Banken brauchen "Testamente"
Am heutigen Dienstag wurden im Ministerrat neue gesetzliche Regeln für ein Frühwarnsystem beschlossen, um drohende Bankenpleiten besser abwehren zu können. Nach Plänen der EU-Kommission aus dem Jahr 2010 müssen die Banken in Europa künftig vorbeugend "Testamente" vorlegen, um im Ernstfall rasch umgebaut werden zu können, ohne die Steuerzahler wieder zur Kasse zu bitten.
Hypo "in sichere Gewässer bringen"
Bis Ende Mai ist noch Zeit. Dann möchte die EU-Kommission von Österreich ein tragfähiges Konzept auf dem Tisch liegen haben, was mit der Hypo Alpe Adria geschieht. Bis 2013 sollen, so die Kommission, die operativen Bankteile verkauft werden, andernfalls droht Brüssel mit Schließung.
Das neue Restrukturierungskonzept soll in den nächsten Tagen in Grundzügen nach Brüssel geschickt werden - das sagte Finanzministerin Maria Fekter am Dienstag am Rande des Ministerrats. Fekter sprach von "sorgsamen Bemühungen, dieses Schiff in sichere Gewässer zu bringen."
Finanzstaatssekretär Andreas Schieder verwies in Sachen Hypo darauf, dass derzeit Gespräche mit der EU-Kommission liefen, in denen um mehr Zeit gebeten werde. Schieder sagte weiters, dass man eine Notverstaatlichung a la Hypo auch mit dem neuen Frühwarn-Reglement nicht hätte verhindern können - à la longue aber schon.
Mit dem neuen Banken-Sanierungsrecht, laut Regierung Teil eins des lang erwarteten Bankeninsolvenzrechts, müssen ab Juli 2015 alle Banken Österreichs ihren Aufsehern regelmäßig Pläne vorlegen, wie ihre eigene Sanierung und Abwicklung vonstatten gehen kann. Die 150 größeren Banken sind ein Jahr vorher dazu verpflichtet. Der Ministerrat hat am Dienstag das Gesetz dazu dem Parlament zugewiesen. Für die mit Osteuropa eng verflochtenen drei größten Banken im Land hat die Bankenaufsicht die Testamentspflicht vor eineinhalb Jahren im "Nachhaltigkeitskonzept" zur Risikobegrenzung vorgegeben - auf Basis der Bilanzen 2012.
In Österreich sind damit Erste Group, Raiffeisen Zentralbank/RBI und Bank Austria der Aufsichtsvorgabe schon nachgekommen, bestätigten die Institute heute der APA. Banker sprachen von einem umfangreichen und laufenden Prozess, der dieser Pflichtübung vorangegangen war. Die relevanten Teile der " Testamente" sind strikt vertraulich.
Die Geldhäuser müssen genau auflisten, wie sie im Krisenfall entflochten werden können bzw. ohne Staatsintervention überleben können. Mit dien Testamenten in der Hinterhand soll die Aufsicht bei Bedarf - nach diversen "Auslöseereignissen" - frühzeitig eingreifen können. Bei wirtschaftlicher Schieflage bzw. drohenden Verstößen gegen die Vermögens-, Ertrags- oder Liquiditätslage kann sie Verkäufe anordnen.
Bei Unterschreiten kritischer Kapital-Schwellenwerte haben FMA und Notenbank schon bisher Kapitalaufstockungen, Aufschläge oder Risiko-Abbau erzwungen. Das wird seit gut fünf Jahren praktiziert. Um wieviele Fälle es da jedes Jahr abseits von schlagzeilenträchtigen Problembanken geht, bleibt Amtsgeheimnis, wie es heißt.
"Insolvenzrecht light" für Banken
In der Bankenbranche ist vom Entwurf als "Bankeninsolvenzrecht light" die Rede. Es werde durch die Entwicklung auf EU-Ebene im Herbst ohnedies "overruled" werden, meinte ein Banker.
Im jetzigen Entwurf ans Parlament steht, was die Testaments-Konvolute enthalten müssen: Es müssen die Organisationen genau beschrieben werden, dazu kritische Operationen, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten aller Bankeinheiten, Sicherheiten/Verpfändungen, Absicherungsgeschäfte, wichtigste und kritische Gegenparteien, Abwicklungssysteme, Finanzierungen sowie Liquiditätsquellen und Buchungspraktiken. Insgesamt 20 Punkte, wobei diese Angaben im Minimum einmal pro Jahr aktualisiert werden müssen.
Präventiv eingreifen darf die Aufsicht jedenfalls, wenn die Eigenmittel unter 8,625 Prozent, bzw. das harte Kernkapital unter 5 Prozent fallen. Eine Reihe anderer Auslöser gelten in der Finanzbranche noch als strittig, Abänderungswünsche werden nicht ausgeschlossen.
Maßgebliche Kreditinstitute waren wegen befürchteter Enteignungsmöglichkeiten im Rahmen einer Frühintervention gegen zu starke Eingriffsrechte der Aufsicht schon Sturm gelaufen.
Warten bis 2015
Als die Bankenkrise voll zuschlug und 2009 in der Hypo-Alpe-Adria-Notverstaatlichung ihren vorläufigen Höhepunkt in Österreich fand, hatten Politiker und Aufseher schon recht tiefgreifende Ideen in den Schubladen, was in einem Bankeninsolvenzrecht stehen sollte: So sollte der Bund frühzeitig die Hand auf Spareinlagen von Krisenbanken legen können, ohne einen Einlagensicherungsfall auszulösen, eine Bank sollte über Restrukturierungsfonds aufgespaltet und teilabgewickelt werden, bevor die Insolvenzmaschinerie zu laufen beginnt. Es sollten staatliche "Brückenbanken" installiert werden können, systemrelevante Geschäftsbereiche solcherart gesichert und Eigentümer schlecht geführter Banken auf "Bad Banks" sitzenbleiben können.
Für einen Abwicklungsfonds bzw. ein bail-in (Gläubigerhaftung) in einer größeren Reform wird es wohl 2015. Österreich will hier auf die EU-Entwicklung warten. Einem europaweiten Abwicklungsfonds, wie ihn die EU-Kommission in ein paar Monaten skizzieren will, hat vor allem Deutschland vorweg den Kampf angesagt. Die Aufsicht in Österreich hat in der Begutachtung für das heimische Gesetz bekrittelt, ohne konkrete Abwicklungsinstrumente aber wenig Handhabe zu haben, bei drohenden Bankpleiten einzugreifen.
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