Ärger für Lebensversicherer

Kunden, die Polizzen vorzeitig kündigen, müssen oft herbe Verluste in Kauf nehmen.
Der VKI ortet schwere rechtliche Fehler in fast zwei Drittel der Polizzen.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) nimmt die Lebensversicherer erneut ins Kreuzfeuer. Wie der KURIER bereits Mitte März berichtete, sollen die ab 1994 verkauften Polizzen zum Teil erhebliche rechtliche Fehler aufweisen. Der VKI hat dazu 1000 Versicherungsverträge, die vor allem zu Sparzwecken abgeschlossen wurden, überprüft. Mit dem Ergebnis, dass in 64 Prozent der Verträge die schriftliche Rücktrittsbelehrung falsch oder fehlerhaft ist. Einer der Gründe dafür ist, dass Versicherungen angeblich mehrere Gesetzesnovellen verschlafen bzw. ihre Verträge nicht adaptiert haben. Laut Urteilen des Europäischen Gerichtshof (EuGH) und des Obersten Gerichtshof (OGH) können die betroffenen Kunden dadurch aber jederzeit vom Versicherungsvertrag zurücktreten und die Rückabwicklung verlangen.

"Es könnten Millionen Verträge betroffen sein", meint VKI-Juristin Ulrike Wolf. Die Konsumentenschützer sprechen dabei vor allem jene Versicherungsnehmer an, die mit dem "Ertrag" ihrer Lebensversicherung unzufrieden sind.

Außerdem schätzt der VKI, dass etwa die Hälfte aller in Österreich abgeschlossenen Lebensversicherungen vor Ende der Laufzeit gekündigt werden, weil sich Kunden das Finanzprodukt nicht mehr leisten können oder das angesparte Geld für andere Zwecke benötigen. Doch der vorzeitige Ausstieg führt meist zu herben Verlusten.

Rückkaufswert

Denn der sogenannte Rückkaufswert, der an den Kunden ausgezahlt wird, liegt in der Regel deutlich unter den eingezahlten Prämien. Die Versicherer ziehen davon die Provisionen, Gebühren und Verwaltungskosten ab.

Ob ein Vertragsrücktritt wirtschaftlich sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Unter der Internetadresse verbraucherrecht.at/schnellrechner hat der VKI ein kostenloses Tool eingerichtet, mit dem Betroffene ihre Lebensversicherung grob checken können.

"Der Konsument sieht sofort, ob sich der Rücktritt vom Vertrag rechnet", sagt Wolf. Der deutsche Wirtschaftsmathematiker Philipp Schade hat für den VKI herausgefunden, dass die Differenz zwischen dem Rückkaufswert und dem Rückabwicklungswert bis zu 42 Prozent beträgt. In einem Extremfall betrug die Abweichung sogar 105 Prozent. Das hat seinen Grund.

"Bei einer Rückabwicklung stehen dem Konsumenten die gesamten eingezahlten Prämien plus die gesetzlichen Zinsen von vier Prozent pro Jahr zu", erklärt VKI-Anwalt Alexander Klauser. Für einen Unkostenbeitrag (95 Euro) kam man sich der VKI-Sammelaktion anschließen.

Fakt ist: Bei Altverträgen, die noch eine Garantieverzinsung von drei bis vier Prozent aufweisen, wird eine Rückabwicklung eher nicht sinnvoll sein. So warnt auch der Versicherungsverband (VVO) vor unüberlegten Schritten. "In Zeiten von extrem niedrigen Zinsen und steigender Lebenserwartung wäre ein Rücktritt mit großen Nachteilen verbunden", stellt der VVO klar. Die Kunden würden u. a. den attraktiven Garantiezins verlieren. Es bestehen derzeit zehn Millionen Lebensversicherungsverträge. Die 640 vom VKI beanstandeten Polizzen sind ein kleiner Teil davon.

Aktueller Gesetzestext

Im Versicherungsvertragsgesetz wurde die Belehrung über das Rücktrittsrecht seit 1994 mehrfach novelliert. Seit Juni 2012 muss es in den Verträgen korrekt heißen: „Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, binnen 30 Tagen nach seiner Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten.“ Diese Frist beginnt aber erst dann zu laufen, wenn der Verbraucher über das Rücktrittsrecht belehrt worden ist.

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