Als Krimis die Straßen leer fegten

Das Halstuch Von Francis Durbridge Hans Quest Kim Marshall (Erika Beer), TÑnzerin im Nachtclub "Finale", versucht den reichen Modezeitschriften-Verleger Clifton Morris (Albert Lieven), der zum Hauptkreis der VerdÑchtigen gehîrt, zu erpressen. Foto:BR
Kultkrimis der 60er-Jahre: Wenn Scotland Yard ermittelte, musste sich auch das Parlament kurzfassen.

Taxifahrer legten für die Zeit der Ausstrahlung ihre Arbeit nieder. Die Kinos und Theater blieben leer, die Fabriken strichen Nachtschichten. „Das deutsche Kulturleben ist zum Erliegen gebracht“, bemerkte der Programmbeirat des deutschen Fernsehens im Jänner 1962 und ein Abgeordneter des Hamburger Parlaments forderte seine Kollegen auf, ihre Redezeit „so zu beschränken, dass man die Gelegenheit habe, den letzten Teil der Fernsehserie zu sehen“.

Die Rede ist von der Krimireihe „Das Halstuch“ von Francis Durbridge, die 1962 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. 20 Millionen Menschen sahen sich damals die sechs Folgen an, eine Quote von 90 Prozent. (3SAT zeigt die ersten drei Teile heute ab 20.15 Uhr zum Auftakt des „Krimisommers“ ).

Traumquoten wie diese prägten den Ausdruck „Straßenfeger“: Die legendären Krimis der Wirtschaftswunderjahre Jahre sorgten mit ihren Einschaltquoten dafür, dass die Straßen praktisch menschenleer waren.

Beim Nachbarn

Wer noch keinen Fernseher hatte, besuchte Nachbarn oder ein Wirtshaus mit Fernsehgerät. Es waren aus heutiger Sicht oft recht hausbackene Krimi-Kammerspiele von Autoren wie Johannes Mario Simmel oder Kenneth Douglas, besetzt mit hochkarätigen Schauspielern, unter anderem Gert Fröbe, Joachim Fuchsberger, Lex Barker oder Klaus Kinski.

Zu den populärsten Produktionen gehörte Durbridges „Das Halstuch“ mit Heinz Drache, Dieter Borsche und Horst Tappert. Dem britischen Autor gelang der Durchbruch mit dem Hobbydetektiv Paul Temple (die mehrteilige Hörspiele-Reihe ist nun im Hörverlag DHV wieder aufgelegt worden).

In Durbridges TV-Serie „Das Halstuch“ rund um Inspektor Harry Yates (Heinz Drache) heißen Models noch „Fotomodelle“ und die Dialoge der 50er-Jahre-Mittelklasse-Helden klingen so:

„In der Zeitung stand, sie sei am achten Juni ermordet worden?“

„Ja.“

„Das ist sehr merkwürdig. Ich habe sie am achten Juni nämlich noch gesehen.“

Scotland Yard übernimmt den kniffligen Fall.

Die Frau des Inspektors, Steve, heißt in der deutschen Synchronisation übrigens „Stiefelchen“.

3-SAT-Krimisommer

Krimiklassiker" Das Halstuch“ ist der Auftakt: Bis 18. Juli sind unter anderem skandinavische Krimis wie die Reihe „Der Wolf“ nach den Romanen des Norwegers Gunnar Staalesen und der Zweiteiler „Die Rückkehr des Tanzlehrers“ nach Henning Mankell zu sehen, sowie weitere Literaturverfilmungen, darunter der Basler Kommissar Hunkeler des Schweizer Schriftstellers Hansjörg Schneider und „Das geheime Leben meiner Freundin“ nach dem Roman „Die Sonnenuhr“ von Maarten 't Hart.

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