Alitalia: Andere Airlines profitieren vom Absturz

People walk in the Alitalia departure hall at Fiumicino international airport in Rome, Italy, July 24, 2015. REUTERS/Max Rossi/File Photo
Mitbewerber werden die Flug-Routen in kürzester Zeit übernehmen, Wien fliegen die Italiener gar nicht an.

Rund 500.000 Euro Verlust fliegt die italienische Fluglinie Alitalia jeden Tag ein – aber nicht mehr lange. Denn: Die marode Airline steht vor dem Aus. Am Montag hat die Mehrheit der Belegschaft (12.500 Mitarbeiter) hat den Sanierungsplan abgelehnt. Zuvor hatten die Alitalia-Gesellschafter UniCredit und Intesa Sanpaolo sowie die arabische Fluglinie Etihad erklärt, dass sie keine Kredite mehr gewähren werden. Nun liegt der Ball bei der Regierung in Rom.

Laut Experten wird diese einen Sonderverwalter für die Alitalia einsetzen und das Unternehmen abwickeln lassen. Oder anders gesagt: Sie wird zerschlagen und die Vermögensteile werden verkauft.

"Die Alitalia hat bei Flügen nach Süd- und Nordamerika eine gewisse Bedeutung", sagt Luftfahrtexperte Kurt Hofmann zum KURIER. "Wenn sie den Flugbetrieb einstellt, werden die freiwerdenden Kapazitäten binnen kürzester Zeit von anderen Fluglinien übernommen. Wir haben ja zu viele Flüge und zu viele Fluglinien in Europa." Vor allem Billig-Airlines wie Ryanair, die schon bisher Alitalia zusetzten, werden punkten. "Italien ist auch aufgrund seiner geografischen Ausdehnung ein großer spannender Markt", sagt Hofmann. "Dass man hier nie Geld verdient hat, das muss man auch einmal zusammenbringen."

Die Chronologie

1996: Nach einem halben Jahrhundert unter staatlicher Kontrolle beschließt die Regierung von Romano Prodi die Börsennotierung eines 37-prozentigen Alitalia-Anteils. Zugleich sucht die Airline einen industriellen Partner. Gespräche werden mit der niederländischen KLM aufgenommen, die jedoch zu keinen Ergebnissen führen.

2001: Nach den Anschlägen vom 11. September geraten alle Fluggesellschaften unter Druck. Air France steigt mit einer zweiprozentigen Beteiligung bei Alitalia ein.

2006: Die Regierung Prodi unternimmt eine zweite Privatisierung mit dem Verkauf eines 39-prozentigen Anteils. Damit soll der Staat auf die Kontrolle der Airline verzichten. Die Interessenten ziehen sich schrittweise zurück, nachdem sie Einblick in Alitalias Bilanzbücher bekommen.

2007/08: Ende 2007 startet die italienische Regierung Verhandlungen mit Air France, die inzwischen die Fusion mit KLM besiegelt hat und an der Übernahme eines 49,9-prozentigen Anteils an der Alitalia interessiert ist. Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Kürzungen, die Air France-KLM als Bedingung für die Übernahme stellt. Air France zieht sich daraufhin von den Verhandlungen zurück.

2008: Im Frühjahr gewinnt der TV-Unternehmer Silvio Berlusconi die Parlamentswahlen Das Management der Alitalia meldet den Konkurs an. Die Alitalia-Aktie wird von der Börse gestrichen, mit schweren Verlusten für viele Anleger. Inzwischen bildet sich das italienische Konsortium CAI, an dem sich eine Gruppe italienischer Investoren beteiligen, wie Benetton, der Versicherungszar Salvatore Ligresti, das Stahlunternehmen Marcegaglia und die Mailänder Großbank Intesa Sanpaolo. Der gesunde Teil der Airline wird für 300 Mio. Euro übernommen. Der verschuldete, restliche Anteil der Airline wird über eine Bad Bank vom italienischen Staat übernommen, was Italiens öffentliche Kassen circa zwei Milliarden Euro kostet.

2009: Alitalia kürzt 8.000 Jobs, die Managergehälter werden um 20 Prozent reduziert. Air France steigert ihren Anteil auf 25 Prozent, doch die Airline kommt wegen der zunehmenden Konkurrenz von Billigfliegern nicht in Schwung. Auch der Erfolg der Hochgeschwindigkeitszüge auf der für Alitalia einst stark rentablen Strecke Rom-Mailand verursacht der Fluggesellschaft schwere Einnahmerückgänge.

2013: Alitalia braucht eine Kapitalerhöhung, um weiterfliegen zu können. Die italienische Post steigt in die Fluggesellschaft ein, Air France reduziert dagegen ihre Beteiligung. Als Retter in der Not taucht die arabische Airline Etihad auf, die Mitte 2014 eine 49-prozentige Beteiligung an der Alitalia übernimmt. Der Entwicklungsplan der Araber sieht die Erreichung der Gewinnschwelle im Jahr 2017 vorher.


2016: Alitalia häuft weiterhin Verluste an. CEO Silvano Cassano tritt zurück und wird mit dem Australier Cramer Ball ersetzt. Doch auch der erste ausländische CEO in der Geschichte Alitalias bringt die Airline nicht auf Kurs. Ende 2016 meldet die Alitalia Verluste von 460 Mio. Euro, auch für 2017 wird ein Minus von mehreren hundert Millionen Euro erwartet.

2017: Das Alitalia-Management einigt sich mit den Gewerkschaften auf einen Rettungsplan, der die Streichung von circa tausend Jobs und beträchtliche Gehaltskürzungen vorsieht. Die Belegschaft trotzt den Gewerkschaften und stimmt gegen den Plan. Erwartet wird, dass die Regierung die Airline mit ihren 12.000 Mitarbeitern unter Aufsicht eines Sonderverwalters stellt. Dieser könnte die Auflösung der Airline beschließen, oder sich auf die Suche nach Interessenten machen. Nicht ausgeschlossen wird, dass die ehemalige staatliche Airline zerstückelt verkauft wird.

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