Streik, Steuertricks und lachende Dritte

Amazon-Beschäftigte streiken am 14.05.2013 in Bad Hersfeld (Hessen). Hintergrund für den Streik ist die Forderung nach einem Tarifvertrag zu den Konditionen des Einzel- und Versandhandels, was das Unternehmen bisher ablehnt. Foto: Uwe Zucchi/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Negativschlagzeilen des US-Konzerns Amazon bringen heimischen Online-Händlern hohe Zuwächse.

Der trübe Regentag passte zur Stimmung vor dem Versandzentrum von Amazon in Leipzig. 500 Mitarbeiter legten am Montag laut Angaben der Gewerkschaft Verdi die Arbeit nieder und forderten höhere Löhne. Es war bereits der zweite Streik binnen eines Monats. Die Gewerkschaft will einen Tarifvertrag nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels durchsetzen. Damit würden den Mitarbeitern mehr als zwölf Euro Stundenlohn sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zustehen. Davon wollen die Manager des US-Konzerns nichts hören. Sie pochen auf eine Entlohnung nach den Regeln der Logistikbranche. Im ersten Jahr belaufe sich der Stundenlohn auf 9,30 Euro, im zweiten auf mehr als zehn Euro.

Imageschaden

Das Image von Amazon als Arbeitgeber ist stark angepatzt, seitdem die schlechten Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern in einem deutschen Logistikzentrum publik wurden. Zudem stehen die steuerschonenden Konstruktionen des weltweit größten Versandhändlers verstärkt am Pranger. Laut der Nachrichtenagentur Reuters ist es Amazon.com gelungen, mithilfe seiner Luxemburger Firmen-Konstruktion rund zwei Milliarden Dollar steuerfrei beiseite zu schaffen. Das Geld ist vor allem in die Expansion geflossen.

„Gegenüber international agierenden Konzernen wie Amazon, die die Schlupflöcher von Steueroasen nutzen, sind heimische Firmen klar benachteiligt“, ärgert sich Gerald Schantin, Geschäftsführer von Morawa und Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels (HVB). „Amazon schöpft in Österreich 15 bis 17 Prozent des Buchverkaufs ab, hat aber gar keinen Standort in Österreich. Die Auslieferung erfolgt über Deutschland“, ärgert er sich über den „Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzverlust“.

Die aktuellen Berichte über Steuerkonstruktionen und schlechte Arbeitsbedingungen haben dem US-Konzern hierzulande aber einige Sympathiepunkte gekostet, sind Branchenvertreter überzeugt. Das schlägt sich auch in den Verkaufszahlen der stationären Händler und rot-weiß-roten Online-Shops nieder. Schantin: „Im Online-Geschäft hat Morawa seit der Diskussion um die Arbeitsbedingungen ein Plus im zweistelligen Prozentbereich. Das ist durchaus repräsentativ für die Branche. Die Frage ist aber, wie nachhaltig dieser Zuwachs sein wird.“

Zusteller

Auch österreichische Gewerkschafter stehen dem Geschäftsmodell von Amazon bereits kritisch gegenüber. „Ein Teil des Amazon-Erfolgs geht zulasten der Zusteller, die überwiegend mit Werkverträgen arbeiten. Das ist ein Megathema, das wir uns sicher anschauen werden“, kündigt Karl Proyer, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA-djp, an.

Von wegen verstaubt: In kaum einer Branche hat es in den vergangen Jahren so gravierende Umbrüche gegeben wie im Handel mit Büchern. Ein geschätztes Fünftel des Geschäfts wird bereits im Internet abgewickelt, Tendenz stark steigend. In den meisten Jahren fallen die Zuwachsraten knapp zweistellig aus. Den größten Teil des Umsatzkuchens hat sich in den vergangenen Jahren der US-Versandhandelsriese Amazon gesichert, auf den 15 bis 17 Prozent des Branchenumsatzes entfallen.

Dass damit Geld ins Ausland abfließt, haben sich die Buchhändler zu einem gewissen Teil auch selbst zuzuschreiben. Viele – vor allem kleine Händler – haben noch immer keine Homepage mit angeschlossener Bestellfunktion eingerichtet – auch weil sie die Kosten dafür scheuen.

Österreichweit werden jährlich geschätzte 770 Millionen Euro für Bücher ausgegeben, ein Drittel davon für Belletristik. Auf den Rängen zwei und drei folgen Ratgeber und Kinderbücher (21 bzw. 14 Prozent). Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Marktkonzentration im heimischen Buchhandel noch verhältnismäßig gering. Knapp die Hälfte des Umsatzes geht auf das Konto der großen Filialisten – angeführt von Thalia, Morawa, Libro, Weltbild.at, Tyrolia und Frick. Die Zahl der Buchhandlungen ist relativ konstant (zuletzt minus ein Prozent). Landesweit gibt es aktuell knapp 1900 Buchhandlungen, die meisten davon (529) in der Bundeshauptstadt, gefolgt von Nieder- und Oberösterreich.

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