Alice Schwarzer wird 70
Seit fast fünf Jahrzehnten engagiert sich Alice Schwarzer für die Gleichberechtigung der Frau. Mit der Nachrichtenagentur dpa sprach sie über Erreichtes und noch Unerreichtes, über ihre feministische Zeitschrift "Emma" und den Fall Jörg Kachelmann, der 2011 aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde.
Worauf sind Sie persönlich stolz, wenn Sie zurückblicken?
Schwarzer: "Ich erlebe täglich in meiner Post, auf Veranstaltungen und auf der Straße, dass ich vielen Frauen Mut mache, gerade auch jungen Frauen. An mir können Frauen sehen: Widerstand und Engagement lohnen sich. Ja, es kann sogar Spaß machen! Und natürlich freue ich mich, dass 'Emma' auch nach 37 Jahren unabhängig und kämpferisch ist und ab jetzt sogar wieder öfter erscheint, nämlich alle zwei Monate."
Alice Schwarzer: Vom ersten Kuss und Liebe zu Frauen
Ist es weiter notwendig, für die Rechte der Frau zu kämpfen - und werden Sie am Ball bleiben?
"Zweimal Ja!"
Ihnen wird vorgeworfen, Sie duldeten niemanden neben sich, seien wenig kritikfähig, arbeiteten isoliert, ohne Bündnisse zu suchen und seien bisweilen schlicht nicht mehr zeitgemäß. Was entgegnen Sie?
Mit meiner Realität haben diese Klischees wenig zu tun. Bei 'Emma' zum Beispiel arbeiten zurzeit fünf Festangestellte und vier feste Freie. Und zwar seit: 37 Jahren, 31 Jahren, 18 Jahren, 13 Jahren, zehn Jahren. Das zur isolierten Arbeit. Und wie wenig zeitgemäß ich bin, sehen Sie schon daran, dass nicht nur dpa mich mindestens zweimal im Jahr interviewen möchte.
Ihr Verlag hatte angekündigt, Sie wollten ein Buch über den Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann schreiben. In einer "Emma"-Ausgabe hieß es, Sie wollten das Projekt doch aufgeben?
Ich werde dieses Buch über den Fall Kachelmann nicht schreiben. Aus mehreren Gründen: Zum einen ekelt mich dieser auf allen Ebenen besonders verlogene Fall an. Zum anderen ging es mir noch nie nur um diesen einen Fall - also die anscheinend unlösbare Frage nach der Wahrheit in der fraglichen Nacht -, sondern immer vor allem um den öffentlichen Umgang mit dem Problem der sexuellen Gewalt in Beziehungen. Dafür steht der Fall Kachelmann ja exemplarisch. Über dieses Problem berichtet 'Emma' permanent aktuell.
Sie hatten Familienministerin Schröder vor einiger Zeit angegriffen, diese hat aber zu Jahresbeginn mit ihrer Mittelzusage Ihren FrauenMediaTurm gerettet. Hat sich Ihre Beziehung verbessert?
Es ist großartig, dass die Ministerin Schröder den FrauenMediaTurm durch beherztes Einspringen für die rückwirkend gekürzte Förderung durch NRW gerettet hat. Aber das bedeutet leider noch lange nicht, dass sie von nun an in Sachen Frauen immer das Richtige tut - wie wir an der vielfältigen Kritik an ihrer Person sehen.
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