Androsch warnt vor "Egoismus-Union"

Androsch warnt vor "Egoismus-Union"
Hannes Androsch will Eurobonds und die Aufstockung des EU-Rettungsschirmes, um Spekulanten besser abzuwehren.

Rund 325 Millionen Bürger haben den Euro, 17 Länder bilden die Euro-Zone und die Währungsunion. Der Industrielle Hannes Androsch warnt vor einem Scheitern des Euro und vor kurzfristigem Denken.

KURIER: Herr Androsch, gefährdet der neuerliche Streit um Garantien für die Griechenland-Hilfe nicht die gesamte Währungsunion?
Hannes Androsch:
Es muss allen klar sein, dass es nicht um die Rettung Griechenlands geht, sondern um unsere eigene Stabilität. Um den Wohlstand und den Binnenmarkt zu sichern, ist die Griechenland-Rettung absolut wichtig.

Warum?
Man muss sehen, was der Binnenmarkt Österreich bringt, nämlich ein zusätzliches Wachstum von 0,5 Prozent jährlich. Der Euro ist ein wesentlicher Bestandteil der EU-Integration. Die gemeinsame Währung entscheidet darüber, ob die EU ein globaler Mitspieler oder Spielball anderer ist. Der Binnenmarkt verlangt aber auch ein Mindestmaß an gemeinsamer Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit dem Maastricht-Vertrag ist das nicht erfüllt. Deswegen fordert EZB-Chef Jean-Claude Trichet ja einen gemeinsamen Finanzminister und eine Wirtschaftsregierung, die auch für Disziplin bei den öffentlichen Finanzen sorgt.

Die Regierung ist gegen einen gemeinsamen Finanzminister und eine Wirtschaftsregierung. Ist das klug?
Wenn die Regierung diese Pläne ablehnt, schadet sie den Interessen des Landes und der Bevölkerung. Das ist kurzfristiges, naives Denken aus taktischen Gründen. Österreich war 2008 durch das Ost-Engagement der Banken sehr gefährdet. Hätten damals der Internationale Währungsfonds, die EZB und die EU Rumänien, der Ukraine und Ungarn nicht massiv geholfen, hätten wir eine griechische Situation bekommen. Noch einmal: Wir helfen nicht Griechenland, wir helfen uns selbst.

Sind Vertragsänderungen und die Angst vor einem Referendum der Grund der Regierung, gegen jede weitere EU-Integration zu sein?
Man stellt sich damit selbst eine Falle auf. Man benötigt dafür gar keine Vertragsänderung. Man muss über den Tellerrand hinausschauen. Eine Währungsunion muss eine Fiskal- und Solidarunion sein. Ich warne vor einer nationalstaatlichen, kurzsichtigen, illusionären Egoismus-Union.

Stichwort Transferunion: Niemand will für andere zahlen. Warum die Forderung?
Die Transferunion gibt es ja schon längst: Die gemeinsame Agrarpolitik, die Strukturfonds der EU stellen eine Transferunion dar. Man soll endlich erklären, was Sache ist: Eine Transferunion liegt im Interesse der Menschen. Wir brauchen eine koordinierte, sanktionierte und Disziplin schaffende Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie eine Schuldenbremse wie in der Schweiz und in Deutschland. Man kann keine Union haben, alle Vorteile in Anspruch nehmen, Rosinen picken - und wenn es um Solidarität geht, sich töricht nationalstaatlich verhalten.

Reicht der Rettungsschirm aus, um den Schuldenländern zu helfen und Spekulanten fernzuhalten?
Nein. Wir brauchen ein Volumen von 2000 bis 3000 Milliarden Euro und auch Eurobonds (derzeit umfasst der EU-Rettungsschirm 780 Milliarden Euro, Anm.). Bei dieser Größenordnung kann man Spekulanten besser abwehren. Hedgefonds haben Interesse an der Zerstörung der Euro-Zone. Je größer die Stabilisierungsfazilität ist, desto weniger wird man sie brauchen. Die Amerikaner haben das Privileg des Dollars als Weltwährung, sie wollen keine Konkurrenz. Und sie können sich die Schulden selbst drucken lassen. Die Chinesen lehnen das Monopol des Dollars ab, sie wollen einen stabilen Euro.

Hannes Androsch: Warner und Visionär

Geboren 18. April 1938; Wirtschaftsuni; Dkfm. Dr.

Politische Karriere 1963 SPÖ-Klub, unter Kanzler Kreisky von 1970-1981 Finanzminister, ab 1976 Vizekanzler.

Wirtschaftliche Karriere 1981-1988 Generaldirektor der Creditanstalt; 1989 Gründung der Androsch International Management Consulting.

Initiativen Gemeinnützige Stiftung; 2011 Initiator des Bildungsvolksbegehrens.

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