Arbeitsmarkt driftet immer stärker auseinander

Abgehängt: Nicht alle profitieren vom Stellenboom
Analyse: Fachkräftemangel hier Langzeitarbeitslosigkeit dort: Der heimische Arbeitsmarkt bietet Licht, aber auch viel Schatten. Die geplanten Einsparungen beim AMS werden die Gräben vertiefen.

Für Industriefachkräfte sind es rosige, für Ingenieure und Informatiker goldene Zeiten. Die Nachfrage nach bestens ausgebildeten, "richtig" qualifiziertem Personal ist so gut wie lange nicht, Betriebe können ihren Bedarf kaum decken. Folgende Faktoren sorgen aktuell für das Schönwetter am Arbeitsmarkt:

+Hochkonjunktur Der vor allem von der Industrie getriebene Aufschwung dürfte noch länger anhalten, die Beschäftigung daher weiter zulegen. Davon profitieren derzeit vor allem die Männer. Der von einigen Experten befürchtete Jobabbau durch fortschreitende Digitalisierung wirkt sich zumindest statistisch (noch) nicht aus, es dürfte sich mehr um einen jahrelangen, schleichenden Prozess handeln.

+Offene Stellen Mehr als 62.000 offene Stellen gab es Ende Februar überhaupt noch nie. Der Großteil des Personalbedarfs entfällt mit 38 Prozent auf Industrie und Gewerbe, insbesondere Metaller-, IT- und Elektroberufe. Erst dahinter folgt der Dienstleistungssektor (v.a. Tourismus), Gesundheits- und Sozialberufe sowie der Handel.

+Demografie Geburtenrückgang und Höherqualifizierung sorgt für deutliche Entspannung bei der Jugendarbeitslosigkeit. Die Betriebe stellen auch wieder etwas mehr Lehrlinge ein als zuletzt, der Bedarf ist aber regional unterschiedlich.

Problemgruppen

An den Problemgruppen am Arbeitsmarkt wie Ältere, schlecht qualifizierte Jugendliche, gesundheitlich Beeinträchtigte und Flüchtlingen geht der Stellenboom allerdings weitgehend vorbei. Die aktive Arbeitsmarktpolitik sorgt dafür, sie jobfit zu machen. Diese Mittel werden von der Regierung heuer um – noch unbestätigte – 600 Mio. Euro gekürzt. Das sind 30 Prozent des laufenden AMS-Jahresbudgets von 1,94 Mrd. Euro. Die Kürzungen werden sich auf folgende Bereiche auswirken.

-Jugendliche Die "staatlichen Ersatzlehrstellen" in Form der Überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) sollen stark beschnitten werden und dafür mehr Geld in die Betriebe fließen. Der Lehrlingsmangel in einigen Regionen mag dafür sprechen, die schlechte Qualifizierung vieler Jugendlicher vor allem in Wien dagegen. Das Problem der fehlenden Ausbildungsreife ist noch lange nicht gelöst. Ohne Auffangnetz landen viele Jugendliche auf der Straße, was den Staat letztlich teurer kommt als die Ausbildung. Fraglich ist, wie die Regierung mit weniger Mittel die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre umsetzen will. Aktuell sind rund 10.000 Lehrlinge in der ÜBA.

-Langzeitarbeitslose Ein vorzeitiges Aus der umstrittenen Beschäftigungsaktion 20.000 für ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Langzeitarbeitslose soll 430 Mio. Euro einsparen. Gespart wird aber nur dann, wenn die Betroffenen auch so einen Job finden und nicht weiter Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen. "Wer bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik kürzt, kürzt bei Perspektiven, Hoffungen und Lebenschancen langzeitarbeitsloser Menschen", kommentiert Judith Pühringer vom Verband der Sozialen Unternehmen.

-Flüchtlinge Die Mittel für das im Vorjahr angelaufene Integrationsjahr für Flüchtlinge sollen auf 50 Mio. halbiert werden. Das Programm soll Flüchtlinge an den Arbeitsmarkt heranführen. Hier zu kürzen sei falsch, betont AMS-Chef Johannes Kopf, es sei nicht nur eine soziale Frage, sondern auch eine ökonomische, diese Leute zu integrieren. Ebenfalls gekürzt werden die Mittel für Deutsch-Kurse von 80 auf 20 Mio. Euro. Begründet wird dies mit dem Rückgang an Flüchtlingen.

Wo das AMS interne Umschichtungen vornehmen wird, entscheidet der Verwaltungsrat Ende März.

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