Der Detox-Schmäh: Warum Saftkuren nur ins Geld gehen

  
Wer etwas auf sich hält, trinkt teure Gemüsesäfte – um den Organismus von giftigen Substanzen zu befreien. Völlig unnötig, sagen Experten: Unser Körper schafft das nämlich auch ganz alleine.

Jedes Jahr im Jänner, kurz nach den Feiertagen, erfreut Gwyneth Paltrow die Welt mit einem siebentägigen Detox-Programm. Der detaillierte "Entgiftungsplan" wird auf ihrem Lifestyle-Portal Goop veröffentlicht und besteht im Wesentlichen aus Zitronenwasser, Suppen und Gemüsesäften mit klingenden Namen à la "Godzilla Native" oder "Hula Hydrator". Noch länger liest sich die Liste der verbotenen Nahrungsmittel: Alkohol, Koffein, Zucker, Gluten, Milchprodukte, Nachtschattengewächse.

Paltrow, im Brotberuf bekanntlich Filmstar, schwört auf ihren jährlichen "Cleanse" – und sie ist nicht die Einzige. Frauenzeitschriften, Lifestyle-Blogs, Superstars: Ohne grüne Smoothies kommt in diesen Tagen niemand aus. "Es scheint derzeit keinen größeren Lifestyle-Trend zu geben", seufzt Timothy Caulfield. Der US-amerikanische Mediziner hat ein viel zitiertes Buch geschrieben, in dem er die Beauty- und Gesundheitstipps der Stars anzweifelt ("Is Gwyneth Paltrow Wrong About Everything?", "Hat Gwyneth Paltrow nie recht?") und feststellt: "Ohne die Befürwortung von Prominenten wären Trends wie glutenfreie Ernährung, Saftkuren und Detox nicht mal annähernd so beliebt."

Wissenschaftlich gesehen hat der Entgiftungshype nämlich keine Berechtigung. "Aus medizinischer Sicht gibt es absolut keinen Grund für ‚Detox‘. Es ist auf so vielen Ebenen absurd: Unser Körper braucht keine Entschlackungskur und es gibt keinen Beweis dafür, dass die vorgeschlagenen Produkte irgendetwas bringen. Das ist totaler Quatsch."

Caulfield bezieht sich auf die Saftkuren, die auch hierzulande immer beliebter werden. Unternehmen wie "Frank Juice" oder "Detox Delight" bieten gepresste Gemüsesäfte und -suppen an, die für einen bestimmten Zeitraum nachhause geliefert werden. Entschlankt wird vor allem das Konto: Säfte für eine fünftägige Detox-Kur sind ab 200 Euro erhältlich. "Sparen Sie Ihr Geld lieber und legen Sie Wert auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung", rät Caulfield.

Leber und Niere

Die Idee hinter dem Hype ist rasch erklärt: Laut Oxford Dictionary bezeichnet "Detoxification", kurz Detox, den Prozess, den Körper von giftigen Substanzen zu befreien. Auch Lifestyle-Guru Gwyneth verkauft so ihren hippen Ernährungsplan: "Unsere Umwelt und unser Essen ist mit giftigen und synthetischen Chemikalien überladen. Für unseren Körper ist es schwer, da mitzuhalten."

Alles Unsinn, meint Univ.-Prof. Jürgen König, Leiter des Department für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien. Denn: Entgiften ist eine der Hauptaufgaben unseres Körpers – die Leber filtert Giftstoffe aus dem Blut, Nieren und Darm sorgen dafür, dass Schadstoffe über Urin und Stuhl ausgeschieden werden. "Wenn wir uns halbwegs vernünftig ernähren, können wir unseren Organismus so am Laufen halten, dass er automatisch Giftstoffe ausscheidet", erklärt König. "Wenn der Stoffwechsel grundsätzlich gut funktioniert, muss man die Entgiftung nicht fördern. Es gibt auch keine Nährstoffe, die den Körper besonders dazu befähigen, zu entgiften. "

Der einzige Weg, wie wir unserem Körper beim Entgiften helfen können – und da hat Gwyneth gar nicht mal so unrecht –, ist trinken, trinken, trinken. "Wir brauchen Wasser, um Giftstoffe auszuschwemmen. Im Wesentlichen geht es um die Flüssigkeitszufuhr. Dann braucht man nichts Zusätzliches."

König warnt, dass normalgewichtigen Frauen eine Saftkur mehr schaden als nutzen kann. "Wenn eine ohnehin schlanke Person noch weniger isst, kann es zu Mangelerscheinungen kommen." Denn eine Saftkur bedeutet für den Körper eine extrem einseitige Ernährung: Die kaltgepressten Smoothies haben einen hohen Fruchtzuckeranteil und enthalten oft zu wenig Ballaststoffe.

Viel-Essern könne die kurzzeitige Saftkur gut tun – "das ist dann aber kein Entgiftungs- oder Detox-Effekt, sondern eine Auswirkung dessen, dass man weglässt, was man sonst zu viel isst. Ob man eine Saftkur macht oder eine Woche nur Gemüse isst, macht aber keinen Unterschied. Die Menschen fühlen sich besser, weil sie sich besser ernähren."

Der Detox-Schmäh: Warum Saftkuren nur ins Geld gehen

Zu viel des Guten

Die zusätzliche Aufnahme von Nährstoffen habe keinen positiven Effekt, im Gegenteil, warnt König: "Bei extrem hoher Aufnahme von Beta-Carotin (u. a. in Karotten und Paprika enthalten, Anm.) kann es so weit gehen, dass freie Radikale gefördert werden, statt dass man geschützt wird."

Laut dem Ernährungswissenschaftler sollte man auch den psychologischen Effekt nicht außer Acht lassen. "Man gibt ein paar hundert Euro aus, dann will man auch, dass es etwas bringt. Im Endeffekt ist es ein super Geschäft. Die Rohmaterialien kosten kaum etwas, mit der richtigen Vermarktung kann man eine sehr hohe Gewinnspanne erzielen."

Statt viel Geld für cleveres Marketing auszugeben, helfe auf Dauer nur ein gesunder Lebensstil, sagt Jürgen König: ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, keine Zigaretten, wenig Alkohol. Und, auch wenn es viele nicht hören wollen: Verzicht. "Unsere Ernährung ist eigentlich so gut, dass wir uns keine Gedanken machen müssen. Wenn, dann ist es das Zuviel, das uns Sorge machen müsste. Das kann man aber nicht mit Säften ausschwemmen. Man muss es einfach nur weglassen."

Detox liegt heute schwer im Trend, doch was war davor? Erste Theorien zu den Themen Entschlacken und Abnehmen wurden schon sehr früh entwickelt.

Diäten existieren bereits seit etwa 2000 Jahren. Im 12. Jahrhundert war Hildegard von Bingen der Ansicht, dass durch das Entgiften mit verschiedensten Heilkräutern Körper, Geist und Seele in Einklang gebracht werden können. Die Idee, dass eine Reinigung von innen notwendig sei, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts erneut aufgegriffen, erste Abführmittel wurden zum Entschlacken entwickelt. Heutzutage hat das Entgiften unter der englischen Bezeichnung Detox neue Dimensionen angenommen. Die Vermarktung hat unglaubliche Ausmaße erreicht – von Tees über Duschgels, Smoothies, Nahrungsergänzungsmitteln bis hin zu eigenen Detox-Urlauben. Was davon wirklich sinnvoll und noch vertretbar ist, bleibt fraglich. Viele von den versprochenen Wirkungen sind nicht bewiesen. Die Detox-Trends im Überblick:

Teatox Der Konsum von speziell entwickeltem Detox-Tee soll die Nierenfunktion anregen und so unterstützend beim Entgiften und Abnehmen helfen.

Detox-Saftkuren Die gewohnte Nahrungsaufnahme wird dabei für einen bestimmten Zeitraum durch eine mehrmals tägliche Einnahme von Obst- und Gemüsesäften ersetzt.

Detox-Hautkur Verjüngung der Haut spielt schon seit Jahren eine bedeutende Rolle in der Kosmetikbranche. Detox-Cremen versprechen eine Rundumerneuerung des Hautbildes.

Der Detox-Schmäh: Warum Saftkuren nur ins Geld gehen
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Detox-Pflaster Das Aufkleben spezieller Pflaster auf der Fußsohle soll während des Schlafes Schadstoffe aus dem Körper leiten.

Detox-Meditationen Spezielle Übungen sollen das Lymphsystem reinigen und den Abtransport von Fremdstoffen fördern.

Detox-Urlaub Zahlreiche Hotels und Reiseunternehmen folgen dem Marketingtrend und entwickeln eigene Urlaubsangebote, bei denen das Entschlacken im Vordergrund steht.

Sophie Grabner

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