Ablöse von OMV-Chef ein Fall für die Justiz

Finanzvorstand David C. Davies (rechts) wäre als Nachfolger von Noch-OMV-Chef Gerhard Roiss nur eine Interimslösung und kein Neustart.
Gerhard Roiss wurde mit haltlosen Vorwürfen unter Druck gesetzt. Staatsanwalt muss Ablöse-Affäre prüfen.

Er denke nicht daran, auch nur einen Tag länger zu bleiben, soll Gerhard Roiss in kleiner Runde gesagt haben. Insbesondere, wenn man ihn anonym mit einem Hinweis auf einen Flugzeugabsturz mit dem beruflichen Abschuss bedroht hatte. Ab 30. Juni 2015 könnte der vorzeitig demontierte Boss des Öl- und Gaskonzerns mit seiner Millionenabfindung seelenruhig spazieren gehen.

Seit einigen Wochen verdichten sich allerdings die Spekulationen, dass Roiss, dessen Vertrag erst 2017 ausgelaufen wäre, doch länger bleibt. Ein Jahr noch. Kommt darauf an, wie sehr man den schwer gekränkten und trotz seines robusten Naturells verunsicherten OMV-Chef bitten würde.

Wie der KURIER in seiner Sonntag-Ausgabe berichtete, hatte Noch-ÖIAG-Chef und OMV-Aufsichtsratspräsident Rudolf Kemler mit einem anonymen Papier, das schwere Vorwürfe enthielt, Druck auf Roiss gemacht, vorzeitig abzutreten. Das Dokument war mit "MH 17" ge-zeichnet, der Flugnummer der über der Ukraine abgeschossenen Malaysian-Boeing.

Nach einer akribischen Untersuchung der für den Fall weisungsfrei gestellten internen Revision sowie der Wirtschaftsprüfer BDO und KPMG stellte sich jetzt heraus, dass alle Vorwürfe gegen Roiss völlig haltlos waren. Das Gutachten hat Kemler Roiss nicht gegeben. Es ist auch nicht bekannt, ob die Herkunft des "MH 17"- Schreibens geklärt ist. Der gesamte Vorgang muss ein Fall für die Korruptionsstaatsanwaltschaft werden.

Am 18. März tagt der Aufsichtsrat der OMV. Laut dem Fahrplan mit dem Miteigentümer IPIC (24,9 Prozent), dem Staatsfonds von Abu Dhabi, sollte eigentlich der Nachfolger von Roiss gekürt werden. Nur wird die ÖIAG Ende März auf Initiative der Regierung aufgelöst und durch die weisungsgebundene neue Gesellschaft ÖBIB ersetzt. Damit ist auch Kemler weg.

Schwer vorstellbar, dass Kemler so kurz vorher noch den neuen OMV-Chef bestellt. Ausgerechnet jener Mann, der als Chef der Staatsholding ungeeignet war und für das Schlamassel bei der OMV mit verantwortlich zeichnet, soll die personellen Weichen für die Zukunft von Österreichs bedeutendstem Großunternehmen stellen?

Formal ginge es sich mit den Stimmen der Belegschaftsvertreter und der IPIC aus. Das wäre allerdings ein ungeheuerlicher Affront gegen die Republik als größten Aktionär (31,5 Prozent).

Insider wollen wissen, dass von Noch-ÖIAG und IPIC der derzeitige OMV-Finanzvorstand David C. Davies für den Einser-Job favorisiert wird. Mit Davies hätten die Abu Dhabis vermutlich weniger Probleme als mit dem unbequemen Österreicher Roiss, sich die gewinnstarke OMV-Beteiligung Borealis zur Gänze einzuverleiben. Roiss hatte sich vehement gegen eine Totalübernahme des Chemiekonzerns durch die Araber gewehrt.

Da aber auch Davies, dessen Vertrag Ende März 2017 ausläuft, nur eine Interimslösung wäre, kommt Roiss wieder ins Spiel. Er könnte so lange bleiben, bis der Aufsichtsrat unter einem neuen Vorsitzenden in Ruhe einen jüngeren Nachfolger für einen Neustart findet, meinen unabhängige Aufsichtsräte. Seit Gas-Vorstand Peter Floren, der dem autoritären Roiss Widerstand bot, nicht mehr an Bord ist, soll der Vierer-Vorstand gut harmonieren. Der Rücktritt vom Rücktritt eines CEO hat bei einem börsenotierten Unternehmen Seltenheitswert und würde vom Kapitalmarkt nicht besonders goutiert, wäre aber in der derzeitigen, völlig verfahrenen Situation die beste Lösung, argumentieren die Befürworter.

Am 19. Mai nach der Hauptversammlung wird feststehen, wer Kemler als Aufsichtsrats-Chef beerbt. Die üblichen Verdächtigen, die alle der SPÖ zugeordnet werden, sind schon im Spiel. Etwa Roiss-Vorgänger Wolfgang Ruttenstorfer, Ex-EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell oder die ehemalige Siemens-Vorstandsdirektorin Brigitte Ederer.

In die Eigentümer-Struktur der OMV könnte auch bald Bewegung kommen. Die IPIC ist durch einen Syndikatsvertrag mit der Staatsholding verbunden. Ende 2014 wurde das 20-jährige Vertragsjubiläum gefeiert und die IPIC schwor, der OMV treu zu bleiben.

Die Abu Dhabis können jedoch nach Ablauf der 20 Jahre ihre Anteile verkaufen. Das ist vertraglich fixiert. Österreich hat zwar ein Vorkaufsrecht, aber der Bund kann angesichts der Budgetlage einen solchen Milliarden-Deal kaum stemmen.

Weshalb wieder über russische Interessenten spekuliert wird. Gazprom dementierte bereits, doch in der Branche wird ohnehin der Rosneft-Konzern genannt.

Für Russlands größten Ölproduzenten hat die OMV einige interessante Assets. Am attraktivsten für die Russen ist die Mehrheitsbeteiligung am rumänischen Öl- und Gaskonzern Petrom. Mit dem Engagement der OMV in Norwegen hätte Rosneft außerdem strategisch den Fuß im westlichen Teil der Nordsee.

Gerhard Roiss, der Chef der OMV, sollte abgeschossen werden. Dass jemand einen anonymen Brief mit "MH 17", also mit der Flugnummer der abgeschossenen Malaysia Airlines über der Ukraine gezeichnet hat, ist geschmacklos genug. Aber dass ÖIAG-Chef und OMV-Aufsichtsrat Rudolf Kemler dieses anonyme Schreiben offenbar verwendete, um Roiss aus der OMV zu drängen, ist ein Skandal, der jetzt sehr schnell aufgeklärt werden muss. Das Schreiben "MH 17" hat der KURIER am Sonntag gezeigt. Jetzt muss der Korruptionsstaatsanwalt viele Fragen klären. Das Verleumdungsschreiben muss jemand verfasst haben, der über juristische Ausbildung und Kenntnisses der Vorgänge im Aufsichtsrat verfügt.

Aber wie konnte Kemler dieses Schreiben mit längst geklärten Vorwürfen ernst nehmen? Wie hoch ist der Schaden für die OMV, an der die Republik zu einem knappen Drittel beteiligt ist? Warum legt Kemler das Gutachten, wonach die Vorwürfe haltlos sind, nicht vor? Und welche Rolle spielte ÖIAG-Präsiden Sigi Wolf, der die Ablöse von Roiss verteidigte? So weit die juristische Dimension, die strafrechtlich und zivilrechtlich bedeutend ist.

Dann geht es um die Zukunft der OMV. Roiss wurde ohne Anlass entfernt, aber offenbar nicht ohne Grund. Roiss weigerte sich, die hoch profitable OMV-Tochter Borealis an die Abu-Dhabi-Gesellschaft IPIC zu verkaufen. Brigitte Ederer, bis vor Kurzem im ÖIAG-Aufsichtsrat, dazu: "Möglicherweise war Roiss Menschen oder Entscheidungen im Weg." Der Finanzminister muss jetzt dafür sorgen, dass der alte OMV-Aufsichtsrat keine Entscheidung über die neue Führung trifft. Es geht um unsere Interessen. Also muss verhindert werden, dass Abu Dhabi und ein russisches Unternehmen ihr Spiel mit der OMV auf Kosten Österreichs spielen.

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