Air Berlin: Bleiben Passagiere aus, wird es schneller eng

Noch müssen die Flieger von Air Berlin nicht am Boden bleiben.
Der Ticketverkauf bei Air Berlin ist bereits rückläufig. Am Freitag sind Gespräche zwischen Gewerkschaft und Airlinespitze angesetzt. Niki könnte bei Eurowings landen.

Bei den Entscheidungen über die Zukunft von Air Berlin drängt die Zeit. Wie lange die Airline den Betrieb mit Hilfe des deutschen Staatskredits über 150 Mio. Euro aufrechterhalten kann, hängt von der Buchungslage ab, sagte eine mit der Lage vertraute Person. "Wenn die Passagiere nicht bei der Stange bleiben, kann es sein, dass man früher den Gürtel enger schnallen muss."

Am gestrigen Dienstag, dem Tag der Insolvenzanmeldung, seien die Buchungen zurückgegangen, aber nicht dramatisch, sagte der Insider zu Reuters. Air Berlin hatte angekündigt, trotz der Insolvenz weiterzufliegen.

Geld könnte bis November reichen

Die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte am Dienstag erklärt, das Geld dürfte reichen, um den Betrieb von Air Berlin bis Ende November zu gewährleisten. In der Zwischenzeit sollen die Verhandlungen mit Lufthansa und Easyjet über die Übernahme von Teilen von Air Berlin - vor allem die begehrten Start- und Landerechte - abgeschlossen sein. "Die Slots sind das einzig Werthaltige. Die Ideallösung wäre, das so zu filetieren, dass nichts übrig bleibt", sagte der Insider. Sondierungsgespräche sollten rund ums Wochenende stattfinden.

Aus insolvenzrechtlicher Sicht muss die Zukunft von Air Berlin aber bis Ende Oktober zumindest ansatzweise klar sein. Denn die deutsche Arbeitsagentur zahlt die Löhne der 7.200 Mitarbeiter in Deutschland nur im vorläufigen Insolvenzverfahren, von August bis Oktober. Für Juli hatte Air Berlin noch selbst gezahlt. Ab November müsste die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft die Personalkosten wieder selbst stemmen.

Personal am Markt gefragt

Die Crews von Air Berlin haben nach Einschätzung der deutschen Gewerkschaft Verdi gute Aussichten auf neue Arbeitsplätze. "Für die Kollegen in Kabine und Cockpit sind die Chancen sehr hoch", sagte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. "Auf dem Markt wird viel Personal gesucht." Schwierig sei die Zukunft für die Verwaltungsmitarbeiter. "Da machen wir uns große Sorgen, denn jeder mögliche Übernehmer hat ja schon eine Verwaltung." Je nach Käufer gelte das auch für die Technik.

Nach dem Insolvenzantrag soll es bei Air Berlin am Freitag ein erstes Gespräch zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung geben. Auch in Österreich bei Niki suchen die Arbeitnehmervertreter die Gespräche mit dem Management.

Experte: Niki könnte bei Eurowings landen

Die Österreich-Tochter Niki könnte Teil von Eurowings werden, sagte der österreichische Luftfahrtexperte Kurt Hoffmann am Mittwoch im ORF-Morgenjournal. Gespräche über eine solche Lösung würden nach dem Informationstand von Dienstagnachmittag geführt, sagte Hoffmann. Niki beschäftigt rund 850 Leute.

Auch der zum Reisekonzern Thomas Cook (Neckermann Reisen) gehörende Ferienflieger Condor soll laut dpa-AFX Interesse an der Teilnahme an Auffanglösungen bekundet haben - zumal ein Teil der Thomas Cook-Reiseveranstalter-Gäste mit Air Berlin und ihrer Tochter Niki in den Urlaub geflogen wird.

Der weltgrößte Reisekonzern TUI sei ebenfalls involviert: 14 Flugzeuge seines Ferienfliegers TUIfly seien samt Personal bei Niki im Einsatz, der für TUI lukrative Deal sei jetzt in Gefahr. Ein seit vorigem Jahr geplantes Ferienflieger-Bündnis aus TUIfly und Niki war Anfang Juni geplatzt.

Der arabische Air-Berlin-Großaktionär Etihad hat sich bisher nicht geäußert. Nach Informationen des "Handelsblatts" ist sich die Herrscherfamilie in Abu Dhabi auch nicht einig, wie es mit Etihad weitergeht. Die Strategie, vor allem mit europäischen Partnern zu wachsen, ist gescheitert, auch Alitalia, die zweite große Beteiligung, ist mittlerweile pleite. Allerdings dürfte auch die aktuelle Situation bei Air Berlin zu der Entscheidung beigetragen haben. "Die finanziellen Zusagen waren an Ziele gekoppelt, die aber mittlerweile Makulatur sind nach den immer neuen Problemen", werden informierte Quellen aus Abu Dhabi zitiert.

In Wien wurden am Mittwoch wieder Rufe nach besserer Absicherung von Fluggästen bei Airlinepleiten laut. Angesichts der Air-Berlin-Pleite forderte Peter Kolba, Kandidat der Liste Pilz und vormaliger Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), eine Involvenzabsicherung für Kunden, die nur einen Flug und kein Pauschalarrangement gebucht haben. Diese könnten durch die Air Berlin Insolvenz geschädigt werden. Sinnvollerweise müsse eine solche Absicherung auf EU-Ebene eingerichtet werden.

Zwar werde versichert, dass man - mit einem Kredit der deutschen Regierung - die gebuchten Flüge noch abwickeln werde, "doch wenn Flüge ausfallen, dann ist der Flugpreis verloren und man kann diese Forderung nur in der Insolvenz anmelden". Wer derzeit noch nicht konsumierte Air Berlin Tickets habe, könne - nur wegen der Insolvenz - nicht vom Vertrag zurücktreten, sondern nur hoffen, dass die Zusagen, diese Flüge noch auszuführen, halten werden. Passiert das nicht, könne der Anspruch auf Rückzahlung nach derzeitiger Rechtslage nur in der Insolvenz angemeldet werden.

Ins gleiche Horn stieß der ÖAMTC. Auch wenn im aktuellen Fall auf die Finanzspritze des deutschen Staates verwiesen werde, heiße das nicht, dass sich niemand Gedanken oder Sorgen machen müsse, gab ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried zu bedenken. Vor allem, wer direkt bei Air Berlin gebucht habe, könne auf einem großen Teil seiner Forderungen sitzen bleiben.

Seit 1999 schütze zwar die Reisebürosicherungsverordnung Konsumenten, wenn Reiseveranstalter oder Reisebüros in Konkurs gehen. Allerdings nur dann, wenn es sich bei der Reise um eine Pauschalreise handelt. Die Verordnung verpflichtet diese Unternehmen, mit einer Versicherung oder einer Bankgarantie für den Insolvenzfall vorzusorgen. Für Fluglinien sei diese Konkursabsicherung noch immer nicht vorgeschrieben. Aus Anlass der Air-Berlin-Pleite müsse diese Lücke im Konsumentenrecht endlich geschlossen werden.

Flugreisenden riet der ÖAMTC heute, jedenfalls keine Gutscheine von Air Berlin zu erwerben oder sich als Entschädigung für abgesagte Flüge ausfolgen zu lassen.

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