"1500 Euro sind der erste Schritt"

Wenig Grund zur Freude: Viele FriseurInnen sind vom Mindestlohn weit entfernt.
Arbeitszeit-Flexibilisierung: Vida-Chef Roman Hebenstreit fordert Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter.

"Wenn die Verfügbarkeit der Arbeitnehmer steigen soll, steigt auch der Preis. Die Unternehmer wollen bei einer Flexibilisierung der Arbeitszeit den Preis dafür aber nicht zahlen. Im Gegenteil, sie wollen sich nur Überstunden-Zuschläge ersparen. Aber sie geben es nicht zu." Roman Hebenstreit, Chef der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, wirft der Arbeitgeberseite in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung Etikettenschwindel vor.

Außerdem wälzten die Unternehmer mit der Anpassung der Arbeitszeit an die jeweilige Auftragslage einen Gutteil des unternehmerischen Risikos auf die Arbeitnehmer ab. Hebenstreit: "Die Auslastung einer Produktion ist doch ein klassisches unternehmerisches Risiko. Das trägt dann immer öfter der Arbeitnehmer. Und das auch noch um weniger Geld, weil ja Zuschläge wegfallen."

Kürzere Arbeitszeit für Schichtarbeiter

Statt Zuschläge zu streichen, fordert Hebenstreit im Zuge der geplanten Flexibilisierung auch Arbeitszeit-Verkürzungen durch Zeitzuschläge. Etwa für die rund 660.000 Schichtarbeiter in Österreich. Sie sollen, schwebt dem vida-Chef vor, für die Überbelastung, die aus den unterschiedlichsten Arbeitszeiten quer über Tag, Nacht und Wochenenden entstehen, Zeitzuschläge gutgeschrieben bekommen. Diese sollen sie dann etwa für einen früheren Pensionsantritt einlösen können.

Regelmäßige Schichtarbeit sei gesundheitsschädlich und auch familienfeindlich, argumentiert Hebenstreit. Die Erschwernisse würden durch das Nacht-, Schicht- und Schwerarbeitergesetz nur ungenügend abgedeckt. Und die Kosten für ein höheres Krankheitsrisiko von Schichtarbeitern würden einfach auf die Allgemeinheit überwälzt.

1700 Euro Mindestlohn

"Unser Verständnis vom Mindestlohn ist, dass ich mit einer 38- oder 40-Stunden-Woche so viel verdiene, dass ich auch würdig davon leben kann." 1500 Euro brutto sind für Hebenstreit nur der erste Schritt beim Mindestlohn. "Unser Ziel beim Mindestlohn bleibt unverändert bei 1700 Euro."

Hebenstreit belegt die Forderung, die auch der Gewerkschafts-Dachverband ÖGB erhebt, mit Zahlen: Von 1500 Euro brutto blieben im Durchschnitt 1200 Euro netto übrig. Das sei nur unwesentlich über der Armutsschwelle, wie sie die Statistik Austria definiere. Hebenstreit: "Diese Armutsschwelle liegt bei 1163 Euro netto, da ist man mit 1500 Euro Mindestlohn nur noch ganz knapp darüber."

190.000 Betroffene

Vorerst allerdings hat seine Gewerkschaft auch mit der Umsetzung des 1500-Euro-Mindestlohns mehr als genug zu tun. In der vida – zu der die Eisenbahner ebenso gehören wie Friseure, Reinigungspersonal oder die Beschäftigten in Gastgewerbe und Hotellerie – gibt es mit 190.000 von insgesamt rund 400.000 Beschäftigten die meisten Menschen, die derzeit weniger verdienen. Zwei Berufsgruppen, nämlich Personenbeförderer (Taxler) und Mitarbeiter in der Binnenschifffahrt, verdienen weniger als 1300 Euro.

Für die große Gruppe Hotellerie- und Gastgewerbe, in der 100.000 der 220.000 Beschäftigten weniger als 1500 Euro verdienen, ist vor Kurzem der Durchbruch gelungen. Ab 2018 wird der Mindestlohn bundesweit einheitlich auf über 1500 Euro angehoben. Noch nicht so weit ist man bei rund 14.000 FriseurInnen oder bei 35.000 von insgesamt 40.000 Reinigungskräften.

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