Ein finales Heimspiel für das deutsche Team

Ein finales Heimspiel für das deutsche Team
Die Mannschaft von Joachim Löw hat nach dem 7:1 über Brasilien neue Fans gefunden: die Brasilianer.
Cacau

Cacau

Mir geht es im Moment wie den meisten Brasilianern: Die Vorfreude auf den Höhepunkt der WM, das Finale, ist sehr getrübt. Trotzdem werde ich, wenn ich ein Ticket bekomme, am Sonntag im Maracanã auf der Tribüne sitzen – in einem Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Natürlich fiebere ich mit, dass am Ende Philipp Lahm den Pokal überreicht bekommt und nicht Lionel Messi.

Dass die Tribünen halb leer sein werden, weil die frustrierten Brasilianer ihre Tickets verfallen lassen, muss niemand befürchten. Im Gegenteil: Die DFB-Elf kann sich auf ein Heimspiel freuen, denn fast das gesamte Stadion wird hinter ihr stehen. Zum ersten Mal unterstützt ein Fußballvolk ein Team, das zuvor die eigene Mannschaft gedemütigt hat, und das liegt nicht nur daran, dass in Brasilien niemand den Erzrivalen Argentinien triumphieren sehen will.

So grotesk es klingt, aber Deutschland hat sich am vergangenen Dienstag viele Sympathien erworben mit der Art und Weise, wie die Mannschaft mit dem Zusammenbruch der Seleção umgegangen ist. Die Spieler haben dem am Boden liegenden Gegner Respekt entgegengebracht. Während der Partie und danach.

Nach Großereignissen wie einer Fußball-Weltmeisterschaft stellt sich am Ende immer die Frage: Was bleibt haften? Natürlich fallen auch mir zunächst ein paar sündteure Stadien ein, die nun niemand mehr braucht und die bald vergessen sein werden. Aber eingeprägt hat sich, wie die Menschen hier den Fußball lebten, zumindest bis zum Aus im Halbfinale.

Jähes Ende einer Party

Das Beste waren bei dieser WM die Brasilianer, die in den vergangenen vier Wochen überall eine riesige Party gefeiert haben, im Stadion, auf den Straßen, am Strand, in jeder Kneipe. Dass das fröhliche Fest am vergangenen Dienstag so jäh endete, macht mich wütend. Den Spielern sind dabei allerdings noch die wenigsten Vorwürfe zu machen, sie waren einfach überfordert mit der Situation. Die Häme, die sie anschließend getroffen hat, finde ich unpassend.

Das Bild, das Brasilien im Halbfinale gegen Deutschland abgegeben hat, spiegelt die Zustände im Land wieder. Es war nicht einfach nur ein Blackout, wie alle Beteiligten das Unbegreifliche in Worte zu fassen versuchten. Die Probleme liegen tiefer – bei der Seleção und in der Politik.

Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte die Nationalmannschaft die Hoffnungen aller Brasilianer erfüllt und den sechsten WM-Titel gewonnen. Vielleicht hätte dieser Erfolg die Menschen im Land milde gestimmt. Die Proteste wären womöglich dauerhaft verstummt, weil die hohen Kosten und die Verschwendung der Steuergelder in den Augen vieler Brasilianer dann doch einen Sinn gehabt hätten.

Jetzt stehen die Chancen gut, dass meine Landsleute wieder rebellieren gegen die Missstände im Land – wenn sie aus der Schockstarre erwacht sind. Cacau kam als Claudemir Jerônimo Barreto 1981 zur Welt und wuchs in Mogi das Cruzes im brasilianischen Bundesstaat São Paulo auf. 1999 kam er nach Deutschland. Er stürmte 23-mal für das deutsche Nationalteam und zuletzt beim VfB Stuttgart.

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