Außensicht: Neuer FAZ-Korrespondent über Wien

Außensicht: Neuer FAZ-Korrespondent über Wien
"Wien hat klerikale und balkanische Prägung": Stephan Löwenstein, neuer Korrespondent der FAZ in Wien, freut sich darauf Österreichs Wesen zu ergründen.

Über Hitlers Geburtsort formulierte er: "Mit dem Haus ist es nicht so einfach. Abreißen kann man es nicht gut . . . Es gehört dazu. Es ist unbequem. Und es ist nicht wegzukriegen. Vielleicht ist das Haus deshalb ein gutes Symbol für den Umgang mit der Hitlerzeit; nicht nur für Braunau."

Seit 1. September ist Stephan Löwenstein der neue Österreich- und Ungarn-Korrespondent der renommierten Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seit 1. September ist er dabei, sich an die Unterschiede zwischen der Berliner Politik-Redaktion (wo er acht Jahre lang tätig war) und dem Beobachtungsposten Wien zu gewöhnen. Seit 1. September soll der 44-jährige Münchner deutschen Lesern das austriakische Wesen erklären – es beschreiben, es analysieren, es kommentieren.

Treffpunkt ist das Café Tirolerhof in der Wiener Innenstadt. Dorthin, wo einst Thomas Bernhard mit Vorliebe gesessen ist, ließ sich Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, wie er tatsächlich heißt, gerne locken: "Bernhards Geist gehört zu dieser Republik."

Seit 1997 schreibt der Magister der Geschichte für die FAZ tätig. Anfang dieses Jahres bekam er das "überraschende" Angebot, nach Österreich zu übersiedeln. Für einen wie ihn, dessen Magisterarbeit die "Belagerung Wiens 1683 im Spiegel der zeitgenössischen Zeitungen" war, der sich als "katholisch, ländlich geprägt" beschreibt, fast schicksalhaft.

Denkt Löwenstein an die journalistische Herausforderung Österreich, fällt ihm eine "extrem reizvolle Aufgabe" ein. Oder ein "Ausbruch aus dem sich ständig wiederholenden innenpolitischen Getriebe Deutschlands". Dem gegenüber steht die Entwurzelung. Mit Ehefrau und vier Kindern im Alter zwischen 5 und 13 nach Wien zu übersiedeln, sei ein Kraftakt.

Aber die Neugier des Reporters siegte. Er bezeichnet Wien als die "unausländischste" Stadt aller ausländischen Städte. Freut sich auf diese "spezielle klerikale und balkanische Prägung", und darauf, "diese besondere nationale Stimmung zu ergründen". Will die österreichische Mentalität nicht definieren, weil es schwer sei, "dabei nicht in Klischees zu verfallen ". Aber: "Es ist interessant, sich der Gemengelage aus rot-weiß-rotem Selbstbewusstsein und Kleiner-Nachbar-Syndrom zu nähern."

Seinen Stil beschreibt er als "lieber ironisch, ohne große Beißhemmung". Fad wird ihm dabei nicht. Bundesheer- oder U-Ausschuss-Debatten erzeugen Reibung, die er "vorbildlich" nennt. Im Gegensatz zum Spezifikum der immerwährenden Neutralität: "Die ist in diesem Land wohl eher eine Mentalitäts- als eine Realitätsfrage. Österreich wäre sogar imstande, der NATO beizutreten und trotzdem der Neutralität zu huldigen."

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