Aiginger: "Diese Zeit haben wir nicht"

Aiginger: "Diese Zeit haben wir nicht"
Nach der Kurzfrist-Hilfe braucht es ein industrielles Aufbauprogramm für Griechenland, sagt WIFO-Chef Aiginger.

Künftig zahlt Griechenland statt 21 Prozent an Eigenmitteln bei kofinanzierten EU-Projekten nur mehr 15 Prozent. Das hat Österreichs EU-Regionalkommissar Johannes Hahn in Athen vereinbart. Insgesamt hat Griechenland von 2007 bis 2013 Anspruch auf 20 Milliarden Euro Regionalförderung, erst 4,9 Milliarden Euro wurden genutzt - teils weil das Geld für die nötige Kofinanzierung fehlt.

WIFO-Chef Karl Aiginger geht daher einen Schritt weiter und fordert die "völlige Aussetzung der Kofinanzierung für drei Jahre". Diese Maßnahme ist aber nur ein Teil des von Aiginger ausgearbeiteten und dem KURIER exklusiv vorliegenden GRP ("Greek Recovery Program").

Darin fordert der Spitzenökonom den Einsatz verschiedenster wachstumsfördernder Elemente der EU-Struktur- und Regionalpolitik "mit Schwerpunkt auf dem Aufbau von Industrie und Dienstleistungen in Griechenland - und nicht wieder nur Straßen bauen".
Das Land braucht nach Ansicht Aigingers neben der "kurzfristig wirksamen" Feuerwehraktion eines Schuldenschnitts ein "langfristig glaubwürdiges" Aufbauprogramm mit einer aktiven Wachstumskomponente, wie er im Gespräch sagte. Dazu gehörten Schritte wie:

Regionalmittel auf die rasche Arbeitsaufnahme konzentrieren (Betriebsgründungen, Gewerbezentren, Businessparks).

Bürokratie-Hilfe zur Abrufung von EU-Mitteln, bei der Steuereintreibung, bei Privatisierungen oder im Bereich Arbeitsmarkt.

Arbeitsmarkt Aiginger schweben auch Dinge wie Stipendien für griechische Studenten in technischen Berufen, Angebote samt Jobgarantie für griechische Facharbeiter oder niedrigst verzinste Startdarlehen für 1000 griechische Jungunternehmer vor.

Die Konsolidierung des griechischen Staatsbudgets dauert ohne neues Wachstum und Visionen für zukunftsträchtige Branchen ansonsten mindestens fünf bis zehn Jahre, ist Aiginger überzeugt. "Diese Zeit haben wir nicht. Da wäre auch die Gefahr der Ansteckung anderer Länder zu groß und Europa überfordert."

Warnschuss

Der Warnschuss der Finanzmärkte vor den Bug des "neuen" Euro-Sorgenkindes Italien sei "vielleicht sogar ein Glücksfall", so Aiginger. Es sei die Chance die innenpolitischen Probleme Italiens in den Griff zu bekommen und Reformen endlich umzusetzen.

Diese "Warnung der Märkte" hätten in Österreich Androsch, Treichl und Raidl übernommen, freut sich Aiginger über die privaten Reforminitiativen aus Industrie und Bankenwelt. Erstaunlich genug sei, dass sich auch in Österreich langsam der Reformstau auflöse. Aiginger nennt als Beispiele die oberösterreichische Gesundheitsreform, die Schritte zur Verwaltungsvereinfachung in der Steiermark oder den Beschluss über das neue Ökostromgesetz. "Plötzlich bewegt sich was. Der pragmatische Step-by-Step-Ansatz beginnt Wirkung zu zeigen."

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