Eine Expertin erklärt die Gefahren von Sexting
Beim Sexting tauscht man intime Bilder, Videos oder Informationen mit anderen aus. Dabei handelt es sich entweder um den Partner oder die Partnerin, oder eine andere Person, für die man ein mehr oder weniger starkes emotionales oder sexuelles Interesse hegt. Was vielen im Alltag leicht von der Hand geht, kann jedoch unschöne Folgen haben. Die Instabilität des Vertrauensvorschusses, den man dem virtuellen Gegenüber beim Sexting gibt, wird nämlich von vielen unterschätzt.
US-Studie belegt häufigen Vertrauensbruch
Eine aktuelle Studie der Indiana University gibt Einblick in die Realität es intimen Nachrichtenaustauschs. Der Fokus der Forscher lag bei der repräsentativen Befragung von rund 6000 alleinstehenden Erwachsenen zwischen 21 und 75 jedoch nicht nur auf der generellen Nutzung und den Motiven, sondern vielmehr auf der Weiterverbreitung derartiger Nachrichten. "Wenn es um Sexting geht, haben viele Leute Bedenken. Es gab bisher jedoch nicht genügend wissenschaftlichen Belege dafür, wie gerechtfertigt diese Bedenken sind", so Justin Garcia, Studienleiterin und Professorin für Gender Studies am Kinsey Institut der Universität von Indiana, über den Hintergrund der Studie.
49 Prozent "sexten" regelmäßig
Zunächst konnten die Forscher feststellen, dass 49 Prozent der Befragten Praktiken des Sextings durchführen. Dieser Prozentsatz teilt sich in 21 Prozent, die selbst Sex-Nachrichten senden, und 28 Prozent, die sexuelle eindeutige Nachrichten erhalten. 16 Prozent der Befragten verschicken erotische Fotos und die Mehrheit der Befragten geht dem Sexting nach, wenn sie in Beziehungen sind.
Diese Ergebnisse decken sind nur teilweise mit früheren Studien. So ergab beispielsweise eine Untersuchung der Drexel University in Philadelphia im Jahr 2015, dass 88 Prozent der Befragten Erfahrungen mit Sexting haben, 74 Prozent mit dem festen Partner sexten und 43 Prozent mit der lockeren Liebschaft tun. Mit dem Ausmaß des Sextings stieg den Forschern zufolge auch die sexuelle Zufriedenheit.
Eine österreichische Untersuchung unter Jugendlichen zum Thema ergab im selben Jahr, dass ein Drittel (33 Prozent) selbst schon Fotos oder Videos erhalten hat, auf denen die oder der Abgebildete fast nackt oder nackt zu sehen ist. 16 Prozent der Jugendlichen gaben an, schon einmal Nacktaufnahmen von sich selbst erstellt und diese dann meistens auch verschickt zu haben. Die weite Verbreitung von Sexting im Alltag zeigt sich auch daran, dass es 31 Prozent als "normal" empfinden, ihren Partnern Nacktaufnahmen zu schicken. Jeder Zehnte (9 Prozent) sagt auch, dass es "normal" sei, von der besten Freundin oder vom besten Freund Nacktaufnahmen zu kennen.
Wie viel weiterverbreitet wird
Die aktuelle US-Untersuchung ergab auch, dass 23 Prozent jener Befragten, die schon einmal eine Botschaft sexueller Natur auf ihrem Handy oder Smartphone erhalten hatten, diese später weiterverbreitet haben. Diese Probanden gaben an die private Nachricht im Schnitt mit drei oder mehr Freunden geteilt zu haben. Obwohl ein Viertel der Befragten beim Sexting schon einmal den Vertrauenscodex gebrochen hat, gaben ganze 73 Prozent der Befragten dennoch an "sich beim unerlaubten Teilen von Sexting-Nachrichten nicht wohl zu fühlen".
Diesen Widerspruch erklärt Garcia gegenüber der Forschungsplattform Science Daily wie folgt: "Weil Sexting immer gängiger und zur Norm wird, finden sich Männer und Frauen derzeit auch in einem Konflikt wieder, der aus dem Wunsch entsteht digitale Erotik und die realen Konsequenzen zu vereinen."
Wie die Studie belegt, ist auch das Geschlecht ein wesentlicher Faktor beim unerlaubten Teilen intimer Sex-Nachrichten. Bei Männern ist es im Vergleich zu Frauen demnach nicht nur doppelt so wahrscheinlich, dass sie intime Botschaften initiativ senden, sondern auch 1,5 Mal wahrscheinlicher, dass sie erhaltene Botschaften weiterverbreiten. Die befragten Frauen waren wiederum wesentlich verärgerter, wenn Sex-Nachrichten von ihnen unwissentlich geteilt wurden. Je älter die befragte Person, desto größer waren auch die Bedenken in Bezug auf das Sexting.
Safes Sexting: Wie geht das?
Die Gründe fürs Sexting können laut Nicole Kienzl, Paar- und Sexualtherapeutin in Wien, vielfältig sein. So stelle der Austausch sexuell eindeutiger Textnachrichten oder das Versenden intimer Fotos vor allem für viele Jugendliche eine Form des Flirtens dar. "Hier sind Hauptmotive einerseits die Suche nach Aufmerksamkeit, jugendliche Neugierde oder der Wunsch im Freundeskreis als cool zu gelten, sprich Gruppenzwang", so Kienzl. Bei Erwachsenen werde Sexting oft als Liebesbeweis gesehen. Paare würden Sexting zudem nicht selten als Möglichkeiten sehen, ihr Sexualleben zu bereichern.
Aufgrund der großen Popularität des Sextings ist das Aufzeigen der damit verbundenenGefahren wesentlich. "Durch die rasche Herstellung von Intimität und Vertraulichkeit sind die Jugendlichen dazu verleitet, unbedacht Nacktbildern oder Videos mit erotischem Inhalt zu verschicken", erklärt Kienzl. Die Folge sei, dass die Heranwachsenden leicht erpressbar oder das Opfer von Cybermobbing werden können. Menschen – egal welchen Alters – sei der Psychologin zufolge allgemein oft nicht bewusst, "dass ins Internet gestellten Texte und Fotos dort verbleiben und auch an Dritte gelangen können, etwa wenn Beziehungen in Brüche gehen oder der eine Partner den anderen beim Sexting mit einer fremden Person erwischt."
Safes Sexting ist dennoch grundsätzlich möglich. Das regelmäßige Löschen privater Nacktfotos und –videos ist eine Möglichkeit, Kontrolle über die Inhalte zu bekommen. Sollte das Smartphone oder das jeweilige mobile Endgerät mit den pikanten Daten verloren gehen oder gestohlen werden, ist man so vor der ungewollten Nutzung gefeit. "Falls man sich von den Nachrichten nicht trennen möchte, wäre eine Speicherung auf einer externen Festplatte oder einem USB-Stick empfehlenswert. Überhaupt sollte man nur intime Fotos an Personen schicken, bei denen ein gewisses Vertrauensverhältnis besteht", so Kienzl.
Generell sei es der Expertin zufolge nicht zu empfehlen sich gänzlich unbekleidet darzustellen. "Erotik in Bildern kann ja auch entstehen, wenn auf das Ablichten des Intimbereichs verzichtet wird – weniger ist auch in diesem Fall oft mehr." Wer nicht darauf verzichten wolle, der sollte die Aufnahmen zumindest zensieren bzw. anonymisieren.
Rechtlicher Hinweis:
Sexting unter Minderjährigen galt bis zum 1.1.2016 als Kinderpornografie und war somit verboten. Nach einer Gesetzesänderung ist nun das einvernehmliche Tauschen von eigenen pornografischen Fotos oder Videos zwischen zwei Jugendliche ab 14 Jahren straffrei. Weiterhin verboten aber ist es, diese Aufnahmen an Dritte weiterzuleiten. Mehr Infos dazu finden Sie hier.
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