Drauf gepfiffen!

Exoten: Schiri Doué (li.) von der Elfenbeinküste und Assistent Birumushahu aus Burundi.
Sie kommen aus Burundi oder Neuseeland. Doch wie kommen sie bis zur WM?

Ob Jean-Claude Birumushahu glücklich ist? Woher sollen wir das wissen? Aber mit Sicherheit ist er in seinem Land ein reicher Mann. Jean-Claude Birumushahu ist aus Burundi, einem kleinen Binnenstaat in Ostafrika. 182 Euro ist dort das Durchschnittseinkommen. Im Jahr.

Jean-Claude Birumushahu verdient dieser Tage mehr als 180 Jahresgehälter. Birumushahu ist Schiedsrichter-Assistent, Linienrichter oder einfach nur ein "Wachler", wie er vom gemeinen Fan ein bisserl abwertend gerufen wird. Und er hat es bis zur WM nach Brasilien geschafft, wo jeder Unparteiische – egal, ob Referee oder Assistent – mit 33.000 Euro und einem Taggeld von 100 Euro entlohnt wird.

An der Seite von Schiedsrichter Noumandiez Doué von der Elfenbeinküste durfte er bei den Spielen ChileAustralien und EcuadorFrankreich "wacheln".

Exoten-Frage

Drauf gepfiffen!
Referee Ravshan Irmatov (C) of Uzbekistan talks to Clint Dempsey (R) of the U.S. past Germany's Bastian Schweinsteiger (L) and Toni Kroos during their 2014 World Cup Group G soccer match at the Pernambuco arena in Recife June 26, 2014. REUTERS/Brian Snyder (BRAZIL - Tags: SOCCER SPORT WORLD CUP)
Hinterfragt wird, warum Birumushahu, oder etwa die Schiedsrichter Peter O’Leary aus Neuseeland und Bakary Gassama aus Gambia überhaupt bei einer Weltmeisterschaft zum Einsatz kommen. Ist ein Assistent aus Burundi, Ruanda oder Kirgisistan den hohen Anforderungen bei einer WM gewachsen? Oder sollen sie daheim bleiben, weil sie weder die Geschwindigkeit des Spiels, noch den Druck auf dieser Weltbühne aus ihren nationalen Ligen gewohnt und daher überfordert sind?

Die Forderung, es sollten nur Unparteiische aus großen internationalen Ligen bei einer Endrunde zum Einsatz kommen, gibt es schon seit Jahrzehnten.

Dass es jedoch auch in Zukunft noch Exoten unter den WM-Schiris geben wird, ist keine allzu gewagte Prognose. Dafür sorgt die 28-köpfige FIFA-Schiedsrichter-Kommission, in der auch Mitglieder aus Vanuatu oder von den Cook-Inseln sitzen. Die Kommission, vorwiegend Ex-Referees, begleitet und berät nicht nur über Neuerungen wie die in Brasilien erstmals eingesetzte Torlinien-Technologie, sie berät auch Massimo Busacca, den Referee-Boss der FIFA. Der Schweizer ist für die Auswahl der Unparteiischen verantwortlich. Jeder Einzelne wird jedoch von Präsident Sepp Blatter abgesegnet, bevor er nominiert wird. Und Blatter hat schließlich die Interessen vieler Herren Länder zu berücksichtigen, will er doch bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder viele Stimmen sammeln.

Drauf gepfiffen!
epa04299414 Spanish referee Carlos Velasco Carballo (L) gestures next to Juan Cuadrado (R)of Colombia during the FIFA World Cup 2014 quarter final match between Brazil and Colombia at the Estadio Castelao in Fortaleza, Brazil, 04 July 2014. (RESTRICTIONS APPLY: Editorial Use Only, not used in association with any commercial entity - Images must not be used in any form of alert service or push service of any kind including via mobile alert services, downloads to mobile devices or MMS messaging - Images must appear as still images and must not emulate match action video footage - No alteration is made to, and no text or image is superimposed over, any published image which: (a) intentionally obscures or removes a sponsor identification image; or (b) adds or overlays the commercial identification of any third party which is not officially associated with the FIFA World Cup) EPA/DIEGO AZUBEL EDITORIAL USE ONLY
Und so schafften es letztendlich 25 Schiedsrichter und 50 Assistenten nach Brasilien, nachdem gut zwei Jahre vor der WM ein Selektionsprozess begonnen hatte.

Nach dem wenig verheißungsvollen Turnierstart und dem fragwürdigen Elfmeterpfiff für Gastgeber Brasilien im Eröffnungsspiel gegen die Kroaten ist es zuletzt ruhig geworden um die Unparteiischen. Bis Freitag. Bis zum rüden Foul an Brasiliens Nationalidol Neymar, das Referee Carlos Velasco Carballo keine Gelbe Karte wert gewesen war. Der Spanier hatte dank des frühen WM-Aus seiner Landsleute die große Chance auf den finalen Pfiff. Nach der Leistung im Viertelfinale und dem gigantischen medialen Echo sind seine Chancen auf das Endspiel drastisch gesunken.

Drauf gepfiffen!
epa04272774 German referee Felix Brych gestures during the FIFA World Cup 2014 group H preliminary round match between Belgium and Russia at the Estadio do Maracana in Rio de Janeiro, Brazil, 22 June 2014. (RESTRICTIONS APPLY: Editorial Use Only, not used in association with any commercial entity - Images must not be used in any form of alert service or push service of any kind including via mobile alert services, downloads to mobile devices or MMS messaging - Images must appear as still images and must not emulate match action video footage - No alteration is made to, and no text or image is superimposed over, any published image which: (a) intentionally obscures or removes a sponsor identification image; or (b) adds or overlays the commercial identification of any third party which is not officially associated with the FIFA World Cup) EPA/OLIVER WEIKEN EDITORIAL USE ONLY
Ähnlich ergeht es dem Juristen Felix Brych. Den Deutschen bremst jedoch nicht seine eigene Leistung, sondern die seiner kickenden Landsleute. Der Engländer Howard Webb hat diesbezüglich ebenso wenige Sorgen wie der Italiener Rizzoli oder der Usbeke Irmatow.

Jean-Claude Birumushahu wird kein Spiel mehr bekommen. Und das, obwohl er durchaus überzeugen konnte. Ihm bleibt die Gewissheit, dabei gewesen zu sein. Und 180 Jahresgehälter.

Glatze Gnadenlos" nannten sie Pierluigi Collina. Durch sein unbehaartes Haupt, seine großen rollenden Augen und seine erbarmungslose Konsequenz auf dem Spielfeld hat mein alter Freund aus Italien erreicht, was zumindest bis heute keinem von uns gelungen ist. Die Wahrscheinlichkeit, als Schiri Popularität zu erlangen, ist in etwa so hoch wie in der Sahara auf einen Eisberg zu stoßen. Aber irgendwie hat er’s geschafft der Luigi.

Respekt.

Er hat auch große Spiele gepfiffen. Unvergesslich das Finale der Champions League 1999 zwischen den Bayern und Manchester United oder das WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland 2002 in Tokio. Der Oli Kahn müsste ihn eigentlich verfluchen.

Was aber weder der Luigi noch irgend ein anderer bisher geschafft hat, könnte Howard Webb gelingen. Nämlich als erster Schiedsrichter überhaupt zwei WM-Finali zu pfeifen.

Wir erinnern uns: Webb hat’s 2010 geduldet, dass die Holländer den Spaniern die Schneid’ abkauften. De Jong hätte Rot sehen müssen nach dem Kung-Fu-Tritt gegen Xabi Alonso und Van Bommel auch nach seinem brutalen Foul an Iniesta.

Und das weiß der Howard auch. Und er weiß auch, dass er Glück hatte. Wären nämlich die Niederländer mit dieser Spielweise Weltmeister geworden, viele Fans auf der Fußball-Welt hätten es dem Engländer nicht verziehen.

Wahre Größe

Was den Howard aber auszeichnet, ist seine Reaktion auf das – aus seiner Sicht – verlorene Finale. Er stand 2010, nachdem er kurz zuvor schon das Champions-League-Finale pfeifen durfte, auf dem Schiedsrichter-Olymp. Alles erreicht? Nichts geht mehr?

Von wegen!

Der Howard wollte noch mehr. Er wollte noch besser werden. Den Ruf, übertriebene Härte zu dulden, nicht auf sich sitzen lassen. Und obwohl er auch heute noch mehr laufen lässt als viele andere, so hat er dennoch seinen Stil verändert und sich weiterentwickelt, nachdem er schon ganz oben war. Wahre Größe nenn’ ich das. Der Luigi ist in den letzten Jahren seiner Karriere ein bisserl stolziert über den Platz.

Und der Howard? Erst zuletzt hat er sich mit einer Glanzleistung im Achtelfinale BrasilienChile wieder ausgezeichnet. Ob ihm die FIFA ein zweites WM-Finale gönnt? Irgendjemand wird aus Neid oder sportpolitischen Gründen etwas dagegen haben. Ich würd’s ihm jedenfalls wünschen.

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