. 1963 nicht erschossen worden wäre? Hätte man damit den Vietnamkrieg verhindern können? Und welche Konsequenzen hätte das für den weiteren Geschichtsverlauf gehabt? Man wird es auch in "11.22.63 – Der Anschlag" nicht erfahren. Aber das macht nichts, denn das Spiel mit der Vergangenheit ist enorm fesselnd.
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