Strandspiele in Rio

Ein schweißtreibender Durchlauf der Nobelbezirke Copacabana, Ipanema und Leblon.

Sich am Zuckerhut stehend vor Ehrfurcht die Lippen schlecken, den Christus auf dem Corcovado ob seiner Größe nicht wahrhaben wollen, oder sich im Stadtteil Lapa bereits blöd grinsend von einer nur noch schemenhaft erkennbaren, milde lächelnden zahnlosen alten Dame den vierten Caipirinha in einem Plastikgefäß zurechtschütteln lassen – solche Eindrücke und Kopfschmerzen gehören einfach ins Programm des Rio-Besuchers.

Und damit wird es geradezu zur Pflicht, nächtens passierte Verfehlungen am nächsten Tag mit sportlicher Betätigung zu büßen. Mit einem Lauf, der an der Copacabana beginnt, der mittels Rechtskurve nach Ipanema führt und in Leblon seinen Umkehrpunkt findet. Ein Vorbeitraben an den Welten der Reichen, noch Reicheren und überhaupt Reichsten, der angeblich Schönen und des von Massen praktizierten Körperkults.

Vorbildhaft

Und sofort drängt sich die Fragestellung auf, wie einfach es denn sei, auf nur zwei Metern Breite eines in beide Richtungen führenden Laufstegs Radfahrer, Kokosnussverkäufer, nackte Oberkörper zur Schau stellende Jogger und Schlenderer, grölende Fußballfans sowie sich im Schweißbad auflösende Österreicher unter einen Hut zu bringen.

Es funktioniert: mit viel Disziplin, Rücksichtnahme und Voraussicht. Die Stadt Wien hätte vielleicht Exkursionen anbieten sollen, oder gleich den brasilianischen Leitfaden zur Vermeidung des egoistischen Durcheinanders auf der Mariahilfer Straße verteilen können.

An der Copacabana scheint sich an diesem sonnigen, spätherbstlichen Nachmittag ganz Rio de Janeiro zur sportlichen Betätigung verabredet zu haben.

Und es steckt auch hier System dahinter. Der vier Kilometer lange Sandstrand ist eingeteilt. Reserviert sind eigene Abschnitte für Beach-Fußballer, Volleyballer und Handballer sowie Liebhaber des Frescobol (zwei Badehosen, zwei Holzbretter und ein kleiner Ball).

Mit schlichtem Freizeitvergnügen hat all dies meist nichts zu tun. Es geht um Meisterschaften, veranstaltet in eigenen Ligen. Es wird gejubelt, diskutiert, gestenreich mit den Schiedsrichtern gestritten.

Männer wie Frauen zerwühlen hier den feinen Sand. Der Ball ist ihr Freund, ein Naheverhältnis, von dem in Österreich manch Fußballer nur träumt. Fußball ist schließlich Nationalsport in Brasilien. Gemeint ist dabei nicht der vor der Flimmerkiste ausgeübte – über 13 Millionen Menschen sind hier insgesamt als Aktive registriert. "Wir trainieren vier Mal die Woche und nehmen die Sache wirklich ernst", sagt Roberto und ärgert sich maßlos über die versandete Chance seines Teams.

Nicht weit davon zieht sich ein Muskelpaket zum gefühlten 7000. Mal an einer Reckstange hoch. Folterinstrumente dieser Art sind in regelmäßigen Abständen an allen Strandabschnitten angebracht.

Das Kontrastprogramm findet auf der anderen Straßenseite der Avenida Atlantica statt: Pensionisten ziehen ihre mehrheitlich weißen Pudel über den Gehsteig. Einen hohen Altersschnitt soll die 150.000 Einwohner zählende Copacabana haben. Man kann es erahnen.

Bereichert

Ipanema ist erreicht. Und dann folgt Leblon. Ein Ort, der sich äußerlich kaum von der Copacabana unterscheidet, aber ein Name, der noch mehr zählt für die wahrlich Wohlhabenden der Stadt. Die Mieten sind hier drei Mal so teuer wie an der Copacabana und noch höher als in Manhattan, wird erzählt.

Ob man es sehen will oder nicht, hier ist mit Sicherheit sichtbar, warum kosmetische Chirurgen eine berühmt hohe Auslastung haben in Brasilien. Echt ist hier zumindest die Menge der Abgase des nie enden wollenden Verkehrs.

Rettungsschwimmerturm Nummer 12. Höchste Zeit, umzukehren.

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