Wer soll den Titel holen?

Auch Sportredakteure des KURIER sind nur Menschen und haben deshalb ihre WM-Lieblinge. Ein Überblick.
Frankreich

Mein Herz haben die Bleus gewonnen, als sie sich 1998 zum WM-Titel zauberten. Wir sind damals daheim im Schwarzwald gesessen, und mit Stéphane, dem elsässischen Koch, haben wir das Finale angeschaut. "Stéphane, wenn Ihr gewinnt, fahren wir nach dem Match heim zu dir nach Straßburg und feiern." So kam es – erst um halb acht am nächsten Morgen kehrten wir mit unserem Kleinbus zurück. Ohne Stimme, voller Emotionen. Nach der EM 2000 wurde die Liebe zur Amour fou. Doch auch wenn die Sélections von Kickern und Rugby-Spielern immer wieder scheitern: Schöner als die Bleus kann’s keiner. Und Serien sind ja dazu da, um zu reißen.

Stefan Sigwarth, stefan.sigwarth@kurier.at

Belgien

Gastgeber Brasilien, Erzrivale Argentinien, schon wieder Spanier, die Italiener oder doch die Deutschen? Am Ende jubelt ein Favorit. Ein ungeschriebenes Gesetz, das im Vierjahresrhythmus exekutiert wird. Aber nicht 2014. Es gibt da ein Team, das explodiert vor Talent. Mit jungen und hungrigen, aber doch schon bei Spitzenklubs abgehärteten Könnern. Und das Schönste am Titel für Belgien? Es wäre ein Fingerzeig nach Österreich, was mit perfekter Talentepflege möglich ist.

Alexander Huber, alexander.huber@kurier.at

Uruguay

Kleines Land, ganz groß im Weltfußball: Wer knapp mehr als drei Millionen Einwohner und zwei WM-Pokale in der Vitrine hat, der muss etwas können. Auch wenn die WM-Titel noch aus der Urzeit des Turniers (1930, 1950) stammen. Aber auch in jüngster Vergangenheit sind die Urus erfolgreich – als WM-Vierter von 2010. In Brasilien werden sie wieder für Furore sorgen, weil die himmelblauen Dressen („Albiceleste“) einfach immer dem modischen Trend entsprechen.
Weil Luis Suárez ein Stürmer mit Hang zum Irrsinn und daher unberechenbar ist. Den einen Gegenspieler beißt er in den Unterarm, den anderen beschimpft er rassistisch. Mit diesen Umgangsformen findet er zwar keinen Zutritt zum Elmayer-Kränzchen, im gegnerischen Strafraum verbreitet er aber durchaus Angst und Schrecken. Uruguay wird auch deshalb überraschen, weil schon Austro-Barde Hansi Lang die Hauptstadt Montevideo besungen hat.

Alexander Strecha, alexander.strecha@kurier.at

Spanien

Während einer Reise vor mehr als 20 Jahren verliebte ich mich in den FC Barcelona. Beeindruckend das größte Stadion Europas, die schönsten Dressen der Welt und die Fans, für die der Verein tatsächlich Lebensinhalt ist. In meinen Augen trägt die spanische Nationalelf die Ingredienzien des FC Barcelona in sich. Natürlich: Die Deutschen sind effizienter vor dem Tor, die Griechen stehen hinten sicherer, die Engländer haben die besten Fans. Doch die Spanier sind anders. Ohne Zug zum Tor schieben sie einander minutenlang den Ball zu. So, wie es Kinder auf der Wiese tun. Aus Spaß am Spiel. In der Spielweise der Spanier glaube ich, ihre Liebe zum Fußball zu sehen.

Florian Plavec, florian.plavec@kurier.at

England

Wären einige Studenten der Universität Cambridge nicht so extrem sportbegeistert gewesen, dann würde es den Fußball in der heutigen Form gar nicht geben. 1848 haben diese die ersten Fußballregeln verfasst und die Basis für den Weltsport Nummer 1 gelegt. England ist die Wiege des modernen Fußballs, das Land, in dem alles begann. Und schon dafür hat es mehr verdient als einen mickrigen WM-Titel. Doch die Fußball-Götter scheinen diese Leistung nicht anzuerkennen. Mehr Pech bei WM-Turnieren als das Fußball-Mutterland hatte niemand. Das alles muss England zum sentimentalen Favoriten aller Fußball-Nostalgiker wie mich machen.

Stephan Blumenschein, stephan.blumenschein@kurier.at

Griechenland

Verteidiger muss man sein in Griechenland. Gut, auch Strafverteidiger sind am Peloponnes gegenwärtig recht gefragt, aber vor allem jene, die mit Fußball ihr Brot verdienen: Nur vier Gegentore kassierten die richtigen Kämpfer aus Sparta in den zehn Spielen der Qualifikationsgruppe. Bevor sich die Hellenen um irgendwelche Tika-Takas, wahre Primgeiger und falsche Neuner den Kopf zermartern, denkt man daran, wie man die eigene Hälfte zur Festung umbauen kann. Jedes Tor gegen die Griechen gleicht einem Pyrrhussieg, daher überraschen diese wie bei der EM 2004.
Sie sind keine Feingeister, die Griechen, aber in Schönheit sterben werden andere.

Harald Ottawa, harald.ottawa@kurier.at

USA

Es ist so einfach, die USA nicht zu mögen: zu groß, zu mächtig, zu selbstverliebt. Nur nicht im Fußball. Der Sportnation Nummer eins fehlt der richtige Kick. Die Heim-WM 1994 ist spurloser über dieses Land gefegt als jeder Tornado. Dabei verstehen es die USA wie kein zweites Land, Individualität mit Geschlossenheit zu vereinen. Dann wäre ja noch der Teamchef: Jürgen Klinsmann. Der Beschwörer und Verführer hat schon einmal das Unmögliche möglich gemacht: Er hat eine deutsche Mannschaft sympathisch wirken lassen. Noch nicht überzeugt? Wie wär’s mit einem Schuss Patriotismus? Andreas Herzog, Österreichs Beitrag zu dieser WM, ist Klinsmanns Assistent.

Philipp Albrechtsberger, philipp.albrechtsberger@kurier.at

Italien

Machos, Nudeln, Bunga-Bunga, Pizza, Strada del Sole, Hausmeister-Strand und überschäumende Emotionen. Das und noch viel mehr verbindet man mit Italien. Okay, Italien bei einer WM toll zu finden, ist in etwa so originell wie Flitterwochen auf den Malediven oder Blumenschenken zum Muttertag. Der Fußball der Squadra Azzurra ist auch nicht gerade der attraktivste – aber keiner kann so dramatisch siegen und verlieren wie Buffon und Kollegen. Da fließen noch Tränen und Herzblut. Dann gibt es da noch einen Andrea – Fußballgott! – Pirlo. Und wenn die Nationalhymne ertönt, leuchten die Augen der Spieler. Schauen Sie genau hin. Forza Italia!

Marco Weise, marco.weise@kurier.at

Argentinien

Argentinien ist Maradona: Laut, schillernd, einer, der zu Extremen neigt – eine lebende Legende. Während der Goldjunge und seine „Hand Gottes“ 1986 Geschichte schrieben, habe ich wohl geschlafen. Oder es mit drei Jahren nicht wirklich realisiert. Heute ist das anders: Heute ist Argentinien Messi. Ruhig, bescheiden, beeindruckend. Der kleine Rekordmann, der schon den größten Stars davonflitzte, ist höchstens in Modefragen umstritten. Himmelblau und Weiß sind auch in Brasilien die Farben, die von der Konkurrenz gefürchtet werden. Zu Recht, wie ich finde. Nach 28 Jahren ist ein neues Fußball-Wunder längst überfällig. ¡Vamos Argentina!

Christina Pertl, christina.pertl@kurier.at

Deutschland

Sommer 1990, Kreta. Es war heiß, doch der Strand war leer. Und das, obwohl Zigtausende Deutsche die Insel überschwemmt hatten. Hier der Geruch von Bier, dort ein lautes Grölen. Angesteckt und angemalt hatten sie mich. Schwarz-Rot-Gold. Welch Glück, nicht ausgesetzt zu werden, als mein Vater mein Gesicht sah. Es war die erste Berührung eines Sechsjährigen mit dem runden Leder. Die erste Siegerpose. Infiziert mit deutschem Selbstvertrauen. Prägend, so wie zwölf Jahre später auch, als gegen diese Zuckerhut-Kicker der Held meiner Jugend – Oliver Kahn – Ball und Pokal aus deutschen Händen gleiten ließ.
Die Zeit ist reif für eine Revanche.

Andreas Heidenreich, andreas.heidenreich@kurier.at

Brasilien

Brasilien wird Weltmeister? Na geh’. Die Annahme mag logisch sein und sie überhaupt zu äußern feig. Brasilien zu lieben, heißt das Spielen zu lieben. In all den Jahrzehnten blieb vor allem die brasilianische Ballkunst eine zumeist unangetastete. Doch offen ist die Rechnung seit 1982: Als Brasiliens Team, die mit Sicherheit beste Mannschaft der Geschichte, unbelohnt blieb.

Bernhard Hanisch, bernhard.hanisch@kurier.at

Bosnien

Erst ein dreieinhalb Jahre langer Krieg, dann eine gefühlt ewig dauernde Nachkriegszeit, ein gespaltenes Land – und neuerdings auch noch die größte Flutkatastrophe in der Landesgeschichte. Im Vergleich dazu waren die beiden verlorenen Relegationsduelle gegen Portugal vor der Weltmeisterschaft 2010 und der Europameisterschaft 2012 leicht verdauliche Schocks. Die Bosnier waren dennoch am Boden. Doch dieses Mal hat es Bosnien-Herzegowina tatsächlich zur WM-Endrunde geschafft. Ich werde den „Drachen“ die Daumen drücken, weil sie den leidgeprüften Menschen in ihrer Heimat das verschwundene Lächeln zurückzaubern können.

Mirad Odobasic, mirad.odobasic@kurier.at

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