Drauf gepfiffen!
Ob Jean-Claude Birumushahu glücklich ist? Woher sollen wir das wissen? Aber mit Sicherheit ist er in seinem Land ein reicher Mann. Jean-Claude Birumushahu ist aus Burundi, einem kleinen Binnenstaat in Ostafrika. 182 Euro ist dort das Durchschnittseinkommen. Im Jahr.
Jean-Claude Birumushahu verdient dieser Tage mehr als 180 Jahresgehälter. Birumushahu ist Schiedsrichter-Assistent, Linienrichter oder einfach nur ein "Wachler", wie er vom gemeinen Fan ein bisserl abwertend gerufen wird. Und er hat es bis zur WM nach Brasilien geschafft, wo jeder Unparteiische – egal, ob Referee oder Assistent – mit 33.000 Euro und einem Taggeld von 100 Euro entlohnt wird.
An der Seite von Schiedsrichter Noumandiez Doué von der Elfenbeinküste durfte er bei den Spielen Chile – Australien und Ecuador – Frankreich "wacheln".
Exoten-Frage
Die Forderung, es sollten nur Unparteiische aus großen internationalen Ligen bei einer Endrunde zum Einsatz kommen, gibt es schon seit Jahrzehnten.
Dass es jedoch auch in Zukunft noch Exoten unter den WM-Schiris geben wird, ist keine allzu gewagte Prognose. Dafür sorgt die 28-köpfige FIFA-Schiedsrichter-Kommission, in der auch Mitglieder aus Vanuatu oder von den Cook-Inseln sitzen. Die Kommission, vorwiegend Ex-Referees, begleitet und berät nicht nur über Neuerungen wie die in Brasilien erstmals eingesetzte Torlinien-Technologie, sie berät auch Massimo Busacca, den Referee-Boss der FIFA. Der Schweizer ist für die Auswahl der Unparteiischen verantwortlich. Jeder Einzelne wird jedoch von Präsident Sepp Blatter abgesegnet, bevor er nominiert wird. Und Blatter hat schließlich die Interessen vieler Herren Länder zu berücksichtigen, will er doch bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder viele Stimmen sammeln.
Nach dem wenig verheißungsvollen Turnierstart und dem fragwürdigen Elfmeterpfiff für Gastgeber Brasilien im Eröffnungsspiel gegen die Kroaten ist es zuletzt ruhig geworden um die Unparteiischen. Bis Freitag. Bis zum rüden Foul an Brasiliens Nationalidol Neymar, das Referee Carlos Velasco Carballo keine Gelbe Karte wert gewesen war. Der Spanier hatte dank des frühen WM-Aus seiner Landsleute die große Chance auf den finalen Pfiff. Nach der Leistung im Viertelfinale und dem gigantischen medialen Echo sind seine Chancen auf das Endspiel drastisch gesunken.
Jean-Claude Birumushahu wird kein Spiel mehr bekommen. Und das, obwohl er durchaus überzeugen konnte. Ihm bleibt die Gewissheit, dabei gewesen zu sein. Und 180 Jahresgehälter.
Glatze Gnadenlos" nannten sie Pierluigi Collina. Durch sein unbehaartes Haupt, seine großen rollenden Augen und seine erbarmungslose Konsequenz auf dem Spielfeld hat mein alter Freund aus Italien erreicht, was zumindest bis heute keinem von uns gelungen ist. Die Wahrscheinlichkeit, als Schiri Popularität zu erlangen, ist in etwa so hoch wie in der Sahara auf einen Eisberg zu stoßen. Aber irgendwie hat er’s geschafft der Luigi.
Respekt.
Er hat auch große Spiele gepfiffen. Unvergesslich das Finale der Champions League 1999 zwischen den Bayern und Manchester United oder das WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland 2002 in Tokio. Der Oli Kahn müsste ihn eigentlich verfluchen.
Was aber weder der Luigi noch irgend ein anderer bisher geschafft hat, könnte Howard Webb gelingen. Nämlich als erster Schiedsrichter überhaupt zwei WM-Finali zu pfeifen.
Wir erinnern uns: Webb hat’s 2010 geduldet, dass die Holländer den Spaniern die Schneid’ abkauften. De Jong hätte Rot sehen müssen nach dem Kung-Fu-Tritt gegen Xabi Alonso und Van Bommel auch nach seinem brutalen Foul an Iniesta.
Und das weiß der Howard auch. Und er weiß auch, dass er Glück hatte. Wären nämlich die Niederländer mit dieser Spielweise Weltmeister geworden, viele Fans auf der Fußball-Welt hätten es dem Engländer nicht verziehen.
Wahre Größe
Was den Howard aber auszeichnet, ist seine Reaktion auf das – aus seiner Sicht – verlorene Finale. Er stand 2010, nachdem er kurz zuvor schon das Champions-League-Finale pfeifen durfte, auf dem Schiedsrichter-Olymp. Alles erreicht? Nichts geht mehr?
Von wegen!
Der Howard wollte noch mehr. Er wollte noch besser werden. Den Ruf, übertriebene Härte zu dulden, nicht auf sich sitzen lassen. Und obwohl er auch heute noch mehr laufen lässt als viele andere, so hat er dennoch seinen Stil verändert und sich weiterentwickelt, nachdem er schon ganz oben war. Wahre Größe nenn’ ich das. Der Luigi ist in den letzten Jahren seiner Karriere ein bisserl stolziert über den Platz.
Und der Howard? Erst zuletzt hat er sich mit einer Glanzleistung im Achtelfinale Brasilien – Chile wieder ausgezeichnet. Ob ihm die FIFA ein zweites WM-Finale gönnt? Irgendjemand wird aus Neid oder sportpolitischen Gründen etwas dagegen haben. Ich würd’s ihm jedenfalls wünschen.
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